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[HP] Manchmal kommt es anders

John Xisor
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[HP] Manchmal kommt es anders

Beitragvon John Xisor » Mo 28 Mär, 2011 19:49

A/N: Das ist mein Beitrag zur 7. Aufgabe des Jubiläumsmarathons von hpffa.de. Thema war eine Art Tagespraktikum. Ein Charakter, den man per Los gezogen hat, sollte in seinen Wunschberuf hineinschnuppern.
Ich zog Hermine.

Damit es nicht zu einfach wird wurde vorgegeben, was alles in der Geschichte vorkommen soll – oder eben nicht:

- ein kurzes Gedicht nach vorgegebenem Muster
- ein Akronym zum Wort „Berufswahl“
- ein Zeitungsartikel
- die Worte Kuh, Apfel, Terpentin, Phönix, Quarktasche
- ohne das Wort „sagte“ (plus sämtlicher Beugungen)

Die Anfangsbuchstaben zum Akronym (ums genau zu nehmen war’s ein Akrostichon) und die geforderten Wörter habe ich hier nicht fett markiert.
Erlaubt waren maximal 3.000 Wörter. John war wie üblich Beta und der postet auch wie immer hier. Die Reviews werde ich beantworten.

Liebe Grüße,
Muggelchen



Inhaltsangabe:

Welcher Beruf ist der richtige für mich? Diese Frage stellt sich Hermine, denn im Gegensatz zu den meisten Mitschülern ist sie sich über ihre Zukunft noch nicht im Klaren. Als ihre Freunde behaupten, über ihre beruflichen Ziele mehr zu wissen als sie selbst, hat sie genug. Hermine wählt für ihr Tagespraktikum einen Beruf, der so gar nicht ins Bild der Streberin passen möchte.

Eine Entscheidung, die sie fast das Leben kostet.





Manchmal kommt es anders



„Hermines Haken landet bestimmt beim ‚Amt für die Neuzuteilung von Hauselfen‘.“ Ron kicherte. „Sie wird unzählige Socken verschenken.“ Bisher hatte sich Harry ein Lachen verkniffen – jetzt schnaufte er. Hermine schaute böse zu den beiden hinüber, spürte dann einen Stoß an ihrem Ellenbogen.
Es war Ginny. „Lass dir nicht das Tagespraktikum vermiesen. Dreimal darfst du raten, was sie angekreuzt haben: Aurorenbüro.“ Hermine lächelte. „Die sind genauso durchschaubar wie du.“

Der letzte Satz traf Hermine wie ein Petrificus Totalus. Die Erkenntnis darüber, wie ihre Freunde sie einschätzten, war eine schmerzliche Erfahrung. Durchschaubar zu sein bedeutete, man war langweilig.

Abends las sie das Informationsblatt zur Berufswahl. Hermine war sich nicht über ihre Zukunft im Klaren. Sie könnte auch einen Dartpfeil auf das Blatt werfen. Ihr Haken war dort gesetzt, wo Ginny es prophezeit hatte. Alles in Hermine sträubte sich dagegen, berechenbar zu sein. Magisch entfernte sie das Kreuz. Sie wollte nicht langweilig sein.

„Bibliothekar“, murmelte sie geistesabwesend, während sie sich als Karikatur von Madam Pince mit strengem Dutt und Brille sah. Besenmacher, Schneider, Heiler. Nichts von alledem untermauerte ihren Wunsch, ein einziges Mal aus ihrem Leben auszubrechen und etwas Ungewöhnliches zu unternehmen.

Ein weiterer Beruf stach ihr ins Auge. Es könnte Spaß machen. Und gefährlich werden. Hermine fasste einen Entschluss. Dieses eine Mal würde sie über sich selbst hinauszuwachsen.

Nach zwei Wochen verteilte Dumbledore Briefe an die Schüler, doch drei bekamen keinen. Darunter war Hermine.

„Wie ihr seht“, begann Dumbledore, „fehlen noch einige. Die Bestätigungen sollten morgen eintreffen.“
„Das war klar.“ Ron nickte zu Draco hinüber. „Banker! Seine erste Frage an einen Kreditantragsteller ist bestimmt, ob er denn auch reinblütig ist. Typisch Malfoy. Immer dort zu finden, wo Geld und Macht beieinanderliegen.“
„Was hast du erwartet?“, fragte Harry. „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“

Am nächsten Morgen verkündete Dumbledore, dass die letzten Schüler ihre Praktikumsörtlichkeiten erfahren würden.

Dumbledore bat einen Gryffindor und eine Ravenclaw zu sich, verkündete derweil: „Beiden wurde vom Zaubereiministerium trotz der möglichen Gefahren erlaubt, ein Drachenreservat zu besuchen.“ Hermine war die Nächste. Vor lauter Aufregung schlug ihr das Herz bis in den Hals. „Hermine Granger. Mit einer Sondergenehmigung dürfen Sie den Ausbildern für Sicherheitstrolle bei ihrer Arbeit über die Schulter blicken.“

Eine himmlische Stille kehrte ein. Als Hermine nach vorn Schritt, fühlte es sich an, als würde sie auf Wolken gehen. Über den eigenen Schatten zu springen war ein überwältigendes Erlebnis. Jeder schaute sie an. Besonders ehrfürchtige Ravenclaws und freche Slytherins würdigten allesamt Hermines Lebenswandel. Sie stand im Mittelpunkt. Mit ihrer Entscheidung hatte sie am meisten sich selbst überrascht.

Erst als Hermine am Gryffindortisch Platz nahm, begannen die Mitschüler wieder miteinander zu sprechen, zweifelsohne über sie.

„Spinnst du?“, fragte Ron erbost.
Hermine blieb locker. „Warum?“
„Das ist gefährlich!“
„Ach, und die Arbeit als Auror ist ein Zuckerschlecken?“, konterte sie bissig.
„Mmmh“, grummelte Ron zurück. Wenig später beugte er sich unsicher zu Hermine. „Trelawney meinte, ich solle mir Terpentin besorgen.“
Hermine lachte. „Nein, du sollst dir Serpentin besorgen. Der Stein verfügt über Heilkräfte.“
„Ah!“, machte er erleichtert. „Ich habe mich schon gefragt, wie ich das um den Hals tragen soll.“

~ * ~



Mit Portschlüsseln, die extra vom Ministerium angefertigt wurden, reiste jeder Schüler zu seinem Tagespraktikum.

Als sie die Tore von „Magnus Vivax Sicherheitstrolle“ erreichte, traf sie entgegen ihrer Erwartungen nicht auf Magnus Vivax, sondern auf einen Mann mit grau meliertem Haar, der einen Fotoapparat in der Hand hielt.

„Sie gehen da wirklich rein?“, fragte der Herr sie. Seine Stimme klang vertrauenswürdig.
„Ja, ich …“ Von den Rufen einiger stark übergewichtiger Angestellter wurde Hermine unterbrochen.
„Hey, verschwinden Sie“, rief einer der Männer, die vom Firmengelände auf die beiden zukamen. Die Aufforderung galt nicht ihr.
Der Mann mit der Kamera lächelte resignierend, bevor er fragte: „Mrs. …?“
„Miss Granger.“
„Ah, Miss Granger“, wiederholte er. „Wenn Sie reingehen“, er wurde leiser, „halten Sie Augen und Ohren offen und berichten Sie!“

Es war zu spät, um Fragen zu stellen. Die Herren waren bereits am Tor angelangt und spieen Gift und Galle.

„Das ist firmeneigenes Gelände“, brüllte einer.
Der Herr mit der Kamera blickte unschuldig drein. „Aber doch nicht der Bereich vor Ihrem Tor. Das ist öffentliches Gelände. Ich darf mich hier aufhalten.“
Der Mitarbeiter öffnete das Tor, um Hermine eintreten zu lassen. Dem Herrn mit der Kamera bot er vorgetäuscht höflich an: „Kommen Sie herein. Dann zeige ich Ihnen, was Sie dürfen und was nicht.“
„Nein, vielen Dank. Ich habe irgendwie das Gefühl, ich müsste um mein Leben fürchten.“

Das Tor wurde zugeworfen. Die vier Männer begleiteten Hermine. Sie unterhielten sich nicht mit ihr, sondern über den Herrn am Tor. Der Vorfall irritierte sie.

„Miss Granger.“ Hermines Kopf fuhr herum. Vor ihr stand Magnus Vivax. Sein Bild hatte sie bei ihrer Recherche über dieses Unternehmen gesehen. Die Lachfältchen an seinen Augen zeugten von steter Freundlichkeit.
„Mr. Vivax, guten Tag.“

Man begrüßte sich per Handschlag. Mr. Vivax schickte die Mitarbeiter wieder an ihre Posten. Als sie allein waren, musste Hermine gar nicht fragen, denn Mr. Vivax begann aus freien Stücken.

„Der Herr am Tor, Mr. Aperio, lungert schon seit Jahren hier herum.“ Mr. Vivax seufzte. „Er wartet nur darauf, dass hier ein schmutziger Eimer herumsteht, damit er meinem Unternehmen unzumutbare Hygienebedingungen vorwerfen kann. Sie kennen ja die Presse.“ Hermine nickte. „Eine einzige Fehlinformation könnte mich ruinieren.“ Mr. Vivax blieb stehen und deutete auf die vielen Gebäude. „Was Sie hier sehen, stellt nur einen Bruchteil des Unternehmens dar. Über achtzig Prozent der Räumlichkeiten befinden sich unter Tage. Das ist eine unserer Sicherheitsvorkehrungen. Sollte ein Troll ausbrechen, muss er durch einen der Aufzüge nach oben, aber die werden von Menschenhand gesteuert.“

Hermine folgte Mr. Vivax und hörte aufmerksam zu, als er von den Aufgaben der Sicherheitstolle erzählte. Sie erinnerte sich an ihr drittes Schuljahr. Nach dem Anschlag auf Ron übernahm die Fette Dame wieder die Aufsicht zum Bereich der Gryffindors – unter der Bedingung, dass Sicherheitstrolle sie bei ihrer gefährlichen Aufgabe unterstützten.

Mr. Vivax schien ihre Gedanken zu lesen. „Hogwarts zählte vor einigen Jahren zu unseren Kunden.“ Ein Lächeln. „Trolle werden übrigens an die vier Meter groß und bis zu einer Tonne schwer.“
„Darüber habe ich gelesen.“
„Wollen wir uns einen ansehen?“ Mr. Vivax nickte, als sie bejahte.

Mit einem Fahrstuhl, der viel Ähnlichkeit mit einem offenen Lastenaufzug hatte, fuhren sie hinunter ins Erdreich. Die Luft wurde stickiger.

„Trolle haben einen unangenehmen Körpergeruch. Trotz unserer Belüftungsanlagen können wir nichts gegen die schlechte Luft unternehmen. Wenn es unerträglich werden sollte …“
„Es geht schon“, versicherte Hermine.
„Gut, dann zeige ich Ihnen unser Prachtexemplar. Ein Flusstroll. Wir wissen noch nicht, ob sie als Sicherheitstrolle taugen.“

Die Türen des Aufzugs öffneten sich. Als Hermine heraustreten wollte, hielt Mr. Vivax sie auf.

„Ein paar Regeln müssen sein.“ Er deutete auf die in der Luft schwebenden Laufstege. „Folgen Sie immer dem roten Strich in der Mitte. Beugen Sie sich nie über das Geländer und vor allem: behalten Sie Ihre Arme bei sich!“ Mr. Vivax machte einen Schritt hinaus. „Es heißt zwar Ladies first, aber der Sicherheit zuliebe nehmen Sie mir bestimmt nicht übel, wenn ich vorangehe.“

Eingeschüchtert schüttelte sie den Kopf. Um sie herum war es pechschwarz, nur die Laufstege waren erhellt. In der Dunkelheit unter ihnen grunzte es. Aus einer anderen, finsteren Ecke echote eine Antwort.

„Mit diesen Lauten unterhalten sie sich“, erklärte Mr. Vivax. „Wenn man der Troll-Expertin Gondoline Oliphant Glauben schenken kann.“
„Ich habe ihre Bücher gelesen.“
Mr. Vivax lächelte. „Eine mutige Frau. Die Einzige, die sich frei zwischen Trollen bewegte und das jahrelang, ohne jede Sicherheitsvorkehrung.“
„Bis sie erschlagen wurde.“
„Ein scheußliches Ende. Man weiß bis heute nicht, warum der Troll zur Keule griff.“

Weiter vorn sah man beleuchtete Fenster, hinter denen sich ein Büro befand.

„Unsere Sicherheitszentrale für diesen Abschnitt.“ Die Tür öffnete sich und einer der schweren Herren von vorhin trat heraus. Er trug kein Hemd, und er hatte mehr Brust als Hermine vorzuweisen. „Crudelius, mach das Licht für die 2 an“, befahl Mr. Vivax.
„Aber Sir …“
„Mach schon!“

Der Angestellte sprach mit jemandem im Büro. Kurz darauf wurde es an einer Stelle hell. Hermine blickte auf eine überdimensionale Zelle ohne Dach hinab. Sie war leer. Augenmerk war ein großer, roter Fleck am Boden. Mr. Vivax schien verstört. Als Crudelius bei ihnen ankam, richtete Mr. Vivax sofort das Wort an ihn.

„Was ist das?“ Vivax zeigte auf den Fleck.
Ein anderer Herr, genauso üppig proportioniert wie Crudelius, kam zu Hilfe. „Das ist Farbe. Wir, ähm, wollten das Büro streichen. Ja, genau! Crudelius hat den Eimer fallen lassen, als der Troll …“
„Ja ja“, winkte Mr. Vivax ab. „Macht das gefälligst sauber! Das sieht ja grauenvoll aus von hier oben.“

Mr. Vivax schaute Hermine an. Beide sahen in den Augen des anderen, dass man den Worten der Männer nicht glauben konnte. Im Gegensatz zu Hermine wollte sich Mr. Vivax jedoch einreden, die rote Lache wäre nur Farbe.

Mr. Aperio hatte ihr geraten, Augen und Ohren offenzuhalten.

„Wo ist der Flusstroll?“, fragte Vivax.
„Bei der Abrichtung in Zone 4.“
Mr. Vivax richtete das Wort an Hermine: „Dann kein Flusstroll, aber ich bin mir sicher, Crudelius wird Ihnen ein Prachtexemplar zeigen.“
Hermine bekam es mit der Angst zu tun. „Sie gehen?“
„Ja, ich bin nur“, er lachte, „ein Bürohengst. Crudelius hat jahrelange Erfahrung.“ Vivax schaute entsprechenden Mann streng an. „Achten Sie auf Miss Granger!“
„Sicher, Sir.“

Mr. Vivax verabschiedete sich und ließ Hermine mit den schweren Männern zurück.

„Sie wollen einen Troll sehen?“, grunzte Crudelius bedrohlich. Hermine schüttelte den Kopf, aber er blaffte bereits einen Befehl in Richtung Büro. „Mach Licht in der 3.“

Neben der leeren Zelle befand sich eine weitere. Erst jetzt ahnte Hermine, dass der gesamte Boden voller Zellen sein musste. In Zelle 3 befand sich ein Troll mit grünlicher Hautfarbe. Er wirkte nicht im Geringsten gefährlich, denn er kauerte sich ängstlich in die Ecke, die am weitesten entfernt war von der Zelle mit der vermeintlichen Farbe.

Crudelius präsentierte stolz: „Das ist ein Waldtroll: groß, fett, stark – und er hat genauso viel Grips wie eine Quarktasche.“
„Mr. Vivax meinte, man sollte seine Arme bei sich behalten. Gab es schon Unfälle?“
Crudelius grinste schief und rief zu seinem Kollegen. „Beau!“ Der Gerufene drehte sich um. „Klatsch mal!“
„Scherzkeks“, erwiderte Beau, der mit dem kurzen Stumpf an seiner linken Schulter zu Hermine winkte.

Ihr wurde übel. Hermine musste den Blick abwenden und schaute hinunter zum Troll. Erst jetzt fielen ihr im Gesicht des grünen Monstrums die Streifen auf. Scharlachrot wie das Gefieder eines Phönix trat Blut aus unzähligen kleinen Wunden hinaus. Gerade bemerkte sie die zu engen Ketten an den klobigen Füßen, da wurde das Licht wieder gelöscht.

„Wir trinken erst mal einen Kaffee, bevor es weitergeht.“

Während die Männer ihre Pause genossen, schaute Hermine sich im Büro um. Zeitungsartikel hingen an der Wand, allesamt über Sicherheitstrolle. Zwischen all den Artikeln hing das Ölgemälde eines Mannes. Sie hatte nicht geahnt, dass es beweglich war.

Der gemalte Mann blaffte sie plötzlich an: „Fass mich ja nicht an, sonst beiß ich dir die Finger ab! An meinen Schatz kommst du nicht.“
Crudelius stöhnte. „Du blödes Bild! Du sollst den Tresor bewachen und nicht jeden darauf aufmerksam machen.“
Hermine drehte sich um. Der Anblick von zwei adipösen Herren ohne Hemd war alles andere als reizvoll. „Ist das Ihre Arbeitskleidung?“, wollte sie wissen.
Crudelius lachte. „Wenn so ein Troll deine Kleidung zu fassen bekommt, ist ein Riss im Hemd die geringste Sorge. Daher: keine Oberteile. Wir ölen uns manchmal gegenseitig ein, wenn wir näher an die Trolle heran müssen. Sollten die einen zu fassen kriegen, hat man noch die Chance, ihnen aus der Pranke zu flutschen.“

Das unappetitliche Bild von beleibten Männern, die sich gegenseitig den Wanst einölten, brannte sich in ihrem Kopf ein. Sie wollte es wieder loswerden und dachte an jemand anderes. Snape in Öl? Ebenfalls nicht hübsch anzusehen. Lockhart! Ja, sie malte sich bildlich aus, wie Gilderoy Lockhart sich seinen drahtigen Körper einölte und …

„M’am?“
„Ja?“ Ihre Stimme fiel einige Oktaven höher aus.
„Sie schienen etwas abwesend.“
„Ich musste an Gilderoy Lockhart denken.“ Mit ölig glänzenden Bauchmuskeln. „Er hat Trips mit Trollen geschrieben.“
„Ich hab noch nie ein Buch gelesen“, warf Beau ein.
„Das glaube ich ungesehen“, murmelte Hermine.
„Dafür schreibt Beau Gedichte. Los, trag der Dame mal eines vor.“
Beau fummelte einen Zettel aus der Hosentasche. „Das ist mein Neuestes.“ Er las:

„Sylphidenhaft und wundervoll
war er noch nie, der Wassertroll.

Er bricht dich auf, frisst dein Gedärm
und macht dabei ’ne Menge Lärm.

Ob alt, ob jung, schön und adrett,
zurück von dir bleibt ein Skelett.“

„Wie entzückend“, kommentierte Hermine den Reim.

Nach der Pause führte Crudelius sie ein wenig herum.

Zone 4. Hier wurden Trolle abgerichtet. Hermine erwartete den Flusstroll, doch ein lilafarbenes Ungetüm war nicht zu sehen. Dafür wankte einer der Angestellten ziellos auf den Laufstegen umher.

„Wenn Sie mich kurz entschuldigen würden?“ Crudelius ging auf den Mann zu und drängte ihn in eines der Büros. Hermine lauschte, als er mit einer weiteren Person sprach. „Nimm ihm den Feuerwhisky weg, wir haben Besuch!“ Viel leiser fragte er: „Wo ist der Flusstroll?“
„Hat die Abrichtung nicht überlebt.“

Crudelius stöhnte, schien aber nicht aufgebracht über das Ableben des Trolls. Als es stiller wurde, ging Hermine von der Tür weg. Der Gedanke daran, dass die Trolle hier misshandelt wurden, brachte sie in Rage. Durch ein Fenster in der Wand schaute sie in einen anderen Raum hinein und erblickte ein Tier, das sie hier nicht erwartet hätte.

Die Bürotür öffnete sich. Ihre erste Frage war: „Was ist das?“ Sie zeigte durchs Fenster.
Der Mann, der für Zone 4 verantwortlich war, erwiderte: „Das ist eine Kuh.“
Hermine rollte mit den Augen. „Aber was hat die dort zu suchen?“
„Lebendfuttermittel.“ Crudelius rammte dem Herrn seinen Ellenbogen in die Seite, sodass gleich verbessert wurde: „Ich meine, jetzt lebt sie noch. Die Tiere werden natürlich fachgerecht geschlachtet, bevor sie verfüttert werden.“

Hermine glaubte dem Mann kein Wort. Man durfte nicht einmal lebende Mäuse an Schlangen verfüttern. Das hier war ein Skandal. Sie hielt vorsichtshalber ihren Mund. Wenn man zu viel wusste, endete man womöglich selbst als Lebendfuttermittel.

Was genau wusste Mr. Aperio? Warum hielt er sich mit einer Kamera bewaffnet vor den Toren auf? Diese Fragen ließen sie nicht los. Die ganze Führung über hörte sie nur mit einem Ohr zu. Nach sechs Stunden hatte sie genug gesehen. Um 18 Uhr war der Tag offiziell vorüber. Der Beruf des Trollausbilders war nichts für sie.

Man begleitete sie bis zum Tor und verabschiedete sich.

Hermine wusste nicht, warum sie die Abreise mit dem Portschlüssel nur vortäuschte. Sie schlug sich in die Büsche des Firmengeländes und ahmte magisch das Geräusch des Portschlüssels nach. Crudelius und Beau drehten sich nochmals um.

„Sie ist weg.“
Crudelius nickte. „War mir ein bisschen zu neugierig, die Kleine.“
„Ihr hat mein Gedicht gefallen“, verteidigte Beau sie.

Die beiden verschwanden. Hermine drückte sich an den Zaun und erschrak, als sie eine Hand an ihrer Schulter spürte.

„Mr. Aperio?“
„Ah“, machte er erstaunt. „Man kennt mich drinnen offenbar bestens.“
„Was geht hier vor?“, fragte Hermine aufgebracht.
„Erzählen Sie es mir! Sie waren drin.“
„Und Sie?“
Mr. Aperio schüttelte den Kopf. „Mein Partner …“
„Partner?“
„Wir haben zusammen für Tageszeitungen geschrieben.“ Mr. Aperio nickte zu den vielen Gebäuden. „Er ist nie wieder rausgekommen.“
„Sie machen Scherze!“
„Nein, nach all den verlorenen Prozessen suche ich noch immer nach einer Möglichkeit, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen.“ Mr. Aperio klang verzweifelt. Dann stutzte er. „Warum verstecken Sie sich eigentlich auf dem Firmengelände?“
Hermine klang entschlossen. „Ich will nochmal rein.“
„Davon rate ich ab.“
„Die werden mich nicht bemerken.“
„Unterschätzen Sie die großen Babys nicht. Die Männer wissen, wie man sich neugieriger Personen entledigt.“
„Es ist etwas faul. Ich brauche nur Beweise.“
Mr. Aperio kämpfte mit sich. „Das Letzte, was ich von meinem Partner sah, war sein Patronus. Er sprach von einem Tresor mit belastendem Material.“
Sie riss die Augen auf. „Ich weiß, wo der ist!“
Als sie aufsprang, hielt er sie fest. „Wenn Sie in dreißig Minuten nicht wieder bei mir sind, rufe ich die Polizeibrigade. Hier“, er reichte ihr seinen Fotoapparat durch den Zaun. „Er ist leise, ohne Blitz. Dieser Schalter ist für die Nachtsichtfunktion.“

Hermine hängte sich den Fotoapparat um den Hals. Mr. Aperio zog seinen Zauberstab und klopfte ihr auf den Kopf. Es fühlte sich wie ein Ei an, das zerplatzte und an ihrem Gesicht hinunter über den ganzen Körper lief. Sie kannte den Zauber. Ein Desillusionierungszauber.

~ * ~



An Hermines Krankenbett wachten Ron und Harry, wobei Letzterer schlief. Ron hingegen verschlang den Artikel des Tagespropheten:

Tragisches ereignete sich am Freitagabend in dem bekannten Unternehmen „Magnus Vivax Sicherheitstrolle“. Eine Schülerin Hogwarts’, die dort ein Praktikum absolvierte, deckte mit Hilfe unseres ehemaligen Journalisten V. Aperio eine Kette von Skandalen auf.

Die vorgeworfenen Verstöße gegen das Tierschutzgesetz beinhalten die Verfütterung lebendiger Nutztiere an Trolle, aber auch quicklebendige Katzen und Hunde sollen regelmäßig als Zwischenmahlzeit in die Gehege geworfen worden sein. Der Vorwurf der Misshandlung wird ebenfalls gemacht. Mit Mistgabeln soll den Trollen brutal ins Gesicht gestochen worden sein, um sie gefügig zu machen. Einige sollen diese Prozedur nicht überlebt haben.

Die Vereinigung der Kobolde nahm diese Anschuldigungen als Anlass, ihre Forderungen für mehr Rechte der als „menschenähnliche magische Wesen“ bezeichneten Lebewesen wieder aufblühen zu lassen. Zudem brachten sie öffentlich ihren Missmut über den Umgang der Menschen mit andersartigen Kreaturen zum Ausdruck.

Die schlimmste Beschuldigung in diesem Fall ist jedoch der versuchte Mord an der Schülerin, die Beweise an der Ermordung eines ehemaligen Journalisten gefunden hat. Miss H. G. kann von Glück reden, dass Mr. Aperio die Magische Polizeibrigade weit vor dem ausgemachten Zeitpunkt rief. Die junge Frau wurde rechtzeitig aus den Fängen sadistischer Sicherheitstrollausbilder befreit und liegt nach einer Erstbehandlung durch Heiler des Mungos nun im schuleigenen Krankenflügel. Laut Stellungnahme der Schulleitung hat sie das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt.

Geschäftsinhaber Mr. Vivax äußerte sich nur kurz zu den Anschuldigungen. Der Presse will er weismachen: „Es tut mir so leid, ich wusste von alledem nichts.“


Vorsichtig gab Ron ihr einen Kuss auf die zerschrammte Stirn und legte einen grünlichen Stein auf ihre Brust.

„Den brauchst du im Moment dringender als ich.“




~ * ~






Lesen Sie auch das nächste Mal wieder rein, wenn es heißt: „Gedanken aus Kristall“ – demnächst auf dieser Seite.
Zuletzt geändert von John Xisor am Mi 20 Apr, 2011 19:47, insgesamt 3-mal geändert.
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Beitragvon Ashlyn » Mo 28 Mär, 2011 22:10

Hey Muggelchen! :]
Schön, dass es wieder etwas Neues von dir gibt! Cooles Thema, aus dem man viel machen konnte - und die "Einschränkungen" hast du echt gut eingesetzt. Hat mir gut gefallen! :]
Dieses Mal sind mir sogar kleine Tippfehler aufgefallen, die ich sonst nie bei dir entdeckt habe. ^^
Aber ansonsten ist die FF natürlich wieder super gelungen! Hermine und Ron (am Anfang und am Ende) waren echt authentisch und man konnte dem Geschehen gut folgen.

Schön!

Liebe Grüße,
Chrissi

//PS: Ach ja, es wäre noch schön, wenn du vor den Titel "[HP]" setzen würdest - Übersichtshalber... x]
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Beitragvon John Xisor » Mo 28 Mär, 2011 23:55

Hallo Chrissi,

vielen Dank für dein Feedback. Tippfehler? Bei Merlin ... Ich werd die FF selbst noch einmal lesen und hoffe, dass ich sie finde.

Das mit den vorgegebenen Themen oder bestimmten Einschränkungen sind für mich immer ganz nette Anreize, eine FF zu schreiben. So ein Thema wie Hermines Berufswahl hätte ich sonst wahrscheinlich nie angefasst. Besonders schön finde ich natürlich, dass die Charaktere in deinen Augen sehr IC waren. Das ist für mich immer das A und O bei einer FF. Nur so kann auch AU funktionieren, wobei ich nicht unbedingt ein Freund von "alternativen Universen" bin, aber auch da gibt es sehr gute Geschichten, eben weil die Charaktere so sind, wie man sie kennt. Aber ich schweife ab ... ;) Das [HP] habe ich vor den Titel gesetzt. Danke für den Hinweis.

Liebe Grüße
Muggelchen
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Beitragvon ~Alice~ » Sa 02 Apr, 2011 11:30

Also Tippfehler habe ich nur einen kleinen gefunden^^"
Ich muss sagen, dass mir dein Schreibstil sehr gefällt. Bei manchen FF's habe ich das Gefühl, dass ich gerne aufhören möchte zu lesen, was bei dir jetzt gar nicht der Fall war. :) Die Story an sich fand ich auch gelungen, auf solche Ideen muss man erst mal kommen^^
Ich freue mich schon auf neue Geschichten von dir ;)
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Beitragvon John Xisor » Mo 11 Apr, 2011 19:51

Hallo ~Alice~,

mein Schreibstil sah vor 3 ½ noch ganz anders aus, aber man entwickelt sich ja stetig weiter. Vielen Dank für das Feedback. Es freut mich, dass das Lesen Spaß macht.

~Alice~ hat geschrieben:Also Tippfehler habe ich nur einen kleinen gefunden^^"

Argh ... Wo? Lasst mich doch nicht dumm sterben :( *schnief*

Wie versprochen gibt es gleich den Oneshot "Gedanken aus Kristall", der diesmal wirklich gaaanz anders ist.

LG
Muggelchen
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Beitragvon ~Alice~ » Mi 20 Apr, 2011 09:05

Übrigens es reicht auch, wenn du nur Alice schreibst^^
Im 2. Teil der 9. Abschnitt^^ Es ist nicht wirklich ein Rechtschreibfehler, eher ein Buchstabenvergesser :lol:

John Xisor hat geschrieben:Der Herr am Tor, Mr. Aperio, lungert schon seit Jahren hier herum.“ Mr. Vivax seufzte. „Er wartet nur darauf, dass hier ein schmutziger Eimer herumsteht, damit er meinem Unternehmen unzumutbare Hygienebedingungen vorwerfen kann. Sie kenne ja die Presse.“ Hermine nickte. „Eine einzige Fehlinformation könnte mich ruinieren.“ Mr. Vivax blieb stehen und deutete auf die vielen Gebäude. „Was Sie hier sehen, stellt nur einen Bruchteil des Unternehmens dar. Über achtzig Prozent der Räumlichkeiten befinden sich unter Tage. Das ist eine unserer Sicherheitsvorkehrungen. Sollte ein Troll ausbrechen, muss er durch einen der Aufzüge nach oben, aber die werden von Menschenhand gesteuert.“
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