Moderator: Weltenrichter
von Ripper » Do 14 Mär, 2013 20:11
von Serena » Do 14 Mär, 2013 20:35
von Zoe St.Claire » Do 14 Mär, 2013 23:05
von Peeta » Fr 15 Mär, 2013 07:21
von Larien » Fr 15 Mär, 2013 19:30
von Kyle » Sa 16 Mär, 2013 01:34
von Serena » Mi 20 Mär, 2013 12:15
von Ripper » Do 04 Apr, 2013 20:21
von Larien » Do 04 Apr, 2013 20:47
von Zoe St.Claire » Do 04 Apr, 2013 21:48
von Serena » Fr 05 Apr, 2013 10:27
von Ripper » Sa 06 Apr, 2013 13:52
Peeta hat geschrieben:
Ein Tag im Leben des Gale Hawthorne
Langsam öffne ich meine Augen. Als erstes erkenne ich die vertraute Wand, die gegenüber meinem Bett ist. Diese Wand sehe ich jeden Morgen, wenn ich aufwache. Meistens denke ich dabei „Ein Tag wie jeder andere“. Doch heute ist kein Tag, wie jeder andere. Heute ist Sonntag und das bedeutet, dass ich mich mit Katniss im Wald verabredet habe, damit wir gemeinsam jagen gehen können. Als mein Blick durch das Zimmer streift, sehe ich meine Geschwister, die noch immer tief und fest schlafen. Ich will sie nicht aufwecken. Also stehe Ich leise und langsam auf und gehe aus dem Zimmer. Ich gehe kurz ins Bad, mache mich fertig und ziehe mich jagdbereit an. Dann marschiere ich Richtung Wohnzimmer. Ich höre das Geräusch des Fernsehers. Es laufen zurzeit die 73. Hungerspiele und sie übertragen live aus der Arena das Geschehen. Es ist der 3. Tag für die Tribute. Ungefähr 10 von ihnen sind bereits tot. Ich hoffe, dass ich selber niemals bei diesen schrecklichen Spielen mitmachen muss. Ich hasse das Kapitol. Ich hasse, was sie mit den Menschen machen. Ich hasse die Art und Weise, wie sie uns für die damalige Rebellion bestrafen. Und doch werde ich diesem schrecklichen Spiel nicht ausweichen können. Mein Name befindet sich ungefähr 40-mal im Topf, aber ich bin bereits 16 Jahre alt. Wenn ich die nächsten zwei Jahre Glück habe, werde ich verschont… Aber was wird aus meinen Geschwistern? Ich kann mich dann nicht mehr für sie melden… Ich würde jemanden verlieren… Also sind es nur noch zwei Ernten, bis die schrecklichen Jahre beginnen…
„Gale? Bist du schon wach?“, fragt meine Mutter. Sie trocknet gerade einen Holzteller ab, während ihre Augen gebannt auf den Bildschirm starren. Wir sind eine sehr arme Familie. Unser Haus besteht nur aus drei Zimmern: Einem Badezimmer, einem Schlafraum, in dem wir alle schlafen und eben unser Wohnzimmer, das zusammen mit der Küche ein ganzes Zimmer bildet. Obwohl wir nicht reich sind, hat doch jeder Haushalt einen Fernseher. Dieser dient dazu, dass das Kapitol wichtige Informationen an uns weiterleiten kann und eben dazu, dass wir die schrecklichen Spiele miterleben müssen. Jedes Jahr. Jahr für Jahr. Es ist einfach grausam zu sehen, wie sich junge Kinder abschlachten, nur damit die Leute aus dem Kapitol ihren Spaß daran haben. Nein. So will ich nicht weiterleben. Das muss ein Ende haben. „Ja, Mom. Ich bin schon wach. Heute ist Sonntag.“, sage ich. „Ach richtig. Du hast dich mit Miss Everdeen verabredet. Komm aber bitte rechtzeitig vor dem Mittagessen nach Hause.“, sagt sie. Ich grinse. „Ich besorge ja das Mittagessen.“, sage ich, nehme eine Jacke von der Garderobe und öffne die Tür. „Viel Spaß!“, gibt mir meine Mutter noch mit auf den Weg und dann schließe ich die Tür, die mich ins Freie führt.
Ich laufe über den Saum und quer durch den Marktplatz immer Richtung Grenze von Distrikt 12. Dort ist ein Zaun angebracht, der wildes Tier – oder eben uns Distriktbewohner – vom jeweils anderen Ort fernhalten sollte. Doch das tut er schon lange nicht mehr. Die Stellen, die vorher noch elektrisch geladen waren, sind jetzt nichts weiter als ein normaler Zaun, der perfekt zum Durchqueren ist. Ich mache mich kleiner und schlüpfe durch eine freie Stelle. Dann laufe ich weiter in den Wald rein.
An meinem Lieblingsbaum angekommen, hole ich meinen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen aus einem ausgehüllten Baum und hänge mir meine Waffe um. Mal sehen, ob die Tiere meine Fallen entdeckt haben. Und tatsächlich: Ein Fuchs ist in eine Falle hineingetreten und eine andere hat ausgeschlagen, ohne einen Fang zu hinterlassen. Keine besonders gute Beute, aber besser als Nichts. Ich schlendere weiter durch den Wald, immer am gewohnten Pfad entlang, bis ich an eine kleine Klippe komme. Das ist der Stammplatz von Katniss und mir. Ich scheine als erster da zu sein. Ich lasse mich erschöpft ins Gras fallen und spüre, wie der Wind die Grashalme an meinen Kopf schlagen lässt. Ich schließe die Augen und versuche mich an die schönsten Momente mit Katniss zu erinnern, die wir je hatten. Das fällt mir natürlich nicht schwer. Ich denke an unser erstes Treffen. Das war natürlich auch im Wald. Ich war 14, Katniss war 12 Jahre alt. Sie hatte noch nicht so viel Erfahrung im Jagen, wie ich. Also brachte ich ihr vieles bei. Heute sind wir inzwischen gleich gut, was zur Folge hat, dass wir oft „Jagd-Battles“ veranstalten. „Wer fängt zuerst ein Tier“ lautet da meistens das Motto. Obwohl ich recht gut mit Pfeil und Bogen umgehen kann, gibt es niemanden in ganz Panem, der besser den Pfeil durch die Luft fliegen lassen kann, als Katniss. Es gibt einfach keine bessere Bogenschützin. Ich atme tief ein und aus und rieche den herrlichen Sommerduft. Den Geruch von wilden Blumen, ich höre das Summen der Bienen und ich spüre die warme Sonne auf der Haut. Alles perfekt. Fehlt nur noch Katniss.
Plötzlich höre ich, wie ein Vogel wild von einem Baum flattert und dabei warnende Signale aussendet. Ich schrecke hoch. Was ist? Was war das? Kommt jetzt etwa ein Friedenswächter? Doch ich brauche gar nicht lange darüber nachdenken. Ich weiß, wer jetzt kommt. Also lege ich mich wieder hin und schließe erneut die Augen. Mal sehen, was Katniss macht, damit ich sie wieder öffne. Es vergehen mehrere Sekunden. In Gedanken zähle ich mit, wie lange es wohl dauern wird. Als ich bei 60 ankomme und die Augen einen Spalt öffne, sehe ich die Umrisse eines Menschen über mir. Schnell mach ich meine Augen wieder zu. „Ich weiß genau, dass du mich hören kannst.“, sagt die Stimme eindringlich. Ich öffne die Augen erneut einen Spalt und sehe den gewohnten, langen Zopf, den Katniss immer trägt, wenn sie jagt. An den Farben erkenne ich, dass sie wieder ihre Lederjacke trägt, wie jeden Sonntag. Ich schließe die Augen erneut. „Gale! Na schön. Du hast es so gewollt!“, sagt sie gespielt wütend, legt ihre Waffe ab und lässt sich neben mich ins Gras fallen. Ich drehe meinen Kopf zur Seite und öffne die Augen. „Oh, Kätzchen! Da bist du ja!“, sage ich und tu so, als wäre ich überrascht. „Ich hab dich gar nicht kommen sehen.“, füge ich noch hinzu. Katniss grinst. Ich grinse frech zurück. „Kein Wunder, wenn du die Augen geschlossen hast.“, antwortet sie. „Pff…“, sage ich noch. „Und? Was gibt’s so Neues bei dir?“, fragt sie mich. Ich zucke mit den Schultern. „Eigentlich nichts.“, sage ich. „Und bei dir?“ „Auch nichts. Bis auf die Tatsache, dass mich das Kapitol langsam echt nervt.“ „Was? Es nervt dich nur?“, frage ich. „So hab ich das nicht gemeint. Ich hasse es. Es vergeht keine Sekunde, bei der ich mir nicht wünschen würde, woanders zu leben.“, sagt sie. „Da haben wir was gemeinsam.“, antworte ich nachdenklich und setze mich auf. „Was glaubst du, wie viele heute sterben werden?“, frage ich Katniss. Sie zuckt mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Die Karrieros aus Distrikt 1, 2 und 4 scheinen dieses Jahr ziemlich stark zu sein. Ich glaube kaum, dass sie jemals jemanden verschonen werden.“, sagt sie. Ich nicke zustimmend. Dann folgt ein paar Sekunden lang Schweigen. „Aber ich finde, Effie hatte dieses Jahr eine echt total verrückte Perücke auf.“, sage ich. Wir beginnen zu lachen. „Oh ja! Das Blau brachte ihre Augen richtig zur Geltung!“, sagt sie immer noch kichernd. „Möge das Glück …“, fange ich an. „… stets mit euch sein!“, beendet Katniss den berühmten Satz, den wir in einem Kapitolakzent nachsprechen. Wir schauen uns längere Zeit lächelnd an und versinken dann beide in Gedanken. „Na? Was ist jetzt? Wollen wir jagen gehen?“, fragt Katniss mich nach einer Weile. Also kehre ich von meiner Traumwelt zurück in die Realität. „Wer zu erst ein Reh erwischt hat! Das teilen wir dann auf und somit haben wir ein Festessen!“, sage ich. Katniss stimmt mir zu. Wir nehmen unsere Waffen in die Hand und hören, wie unsere Mägen zu knurren beginnen. „Wird höchste Zeit, dass was auf die Teller kommt.“, sage ich. Dann gehen wir von unserem Lieblingsplatz weg, jeder in einen anderen Teil des Waldes. Ich entscheide mich für die rechte Seite. Ich drehe mich nochmal kurz um und Katniss und ich sehen uns in die Augen, solange, bis die Bäume uns trennen.
Jetzt ist die Zeit der Konzentration angebrochen. Ich schleiche langsam durch mein Waldstück, immer ausschauhaltend über mögliche Leckerbissen. Und tatsächlich: Ich finde einen. Langsam, ganz langsam schleiche ich mich voran durch das Gebüsch. Ein Reh. Kräftig, gut gebaut und kerngesund. Zumindest kann ich das von meinem Versteck aus erkennen. Ich versuche meinen Bogen zu spannen, und dabei möglichst wenig Geräusche zu machen… Mit Erfolg. Der Pfeil ist nun so gut gespannt, dass er das Reh in wenigen Sekunden perfekt erwischen würde. Ich konzentriere mich auf die Spitze des Pfeils und mein Ziel. Warte wenige Sekunden… Zähle bis drei und warte auf den perfekten Moment. Dann lasse ich den Pfeil los und sehe ihm dabei zu, wie er seine Reise antritt. Dabei raschle ich kurzzeitig mit den Blättern und das Reh reagiert schnell. Es läuft los, doch es ist bereits zu spät. Die Spitze des Pfeils bohrt sich tief in sein Fell, genau in der Mitte seines Körpers und es fällt zu Boden. Ich warte ein paar Sekunden. Das Tier bewegt sich nicht mehr. Da wird Katniss staunen! Heute gibt es ein Festmahl! Ich krieche weiter ins Gebüsch und versuche das schwere Reh aufzuheben. Da ich viele Muskeln habe und schwere Dinge kein wirkliches Problem für mich sind, trage ich das Tier mühelos zu unserem Treffpunkt. Dort sitzt Katniss auf dem Boden und macht irgendwas mit ihrer Hand. „So ein Mist! Ich hab einen Dorn genau in meinen Arm, mit dem ich den Pfeil kontrolliere. Somit ist mir ein Wildschwein durch die Lappen gegangen.“, sagt sie genervt. „Kopf hoch, Kätzchen. In meiner Falle war ein Fuchs und in meinem Arm trage ich ein Reh.“, sage ich völlig gelassen. Katniss dreht sich erstaunt um und der Kinnladen fällt ihr runter, als sie das große Tier erblickt. „Wie hast du das denn geschafft?!“, fragt sie mich. Ich lache. „Von wem hast du’s gelernt?“, frage ich sie frech. Sie schlägt wütend ihren gesunden Arm gegen mein Bein. „Hey! Wer hat letzte Woche zwei Wildscheine abgeschossen?“, sagt sie triumphierend. „DU.“, antworte ich. „Und heute war ICH dran.“, füge ich hinzu und Strecke ihr meine Zunge raus. Sie streckt ihre Zunge ebenfalls raus und wir beide beginnen zu lachen. Das liebe ich an diesen Sonntagen so. Ein Tag, an dem wir einfach nur wir selbst sein können. Fern vom Kapitol und dem Alltag. Einfach frei! „Zeig mal den Dorn her.“, sage ich. Ich schaue mir den Übeltäter genauer an. „Achtung!“, warne ich meine Freundin und ziehe den Fremdkörper mit einem Ruck aus ihrer Haut raus. „Au!“, sagt sie schmerzvoll und bearbeitet die Stelle, in der vor wenigen Sekunden noch der Dorn steckte.
„Bist du dir wirklich sicher, dass die Friedenswächter uns nicht köpfen werden, wenn sie sehen, dass wir im Wald dieses Reh abgeschlachtet haben?“, fragt Katniss, als wir auf dem Nachhauseweg sind. Wir gehen gemeinsam nebeneinander her. Jeder von uns trägt die andere Hälfte des Tieres. Der Fuchs hängt um meinen Hals. „Ach was! Du kennst Darius doch! Der würde sich eher beschweren, wenn wir ihm nichts davon abgeben würden.“, sage ich zu Katniss, um sie zu beruhigen. „Und was willst du mit dem Fuchs anfangen? Ich habe noch nie einen Fuchs gegessen.“, sagt sie. „Ich verkaufe ihn auf dem Hob. Irgendjemand kann ihn bestimmt gebrauchen. Fuchspfoten sollen doch Glück bringen, oder? Für das erhaltene Geld werde ich dann etwas Brot kaufen, das wir ebenfalls teilen können, wenn du willst.“, erkläre ich. „In Ordnung.“, sagt Katniss. Wir tragen das Reh zu meiner Mutter, die mit ihrem Küchenmesser das Tier in zwei Teile teilt, wobei wir mehr als die Hälfte bekommen. Schließlich sind wir sechs Leute, während Katniss nur Essen für drei braucht.
Nachdem jeder von uns sein Essen bekommen hatte, ist Katniss wieder aufgebrochen. Jeder ist nun bei sich zu Hause und isst den frisch gefangenen Braten. Meine vier hungrigen Geschwister stopfen sich ihren jeweiligen Anteil in den Mund und gehen alle möglichen Theorien durch, wie ich an das Reh gekommen bin. „Bestimmt hat er jemanden auf dem Hob bestochen.“, sagt Rory. „Genau. Selbstverständlich. Ich renn einmal über den Hob und sage zu einem: Hey, geb mir das Reh und du bekommst dafür ... nichts!“, antworte ich im spaßigen Ton und dann fällt mir ein, dass es Realität ist. Also, nicht die Tatsache, dass wir das Reh durch Bestechung oder anders gesagt durch einen Handel bekommen haben, sondern die Tatsache, dass wir nichts haben, für das wir irgendwas eintauschen könnten. Gar nichts. Alles, was wir haben brauchen wir dringend. „Gale war mit Katniss jagen.“, sagt meine Mutter, während sie einen Bissen runterschluckt. „Richtig.“, antworte ich leise. Durch meinen vorherigen Kommentar, ist die Stimmung nun etwas gedämpft. Im Hintergrund hören wir das jubelnde Geschrei des Hungerspiele-Publikums. Der Reporter – Caesar Flickerman – sagt, dass der männliche Tribut aus Distrikt 12 so eben ausgestiegen ist. Ich will gar nicht wissen, wie das passiert ist. Wütend stehe ich auf. „Kann man denn diesen doofen Kasten nicht einfach ausstellen? Muss der nebenher laufen?“, rufe ich verärgert, sodass meine Familienmitglieder zusammenzucken. Ich habe mich grad selbst nicht im Griff. Ich spüre die Wut in mir aufsteigen, die ich gegenüber dem Kapitol hege. Wütend auf mich selbst, verlasse ich mit meinem Teller das Wohnzimmer. Ich will meiner Familie nicht das Essen verderben.
Nachdem ich zu Ende gegessen habe, nehme ich wieder meine Jacke von der Wand und hole den Fuchs. Ich stecke ihn in einen Rucksack, damit kein Friedenswächter etwas davon mitbekommt. Selbst, wenn sie in dieser Hinsicht ein Auge zudrücken. Mal sehen, wie viel der Hob dafür hergibt. Ich schlendere über den Marktplatz und erreiche wenige Minuten später den Schwarzmarkt, auch Hob genannt. Ich schaue mich um und sehe die verrücktesten Stände. Manche verkaufen Steine, andere Nahrung und wieder andere verkaufen Schmuck. Ich gehe näher an einen der Stände heran und sehe mich nach etwas Brauchbarem um. Bei einem der Schmuckstände bleibt mein Blick auf einem Kamm hängen. „Wie viel?“, frage ich. Der Kamm hat ein wunderschönes Muster mit Blumen und Vögeln. Die Grundfarbe ist ein schönes Eichenbraun. „Zwei Goldmünzen.“, sagt die alte Frau, die mich lächelnd anblickt. Sofort weiß ich, dass das für mich zu teuer ist. Selbst, wenn ich den Fuchs los werde. „Tut mir Leid. So viel habe ich nicht.“, sage ich und will mich wieder umdrehen, als die Frau etwas erwidert. „Keine Bange. Du bist der erste, der sich für diesen Kamm interessiert. Ich habe ihn schon lange hier. Nimm ihn mit. Diese zwei Münzen mehr oder weniger tun mir auch nicht weh.“ Dabei lächelt sie mich freundlich an und überreicht mir das edle Geschenk. „Danke.“, sage ich. „Können Sie vielleicht diesen Fuchs gebrauchen?“, frage ich sie. Ihre Augen weiten sich. „Oh ja! Was willst du dafür, Junge?“, fragt sie. „Sie haben mir dafür den Kamm gegeben. So ein Geschenk kann ich nicht einfach so annehmen.“, antworte ich und die alte Frau seufzt leicht. „Warte einen Augenblick.“, sagt sie und redet mit einem Mann, der den Stand neben ihr hat. Da die Entfernung etwas größer ist, verstehe ich nicht, was sie zu einander sagen. Aber sie kommt mit einem Brot unter dem Arm zurück. „Den Kamm und das Brot für den Fuchs.“, sagt sie. Ich lächle. „Tausend Dank! Sie sind meine Rettung!“, sage ich. Damit habe ich ein Geschenkt für Katniss und das Abendessen besorgt.
Voller Stolz gehe ich zu Katniss nach Hause und klopfe bei ihr an die Tür. Als sie diese öffnet, grinse ich sie frech an. „Hey, Kätzchen. Hat das Reh geschmeckt?“, frage ich. „Natürlich.“, antwortet sie. Wir lächeln, dann tippe ich sie am Oberschenkel kurz an und laufe weg. „Wetten, du kriegst mich nicht?!“, rufe ich. Sofort läuft sie mir hinterher. „Na warte!“, ruft sie. Lachend laufen wir über den Marktplatz und ernten dabei überraschte Blicke von den Bewohnern. Das geht viele Minuten so. Bei einem Baum angekommen hat sie mich letztendlich aufgeholt. „Schließe mal die Augen.“, sage ich zu ihr, während wir versuchen, wieder an Luft zu kommen. „Warum?“, fragt sie. „Warts einfach ab.“, antworte ich und Katniss befolgt meinen Befehl. „Jetzt öffne deine Handfläche.“, sage ich. „Was hast du vor?“, fragt sie lächelnd. „Lass dich überraschen.“, antworte ich und mustere sie von oben bis unten. Ihre langen Haare sind, wie immer, zu dem wunderschönen Zopf zusammengeflochten. Der Wind lässt ihren Zopf in der Luft tanzen. Schlagartig kommt mir der Gedanke, dass ich sie jetzt am liebsten küssen würde. Aber ich will diesen Moment nicht zerstören. Was, wenn sie nicht so empfindet, wie ich für sie? Und vor allem wird mir jetzt erst richtig bewusst, dass ich mehr empfinde. Ich versuche meine Gefühle zu verdrängen und zögere einen Augenblick. „Gale?“, fragt sie ungeduldig. Ich lege vorsichtig den Kamm in ihre Hand. „Schließe deine Handfläche und versuche den Gegenstand nur durch deinen Tastsinn zu erkennen.“, sage ich. Katniss‘ Finger beginnen jede einzelne Stelle des kleinen Kamms zu erkunden. Dabei lächelt sie. Nach wenigen Sekunden melde ich mich wieder zu Wort. „Öffne die Augen.“ Und Katniss tut es. Erfreut reist sie die Augen auf. „Gale! Wo hast du den denn her?“, fragt sie überrascht. „Das verrate ich nicht.“, sage ich. „Für den Fuchs, oder? Du hast deinen wertvollen Fang für den Kamm ausgegeben, richtig?“, fragt sie. „Stimmt zur Hälfte.“, antworte ich. „Ich hab dafür auch noch das Brot hier bekommen.“, sage ich und hole das Brot aus meinem Rucksack hervor, den ich die ganze Zeit über auf meiner Schulter trug. Katniss grinst. Dann läuft sie auf mich zu und umarmt mich fest. Natürlich erwidere ich ihre Umarmung. Mein ganzer Körper kribbelt und ich lasse sie für mindestens eine Minute nicht mehr los.
Inzwischen ist die Dämmerung hereingebrochen. Ein wunderschöner Tag neigt sich dem Ende zu. Katniss und ich sind langsam zu Katniss‘ Haus unterwegs. Ich teile das Brot in der Mitte und gebe Katniss die andere Hälfte. „Danke.“, sagt sie, fällt mir um den Hals und küsst meine Wange. Ich schaue sie überrascht an. „Weißt du was? Ich gehe jetzt zu Lady, Prims Ziege, und gebe dir ein wenig Milch und Butter mit. Dann gibt’s auch ein Festmahl zum Abendessen.“, sagt sie und ich wiederspreche ihr nicht. Warum auch? Wir laufen Hand in Hand zu Katniss‘ Haus und auf direktem Wege in den Stall. Sie gibt mir frische Milch und holt aus der Küche etwas Butter. „Danke für den wundervollen Tag mit dir.“, sage ich zu ihr. „Ich hab dir dafür zu Danken.“, antwortet sie und wir lächeln uns an. „Wir sehen uns dann morgen. In der Schule.“, sage ich und Katniss nickt. „Ich freu mich drauf.“, antwortet sie. „Ich mich auch.“, sage ich. Wir lächeln uns an. Dann drehe ich mich um und gehe los, Richtung mein Zuhause. Doch dann drehe ich mich nochmal um und winke Katniss zu. Sie winkt zurück. Vor ihr steht die kleine Schwester Primrose, die ebenfalls lächelnd zurückwinkt.
Zuhause angekommen verteilen wir das Abendessen und genießen anschließend die leckere Mahlzeit. Der Fernseher ist aus. Endlich! An diesem Tag mussten, soweit wir es mitbekommen haben, weitere fünf Tribute ihr Leben lassen. Alles nur für eine Show. Zur Vergnügung und zur Einschüchterung. Ich will unbedingt das Kapitol stürzen und dem allem ein Ende machen! Aber nicht heute.
Nachdem wir unser Abendessen gegessen haben, verbrachten wir eine Stunde damit, uns Geschichten zu erzählen. Dann ist Bettgehzeit. Ich bringe meine Geschwister in den Schlafraum und lege mich dann selbst schlafen, nachdem auch meine Mutter zu Bett gegangen war. Lächelnd denke ich nochmal an den Tag zurück.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass heute der bisher schönste Tag meines Lebens war.
von Wehwalt » Sa 06 Apr, 2013 18:55