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[HP] Memoria - Erinnerungen an Sirius (abgeschlossen: 11.02.2009)

Layla Grace
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[HP] Memoria - Erinnerungen an Sirius (abgeschlossen: 11.02.2009)

Beitragvon Layla Grace » Di 14 Okt, 2008 18:59

So, hier was neues "Altes" von mir...ich hab sie hier noch nicht gefunden, also gehe ich davon aus, sie hier auch noch nicht gepostet zu haben ;)
Eigentlich ist das Ganze nur ein One-Shot, da meine One-Shots aber immer ziemlich...lang sind, gibt's dieses Mal eben zwei oder drei Teile ;)
Viel Spaß beim Lesen - und bitte ein Kommi nicht vergessen ;)


_______


~*°°*~
In my hands
A legacy of memories
I can hear you say my name
I can almost see your smile
~*°°*~



Nymphadora hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen. Und das nicht erst seit ein paar Minuten, sondern schon seit Stunden. Wenn nicht schon seit einem ganzen Tag.
Mit nachdenklicher Miene starrte sie aus dem Fenster auf den kleinen Park, gegenüber des Grimmauldpatzes Nummer 12 und beobachtete ein paar Muggel, die dort ihre Runden zogen, mit Hunden spazieren gingen oder einfach nur auf einer der angebrachten Bänke saßen und miteinander redeten.
Das stetige Klopfen an ihrer Tür, mittlerweile im Stundentakt durchgeführt, hatte sie schon zu ignorieren gelernt, genauso wie die etlichen Versuche ihrer Freunde, die Tür einfach mit einem Zauber zu öffnen. Bevor sie in sich zusammengesunken war, hatte sie es geschafft, noch ein paar Schutzzauber über ihr Zimmer zu legen, um vor ungebetenen Gästen vorzubeugen.
Und nun hatte sie sich auf dem Fenstersims zusammengerollt, die Beine an ihren Körper gezogen, ihren Kopf leicht darauf gelegt.
Immer wieder zogen die Bilder dessen vor ihr Augen, was vor nicht allzulanger Zeit im Ministerium geschehen war.
Es war, als würde sie den Schrei nach Sirius, den Harry in seiner Verzweiflung geschrieen hatte, noch immer hören. Er wollte und wollte nicht aus ihrem Kopf verschwinden – und wenn sie ganz zu sich selbst war – dann wollte sie diesen Schrei auch nicht missen. Denn dann würde auch die letzte Erinnerung an Sirius aus ihrem Kopf verschwinden.
Sie konnte ihre eigenen Reaktionen nicht wirklich nachvollziehen. Und wahrscheinlich saßen die anderen gerade unten in der warmen Küche, tranken eine heiße Schokolade oder Feuerwhiskey und fragten sich genau dasselbe.
Aber Nymphadora konnte nicht anders. Sie konnte nicht anders – sie musste trauern.
Denn sie hatte etwas verloren, was für sie schon immer viel Gewicht bezogen hatte. Einen Teil ihrer, wenn auch kleinen Familie.
Sie hatte Sirius nicht gekannt – nein. Die beiden waren sich in diesem Jahr das erste Mal seit einer verdammt langen Zeit wieder über den Weg gelaufen.

Es war der Tag vor einer weiteren Besprechung des Phönix-Ordens gewesen. Nymphadora war stundenlang in ihrem Zimmer, welches sie bewohnte, wenn sie nicht gerade in der Auroren-Zentrale zugange war, auf- und abgetigert. Ihre Gedanken gingen im Kreis und immer wieder hielt sie sich vor Augen, dass es sich schließlich um einen Verwandten handelte, dem sie am nächsten Tag gegenüberstehen würde.
Und doch – die Nachricht, sie würde nach langen 16 Jahren erstmals wieder auf ihre Großcousin treffen, die Mad-Eye Moody ihr überbracht hatte, lag schwer in ihrem Magen.
„Dora, was ist denn los bei dir. Komm endlich runter und iss etwas. Du bist vor weniger als einer Stunde nach Hause gekommen und so, wie ich dich kenne, hast du bis jetzt noch keinen einzigen Bissen getan.“
Die Stimme ihrer Mutter ertönte von der anderen Seite ihres Zimmers, sie stand draußen vor der Tür. Nymphadora hatte sie zwar kommen gehört, sich allerdings nicht weiter darum gekümmert, sondern einfach gehofft, sie würde wieder einen Aufräumwahn haben. Wie so oft in letzter Zeit, bemerkte sie nebenbei.
„Ich bin gleich da, ich bin gleich da.“, entgegnete sie ihrer Mutter also und obwohl sie keinen Hunger hatte – sie hatte gelernt, dass es angebracht war, zumindest mit nach unten zu gehen. Und das war ihr auch eindeutig lieber, als sich hier in ihrem Zimmer weiterhin mit der Tatsache verrückt zu machen, dass sie Sirius Black, ihren Großcousin, endlich wiedersehen würde.
Ein letztes Mal noch drehte sie eine Runde in ihrem Zimmer, dann streckte sie sich kurz und machte sich dann auf den Weg nach unten in die Küche.
Theodore Tonks war noch dabei, den Tisch zu decken, während Andromeda noch immer im ersten Stockwerk herumwuselte. Nymphadora konnte das Klappern der Stühle im Gästezimmer hören.
„Dora, Schätzchen. Da bist du ja.“, richtete Ted das Wort an seine Tochter, während er gerade Tassen auf den Tisch stellte. „Komm, setz dich.“, sagte er.
Er vollführte eine einladende Geste zu einem der Stühle und Nymphadora nahm darauf Platz.
Sie legte ihren Kopf in ihre Hände und sah sich die Karotten an, die vor ihr auf dem Tisch standen, als hätte sie dieses Gemüse noch nie in ihrem Leben gesehen.
„Woran denkst du, Dora?“, fragte Ted nun, als er mit den Essensvorbereitungen fertig war und sich auf den Stuhl neben sie setzte.
Nymphadora sah in seine Richtung.
Sie wusste, es hatte oberste Priorität, anderen Leuten, denen, die nicht im Orden waren, nichts von dem, was innerhalb der manchmal sehr geselligen Treffen vorging, nichts zu sagen.
Doch Nymphadora war es Leid, immer wieder Schlucken zu müssen. Schon seit ihrem ersten Auftritt im Orden hatte sie am Tag danach das Bedürfnis verspürt, ihren Eltern davon zu erzählen.
Ein kurzer Moment genügte, um sich zu entscheiden.
„Ich werde morgen Sirius Black kennen lernen.“, sagte sie kurz angebunden, richtete ihren Blick wieder auf die Karotten und seufzte dann.
Ted Tonks antwortete nichts darauf. ZUmindst vorerst nicht. Dann legte er ihr eine Hand auf die Schulter.
„Freust du dich nicht?“, wollte er wissen.
Nymphadora hob ihren Kopf erneut, dieses Mal ruckartiger und blickte ihren Vater ein wenig vorwurfsvoll an. „Das ist es nicht.“, rief sie aus. „Natürlich…freue ich mich. Irgendwie. Aber…es ist so lange her. Ich…ich kann mich nicht einmal richtig an ihn erinnern. Mum erzählt nur ab- und zu, dass er wohl früher öfters Gast bei uns war. Als ich noch…noch kleiner war.“
Ted nickte. „Oh ja, das war er. Er war damals ganz vernarrt in dich.“, gab er zu und ein Lächeln umspielte seine Lippen.
„Wirklich?“
„Hm.“ Ted nickte. „Ja. Kurz nachdem du auf der Welt warst konnte er es gar nicht erwarten, dich endlich in den Armen zu halten. Er war ein so guter Junge. Er tat mir Leid, dass ihn das selbe Schicksal ereilen musste, wie uns.“
Kaum, dass er diese Worte gesprochen hatte, kam auch Andromeda wieder nach unten in die Küche, einen Wäschekorb in der Hand.
Ted warf seiner Frau einen kurzen Blick zu. „Liebling, warum erledigst du es nicht auf die einfache Art und Weise, anstatt die Treppen etliche Male hoch- und runter zu laufen.“
Andromeda lieferte ihm keine Antwort, stattdessen stellte sie den Korb auf dem Sofa ab, bevor sie ebenfalls zu Tisch kam. „Worüber habt ihr euch beide gerade unterhalten?“
„Sirius.“, sagten Ted und Nymphadora im Chor.
„Sirius? Sirius Black?“, fragte Andromeda, im ersten Moment etwas verwirrt.
„Ich werde ihn morgen wiedersehen.“, sagte Nymphadora noch einmal, an ihre Mutter gewand. „Nach so langer Zeit.“, fügte sie noch leiser hinzu.
„Und ich sage dir immer noch, dass du dir keine Sorgen machen musst. Sirius ist in Ordnung.“
Andromeda sah ihre Tochter ebenfalls ein wenig besorgt an.
„Ted hat Recht, Dora. Sirius ist noch einer der Vernünftigsten aus unserer Familie.“
„Er ist der einzige gewesen, der noch zu unserer Familie gehörte.“, sagte Nymphadora nun trocken. „Ansonsten hatten wir niemanden.“
Nymphadora wusste, dass sie ihren Eltern damit gerade ein wenig Unrecht getan hatte. Aber zum anderen war es doch genau so, wie sie es gerade empfand. Sie hatten nur sich. Und Sirius. Und der musste aufgrund von falschen Behauptungen in den letzten 16 Jahren mehr Qualen und Leid durchstehen, als sie es für möglich gehalten hatte.
„Dad hat mir erzählt, dass Sirius mich gemocht hat.“, versuchte Nymphadora das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, als sie sah, dass ihre Mutter ein wenig verunsichert hinüber zu ihrem Vater sah.
„Ja, ja. Das war er. Sehr sogar. Wenn er in den Sommerferien und zu Weihnachten Lust hatte, ist er immer gekommen und hat mit dir gespielt.“
„Er hatte hier immer einen Platz, wo er bleiben konnte.“, fügte Ted hinzu. „Außer uns hatte er ja nie jemanden gehabt, nachdem er von zu Hause weggelaufen war.“
„Ich wünschte, ich könnte mich ein bisschen mehr an ihn erinnern.“, sagte Nymphadora. „Das, was ich weiß sind alles nur kleine Ausschnitte. Und wenn ich versuche, davon zu erzählen, weiß ich nicht, wie. Er muss sich sicherlich verändert haben in diesen ganzen Jahren. Wenn man es tatsächlich aus Askaban rausschafft, dann hat man immer eine ganz andere Sicht der Dinge.“
„Das ist wohl wahr, mein Schatz.“
„Ich kann nicht glauben, das ihn Auroren damals nach Askaban gebracht haben. Wenn ich daran denke, was wäre, wenn ich einmal einem Menschen so viel Unrecht zufügen würde…ihn unschuldig nach Askaban schicken würde…ich wüsste nicht, ob ich das…das verantworten könnte.“
„Oh, Dora. Dora, hör mir zu. Daran darfst du nicht denken. Wir leben in einer anderen Zeit, Dora. Du darfst keinen einzigen Moment daran denken. Du bist nicht so.“
„Aber was, wenn…man kann doch vorher nie wissen, ob man einem Menschen Unrecht zufügt oder nicht.“
„Dora, höre auf, an dir selbst zu zweifeln. Du bist Aurorin geworden, weil du es besser machen wolltest, als die vielen anderen da draußen. Und bis jetzt hast du es sehr gut gemacht. Wir sind sehr stolz auf dich. Und wir werden es auch immer bleiben.“
Andromeda war aufgestanden und drückte ihrer Tochter einen Kuss auf das violettfarbene Haar.
Als sie sich wieder gesetzt hatte, begann sie, reihum jedem etwas Essbares auf den Teller zu schaufeln.
„Erzählt ihr mir noch ein wenig von Sirius? Wie er…wie er damals war, als ich noch klein war? Ich weiß nicht einmal, was ich ihm sagen soll. Oder was er sagen wird. Ob er sich noch an mich erinnern wird.“
„Schatz, das wird er. Dich kann kein Mensch vergessen.“, sagte Ted schmunzelnd, dann nickte er aber. „Was willst du denn hören?“
„Irgendetwas.“, antwortete Nymphadora.
„Er hat oft mit dir draußen im Garten gespielt. Gleich da drüben.“, antwortete Andromeda und zeigte mit ihrem Finger durch das Fenster hinaus nach draußen. „Damals stand dort eine kleine Schaukel. Er hat sie für dich gebastelt, kurz nachdem du auf die Welt gekommen bist. Er war so glücklich gewesen, als er gehört hat, dass ich ein Baby bekomme.“
Für einen kurzen Moment konnte man auf Nymphadoras Gesicht ein Lächeln erkennen.
„Du musst dir wirklich keine Sorgen machen, Liebling. Sirius wird sich sicherlich freuen, dich endlich wieder zu sehen.“
Ted strich seiner Tochter über das Haar, dann begannen sie, endlich zu essen. Und unterhielten sich währenddessen noch eine lange Zeit über die alten Tage.
Zuletzt geändert von Layla Grace am Do 12 Feb, 2009 00:30, insgesamt 2-mal geändert.
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Ashlyn
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Beitragvon Ashlyn » Di 14 Okt, 2008 20:59

Das ist eine sehr schöne Story bis jetzt :)

Deinen Schreibstil finde ich einfach toll :)
Deep into that darkness peering, long I stood there wondering, fearing | Doubting, dreaming dreams no mortal ever dared to dream before | But the silence was unbroken, and the darkness gave no token [...] | poe (the raven)

Layla Grace
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Beitragvon Layla Grace » Fr 17 Okt, 2008 12:05

Danke für das Liebe Kommi, Chrissy :D

Hier gehts mal weiter mit dem zweiten Teil, der durchaus etwas kitschig sein könnte :lol: Und wahrscheinlich auch etwas AU, was die beiden Charaktere angeht. Trotzdem viel Spaß beim Lesen und ich freue mich wi immer über 'nen Kommi *g*






Nymphadora hatte nicht gemerkt, wir ihr heiß brennende Tränen in die Augen gestiegen waren. Erst, als sie blinzelte, schien sie davon Notiz zu nehmen und wischte sich mit dem Handrücken darüber.
Erneut hörte sie, wie jemand gegen ihre Tür klopfte. „Tonks? Magst du nicht auch runterkommen und etwas essen? Mum macht sich langsam Sorgen um dich.“
Es war Ginny.
Für einen kurzen Moment hatte sie das Bedürfnis, ihrer Frage einfach zu antworten, dann jedoch entschied sie sich dagegen. Sie hatte keine Lust auf ellenlange Diskussionen. Egal ob mit Molly Weasley oder deren Tochter oder sonst irgendjemandem.
Fest kniff sie die Lippen aufeinander und hoffte, dass Ginny nicht genauso hartnäckig war we ihre Mutter. Doch schon ein paar Momente später konnte sie hören, wie die Treppenstufen knarzten und sie wieder alleine in der oberen Etage war.
Sie atmete tief durch, bevor sie sich wieder dem Fenster zuwandte. Es hatte zu regnen angefangen.
Die Leute, die vorher noch seelenruhig im Park umherspazierten, waren nun alle verschwunden.
In der Ferne, mitten im Gestrüpp, konnte sie einen Schatten ins Gebüsch huschen sehen. Für einen kurzen Moment drückte sie ihre Nase gegen die Fensterscheibe, dann ließ sie ihre Schultern allerdings wieder sinken.
Es war nur ein Hund, Tonks. Nur ein dreckiger, verlauster Straßenhund. Es war nicht Sirius.
Nein – es war nicht Sirius. Aber nichts sehnlichster hätte sie sich in diesem Moment gewünscht. Das er einfach nur irgendwo da draußen herumstreunerte, in seiner Animagusgestalt und sich auf den Weg ihnen machte.
Ungewollt musste sie an das erste Treffen mit ihm denken. Wie sie mit nervöser Haltung den Grimmauldplatz Nummer 12 das erste Mal betreten hatte und dank ihrer Tollpatschigkeit auf den Schwanz eines großen, schwarzen Hundes getreten war.

„Husch, komm, rein mit dir.“, zischte Moody, hielt Nymphadora die Tür auf und verschwand nach ihr ebenfalls in dem Haus. Draußen hatte es begonnen, zu schneien. Es war tiefster Winter und die plötzlichen Schneeschübe kamen und gingen wie sie es für richtig helten.
In dem kleinen Flur schüttelte Nymphadora ihre Haare, um auch die restlichen Schneeflocken, die noch nicht zerschmolzen waren, von sich zu stoßen. Dann sah sie sich um, drehte sich einmal im Kreis, sah nach oben an die Decken des Hauses.
„Das ist es also.“, sagte sie mit fasziniert klingender Stimme. „Das ist es also.“
„Das ist was?“, fragte Moody mit grummelnder Stimme.
„Das Haus meiner…meiner Vorfahren.“ Für einen kurzen Moment blickte sie wie in Trance nach oben an die hohe Decke, dann kam sie wieder zur Besinnung. „Ich meinte…das Haus der Blacks.“
„Ja, das ist es.“, fügte Moody beiläufig hinzu, während er sie mit einer leicht genervten Miene vor sich her schob. „Und jetzt mach endlich hin, schlimm genug, dass wir wegen dir schon zu spät gekommen sind.“
„Es war nicht meine Schuld gewesen.“, murrte nun auch Nymphadora. „Dieser verflixte Ast hat sich mir einfach in den Weg gestellt. Konnte doch keiner ahnen, dass ich mir gleich den halben Fuß dabei breche.“
„Jetzt hör auf zu übertreiben. Außerdem habe ich mich gleich darum gekümmert. Was uns unmengen an Zeit gekostet hat.“
„Ist ja gut, ist ja gut, du grießgrämiger…“
Nymhadora spach nicht weiter, sie spürte plötzlich einen Widerstand unter ihren Füßen. Widerstand, der nach einiger Zeit nachgab. Sie verharrte in ihrer Bewegung, dann sah sie langsam an sich hinunter.
Just in diesem Moment hallte ein lautstarkes Aufheulen durch das gesamte Haus und zur gleichen Zeit, als sich die Tür zur Küche öffnete, begann eine weitere Stimme zu toben und zu wüten.
„Ihr elenden Blutsverräter! Menschen, von unreinem Blut. Schert euch hinaus aus diesem Haus!“
Unwillkürlich zuckte Nymphadora zusammen, stolpterte einmal mehr nach hinten und landete mit einem schmerzvollen Aufschrei auf dem harten Boden.
„So ein verfluchter Mist aber auch!“, schimpfte sie und ihre Haare wurden augenblicklich tiefrot.
Die tobende Stimme war wieder verstummt – Moody hatte seinen Zauberstab in die Höhe gestreckt und kurzerhand hatte das Portät aufgehört zu schreien. Nymphadora war sich zumindest sicher, dass es das Bild war, welches so hasserfüllte Worte gesprochen hatte.
Während sie aufstand, hörte sie das Wimmern dessen, für deren Schmerz sie verantwortlich war, noch immer und sah sich um. Viel später als Moody fiel ihr Blick wieder zu Boden, wo ein grau-schwarzer Hund saß. Er sah ziemlich dreckig aus und wenn Nymphadora recht überlegte, so gab es Hunde, die eindeutig besser rochen als dieser hier.
Er schien sich über seine Wunde herzumachen und sie bedächtig abzuschlecken, bevor er sich wieder auf alle vier Beine stellte und Nymphadora mit großen Augen ansah.
Nur einen Moment später war er verschwunden.
„Was macht denn ein Hund hier?“, fragte Nymphadora gerade heraus, als sie merkte, dass jeder, aber auch wirklich jeder, den Blick auf sie gerichtet hatte.
„T’schuldigung.“, murmelte sie und sah unsicher in das Gesicht Moodys, von dem sie sich sicher war, der er nur so sprühte vor Wut.
„Können wir dann jetzt endlich nach drinnen gehen?“, fragte er, noch miesgelaunter als ohnehin schon. Nymphadora nickte nur, schwieg aber. Sie hatte ihren Blick abwechselnd nach vorne und nach unten gerichtet, um nicht noch mehr Schaden anzurichten. Erst, als sie in der Küche angekommen war und sich auf einen der vielen Stühle gesetzt hatte, traute sie sich, ihren Blick wieder zu heben.
„Wow!“, entfuhr es ihr dann nach einiger Zeit, die sie sich in der Küche umgesehen hatte. Der Tisch war lang. Wirklich, wirklich lang. Und rundherum saßen Zauberer und Hexen, die sie nicht kannte. Einige waren ihr vom Aussehen her ein Begriff, aber Namen konnte sie beim besten Willen nicht zuordnen.
Als es in dem Raum stiller geworden war, räusperte sich Mad-Eye Moody.
„Das ist Nymphadora Tonks. Sie bevorzugt es allerdings, Tonks genannt zu werden.“, erklärte er mit rauer Stimme.
Am liebsten wäre sie in unterm Tisch versunken, doch dafür blieb keine Zeit mehr. Die Tür öffnete sich ein weiteres Mal – ein Mann in den Mittdreißigern betrat den Raum und ließ seine Blicke umherschwirren. Er trug eine ziemlich mitgenommene Hose und ein ebenso zerlumptes T-Shirt. Einzig und allein seine Haare sahen einigermaßen vernünftig aus – sie waren goldblond, wenn sie ihnen eine Farbe zuteilen müsste.
Er schien bemerkt zu haben, dass sie ihn angestarrt hatte, denn er verharrte mit seinem Blick auf ihrem Gesicht.
„Da ist ja die Übeltäterin, die mich als Teppichabstreicher benutzt hat.“
Nymphadora kniff die Augen zusammen.
„Was…“, wollte sie fragen, doch in diesem Moment hatte sich Moody ein weiteres Mal erhoben.
„Sirius, freut mich, dass du dich auch noch zu uns gesellst.“, sagte er mürrisch. „Das nächste Mal erspare uns doch den Überraschungseffekt und behalte es für deine nächtlichen Ausflüge, die Hundegestalt anzunehmen.“
Und kaum hatte Moody zu Ende gesprochen, konnte man aus Nymphadoras Richtung das Scheppern von Glas hören. Erneut gingen alle Blicke in ihre Richtung.
Sie sah den Mann vor sich an. Noch intensiver, als vorher.
„Hab ich noch irgendwo Haare?“, fragte Sirius scherzhaft und fuhr sich mit seiner Hand über den Mund.
Nymphadora schien seine Worte nicht gehört zu haben, ihr Mund stand noch immer offen, ihr Blick zwischen dem zerbrochenen Glas und Sirius Black hin- und her schwenkend.
„Sirius…?“, brachte sie dann doch hinaus.
Er schien wohl ebenso überrascht, dass sie seinen Namen mit einem solch ungewöhnlichen Unterton in der Stimme aussprach, wie sie selbst davon überrascht war, denn er kniff die Augen zusammen und Nymphadora konnte ihm ansehen, dass er angestrengt nachdachte.
Und wieder war es Moody, der aufstand und die beiden anblickte, als würde vor ihm ein billiger Film laufen.
„Bei Merlin, ihr stellt euch an.“, sagte er. „Sirius Black, darf ich vorstellen, deine Großcousine Nymphadora Tonks.“
Nymphadora schnappte nach Luft, während Sirius mit einer fassungslosen Miene zuerst zu Moody und dann wieder zu ihr sah.
„Du bist Dora?“, fragte er irritiert, ihren Spitznamen gebrauchend und sie brachte nur ein Nicken zustande.
Und danach fand sie sich in einer herzlichen Umarmung mit ihm wieder. Zuerst noch ziemlich überrascht von dieser Geste, erwiderte sie diese schließlich, auch wenn es schwer für sie war, einen praktisch Wildfremden in die Arme zu schließen.
„Es tut so gut, dich mal wieder zu sehen.“, sagte Sirius.
Und wieder konnte Nymphadora nur nicken.


Unwillkürlich huschte ein Schmunzeln über ihr Gesicht. Es war einfach zu komisch gewesen und sie hatte sich nach dieser Familienzusammenführung ernsthaft gefragt, was die anderen wohl in diesem Moment gedacht hatten.
Danach wurden ihr nur noch vereinzelte andere Ordensmitglieder vorgestellt, darunter Molly Weasley und Remus Lupin.
Remus Lupin.
Sie fragte sich, wie er wohl mit dem Tod von Sirius umging. Sie hatte in einem weiteren Treffen erfahren, dass die beiden gemeinsam mit James Potter in der Schule gewesen waren – sogar alle im selben Haus. War es für ihn genauso schwer, die schrecklichen Gedanken zu vergessen? Oder machte er keinen Hehl darum?
Im Prinzip hatte es viele andere schlechter getroffen, als sie. Sie dachte an Harry. Sirius’ Paten. Harry hatte so viele Jahre auf ihn verzichten müssen und als er ihn endlich wiederhatte, war die Zeit zu kurz gewesen, um die vielen Jahre wieder aufzuholen.
Andererseits…wenn sie genau nachdachte, dann war es bei ihr doch nichts anders. Es war genau das Gleiche. Und sie war mit Sirius verwandt gewesen.
Hör auf, dein Leben mit dem anderer zu vergleichen, schallte sie sich selbst. Es tut nichts zur Sache, wer nun mehr von Sirius gehabt hatte und wer nicht.
Die einzige Tatsache, die es in diesem Moment gab, war die, dass Sirius nicht mehr da war. Dass er tot war. Und Nymphadora war sich sicher – wenn sie nur ein wenig schneller geschalten hätte – nur einen kleinen Augenblick schneller – dann hätte sie Bellatrix getötet, bevor diese Sirius erwischen konnte.
Augenblicklich fiel ihr eine weitere Erinnerung ein. Es dürfte noch nicht all zu lange her sein…vielleicht ein oder zwei Monate zuvor. Es war das erste Mal gewesen, dass sie richtig Gelegenheit dazu hatte, alleine mit ihm zu sprechen.
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Beitragvon Fleur Clearwater » Fr 17 Okt, 2008 12:30

Och, ich mag's kitschig :lol: Und so extrem ist es ja nun auch nicht ;)

Also, mir gefällt dein Schreibstil auch sehr und diese Rückblenden mag ich auch. Mich hat nur dieser Teil etwas irritiert:

Einzig und allein seine Haare sahen einigermaßen vernünftig aus – sie waren goldblond, wenn sie ihnen eine Farbe zuteilen müsste.


Goldblond? Waren die nicht immer etwas dunkler?

Aber ansonsten bin ich gespannt, wie es weitergeht ;)
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Beitragvon kathi.lya » Sa 08 Nov, 2008 19:45

ich finde die gaschichte waaahnsinnig süüß. mag das hin und herschalten auch - das macht das ganze noch lebendiger... du kannst toll schreiben und deine ideen... =) die tollpatschigkeit tonks' kommt echt prima zum ausdruck. =)))))

ja...die haare von siruis sind eigentlich schwarz... ich dachte im ersten moment, moony würde auftauchen...^^

freu mich schon auf den nächsten teil ! ! !
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Layla Grace
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Beitragvon Layla Grace » Do 12 Feb, 2009 00:29

Huch, ich habe gerade diese angefangene FF von mir gefunden und dachte mir, dass da endlich mal der letzte Teil mit dazu sollte :mrgreen: Also dann hier mal bitteschön :mrgreen:

Und an die beiden Reviewer - dankeschön und es freut mich, dass es euch gefällt :lol:


____________________


Memoria - Erinnerungen an Sirius (Teil 3)



Es war einer dieser Tage, der eine Übernachtung im Grimmauldplatz Nummer 12 erforderte. Nymphadora war eindeutig zu müde, um sich um diese Uhrzeit noch noch ins Haus ihrer Eltern zu apparieren. Außerdem wollte sie die beiden nicht unnötig aus dem Schlaf reißen, wo sie sich im Moment doch schon genug Sorgen um sie machen mussten. Es war besser, erst am nächsten Morgen zum Frühstück zu erscheinen – so konnten ihre Eltern wenigstens diese Nacht ruhig schlafen. Insofern sie nicht wach waren und auf sie warten.
Dennoch versuchte Nymphadora den Gedanken daran zu vertreiben und ließ sich nun auf einen der Küchenstühle nieder. Sie war alleine – die meisten waren nach Hause gegangen – auch die Weasleys hatten einstimmig beschlossen, in den Fuchsbau zurückzukehren.
Nymphadora hatte bis jetzt noch nicht die Gelegenheit gehabt, einmal dorthin zu kommen, obwohl es, laut Ginnys Aussage, sehr lustig dort zugehen musste.
Sie trank in aller Ruhe einen Schluck aus ihrer Tasse. Die Verlockung, sich eine heiße Schokolade zu machen, war groß gewesen doch nun musste sie mit bitterer Enttäuschung feststellen, dass Molly Weasley ein eindeutig besseres Händchen dafür hatte.
Nachdem sie die Tasse wieder abgestellt hatte, lehnte sie sich nach hinten. Sie war zwar eigentlich vollkommen müde, doch hatten die letzten Tage so viel von ihr abverlangt, dass sie einfach nicht zur Ruhe kommen konnte.
Und als sich die Tür knarrend öffnete, war sie für einen kurzen Moment wieder so hellwach, als hätte sie drei Tage lang durchgeschlafen.
Sie hob, nachdem sie ihren anfänglichen Schreck wieder unter Kontrolle hatte, ihren Kopf und starrte in das Gesicht von Sirius, der sie mit einem belustigten Grinsen ansah.
„Ich hätte schwören können, das Klappern von Tassen zu hören.“
„Hab’ mir ne Schokolade gemacht.“, sagte Nymphadora ein wenig verlegen und deutete auf die Herdplatte hinter sich. „Ist noch welcher da, falls du auch…“
„Oh, gerne doch. Ich finde es faszinierend, dass du ihn tatsächlich auf die Muggel-Art gemacht hast.“, sagte er dann, während er auf eben diese Herdplatte zuging und sich ebenfalls eine Tasse voll einschenkte.
„Ist `ne Angewohnheit.“, sagte sie. „Mein Vater macht viele Dinge auf die herkömmliche Art und Weise. Meine Mutter ebenfalls.“
Sirius grinste erneut, als er sich auf einen Stuhl neben sie setzte. „Ja, ich erinnere mich.“, sagte er.
Nymphadora hob den Kopf. Er erinnerte sich…
„Und ich hätte schwören können, die Einzige zu sein, die um diese Uhrzeit nich schlafen kann.“, versuchte sie das peinliche Schweigen zu brechen.
„Ich schleiche in der Nacht des Öfteren durch das Haus.“, sagte Sirius.
„Ist…ist es nicht komisch? Ich meine…für dich. Hier zu sein. In dem Haus deiner Familie. Ohne, dass du jemals dazugehört hast.“
„Ist es denn für dich komisch, in dem Haus deiner Vorfahren zu sein?“
Nymphadora blickte auf. Darüber hatte sie bis jetzt noch nie viel nachgedacht.
„Ich…ich weiß nicht. Ich meine, ich habe hier niemals gelebt. Du schon.“
„Und dennoch ist es auch das Haus deiner Vorfahren.“, sagte Sirius feststellend.
„Ja.“, antwortete Nymphadora also. „Etwas…etwas merkwürdig ist es.“
Sirius nickte. „Ja, für mich auch.“, antwortete er dann. „Ich habe hier meine Kindheit verbracht. Zumindest…den ausschlaggebenden Teil meiner Kindheit.“
„Und doch bist du nicht so geworden, wie der Rest deiner Familie.“
„Nein. Das bin ich nicht.“, antwortete er.
„Warum?“
Sirius musste für einen kurzen Moment auflachen. „Du stellst Fragen.“
„Ich bin neugierig.“
„Ja, jetzt, so wie damals.“, antwortete er süffinant.
Unwillkürlich zuckte sie zusammen. Darüber hatten sie beide bisher noch nie gesprochen.
„Meine Eltern haben mir von dir erzählt.“, sagte sie dann etwas ernüchternd. „Dass du…mich sehr gern hattest.“
„Das hatte ich.“, antwortete Sirius. „Das habe ich.“, korrigierte er sich dann.
„Aber…wir kennen uns nicht. Zumindest…ich…ich kenne dich nicht. Es ist, als sehe ich in das Gesicht eines Fremden, der eigentlich gar kein Fremder ist.“
Erneutes Schweigen.
„Hat Andromeda dir von deinem Unfall erzählt?“, fragte er dann.
„Unfall?“ Nymphadora sah ein wenig verdutzt auf.
Und wieder umspielte ein Lächeln Sirius’ Lippen. „Hm.“, machte er. „Da wären wir wieder beim Punkt Neugierde. Du warst zwei…wenn nicht drei. Deine Mutter hat mich gerufen und ich habe dich nur für zwei Minuten aus den Augen gelassen. Als ich wiedergekommen bin, lagst du rücklings auf dem Boden, hast geschrieen und geweint.“
„Was war passiert?“, fragte Nymphadora, etwas traurig darüber, sich nicht daran erinnern zu können.
„Du hast versucht, alleine auf den Sitz der Schaukel zu klettern. Dein Fuß muss sich in den Schnüren verhakt haben und du hast das Gleichgewicht verloren.“
„Ich…ich kann mich nicht daran erinnern.“, sagte Nymphadora jetzt das, was sie vorher gedacht hatte und sah für einen Moment verletzt zum Fenster.
„Du hast es nicht abwarten können, hoch oben in der Luft zu sein. Du hattest deinen eigenen Willen gehabt.“
„Es tut mir Leid.“, flüsterte Nymphadora urplötzlich und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Was tut dir Leid?“, fragte Sirius.
„Alles…du…du musstest so viel durchmachen. Du warst unschuldig und dennoch musstest du 16 Jahre lang durch die Hölle gehen. Ich habe erst wieder daran gedacht, als Mad-Eye mir erzählte, dass ich dich wiedersehen werde.“
„Es braucht dir nicht leidtun.“, sagte Sirius. „Es war nicht deine Schuld.“
„Nein…aber trotzdem. So vieles hätte anders werden können…wenn das nicht passiert wäre. Du hättest nicht diese Qualen aushalten müssen…Harry hätte nicht auf seinen Paten verzichten…und ich nicht auf den wahrscheinlich einzigen Halt in meinem Leben, neben meinen Eltern, verzichten müssen.“
„Dora, sieh mich an.“, bat Sirius nun und er fasste mit seiner Hand unter ihr Kinn und zwang sie somit, ihm direkt in die Augen zu sehen.
Für Nymphadora war es ungewohnt, dass jemand anderes außer ihren Eltern diesen Spitznamen benutzte. Und dennoch war es ein angenehmes Gefühl. Es zeigte, dass dieser andere Jemand sie wohl sehr gerne haben musste.
„Askaban ist Vergangenheit. Genauso wie der Rauswurf meinerseits aus diesem Haus Vergangenheit ist. Es ist vorbei. Ich habe damit abgeschlossen. Für alte Erinnerungen sollten wir uns nur die schönen Sachen aufheben. Freudige Erlebnisse. Nicht die grausamen Dinge. Die dürfen da keinen Platz finden. Sorg nicht dafür, dass dir solche Erinnerungen bleiben.“
„Ich verstehe nicht, wie du nach all dieser Zeit so…so…“
„…so unbeschwert sein kann? Glaub mir, der Schein trügt. Aber ich versuche, mich damit abzufinden. Ansonsten gehe ich an diesen Erinnerungen zugrunde. Und das kann ich nicht, jetzt, wo ich wieder da bin. Dass kann ich um Harrys Willen nicht…und um deiner Willen auch nicht.“
Nymphadora schwieg. Sie wusste nicht, was sie dem hinzufügen sollte. Sie fand es schön, wie Sirius über sie redete. Sie hatte noch nie jemanden so über sie reden hören. Außer ihren Eltern. Es waren nun einige Monate vergangen, in denen sie Sirius immer Öfters über den Weg gelaufen war. Aber in dieser Nacht hatte sie das erste Mal das Gefühl, ihn tatsächlich zu kennen.


Unbewusst hatte sie angefangen, zu schluchzen.
Es war einfach nicht fair. Er war das einzige, worauf sie sich in den letzten Monaten so richtig gefreut hatte. Jedes Mal, wenn sie zum Grimmauldplatz Nummer 12 zurückkehrte, freute sie sich auf Sirius. Es kam ihr jedes Mal so unreal vor, wenn sie ihn aus ihren Augenwinkeln beobachtet hatte, wenn sie alle gemeinsam am Tisch saßen und neue taktische Schritte gegen Voldemort und seine Armee ausdiskutieren.
Jetzt war Sirius nicht mehr da.
Sie zog die Beine noch enger an ihren Körper, während sie versuchte, die Tränen hinunter zu schlucken. Doch egal was sie versuchte, egal, wie sehr sie darum kämpfte, nicht noch weiter an Sirius zu denken, umso mehr tat sie es im Endeffekt doch.
Für alte Erinnerungen sollten wir uns nur die schönen Sachen aufheben. Freudige Erlebnisse. Nicht die grausamen Dinge. Die dürfen da keinen Platz finden. Sorg nicht dafür, dass dir solche Erinnerungen bleiben.
Der Satz wurde immer und immer wieder aufgesprochen. Immer mit der Stimme von Sirius. Immer mit dem gleichen, bestimmten Tonfall.
Er hatte Recht – vollkommen Recht mit dem, was er da sagte.
Und dennoch, diese eine und wohl auch erste schwertragende Erinnerung in ihrem Leben, war eine schlechte Erinnerung.
Es klopfte wieder. Sie wusste nicht, wie viel Zeit seit Ginnys Kontrollbesuch vergangen war, aber unter noch mehr Tränen und noch mehr Schluchzern biss sie die Zähne zusammen.
„Tonks?“
Ihr Kopf fuhr nach oben. Diese Stimme…ja, auch diese Stimme kannte sie. Sie hatte einen besorgten Unterton, klang aber dennoch fest und bestimmt. „Tonks, mach auf.“
Erneut hatte sie das Bedürfnis, einfach aufzuspringen, die Tür aufzureißen und dem, wer auch immer da draußen stand, einfach um den Hals zu fallen und ihm zu erzählen, wie sie sich fühlte.
Es vergingen ein paar Sekunden, Nymphadora war sich sicher, dass sie wieder alleine war.
Dann hörte sie das Rufen erneut.
„Dora.“
Für einen Moment drehte sich in Nymphadoras Kopf alles. Dieser Name, diese Stimme…
Sie war nicht mehr zu halten. Sie musste sich vergewissern.
Zitternd rutschte sie von der Fensterbank und ging ein paar Schritte auf die Tür zu. Legte ihre Hand auf das Holz und fuhr kurz die Maserung nach, bevor ihre Stirn daran legte.
Nachdem sie einige Male nach Luft geschnappt hatte, öffnete sie die Tür.
„Sirius…“, wollte sie sagen, die Hoffnung nicht aufgebend, dass es tatsächlich seine Stimme war, die ihren Namen rief.
„Dora.“, sagte die Stimme wieder und dieses Mal klang sie gar nicht mehr so wie die von Sirius.
Mit geschwollenen Augen und immer wieder nachlaufenden Tränen hob sie ihren Kopf und sah schließlich in die braunen Augen von Remus Lupin.
Nymphadora merkte, dass er sichtlich erleichtert war, es geschafft zu haben, die Barriere zu durchbrechen. Zumindest die, die sie in ihrem Zimmer hielt.
Ohne viele Worte trat er in das Zimmer ein, schloss die Tür hinter sich und blieb dann mitten Im Raum stehen.
Sie musterte ihn mit einem Blick, der so viele Dinge auf einmal ausdrücken sollte. Verwirrtheit. Überraschtheit. Traurigkeit. Enttäuschung.
„Wir machen uns da unten alle Sorgen, Dora.“, sagte er und sie zuckte unter der erneuten Nennung ihres Spitznamens merklich zusammen.
„Molly rennt wie eine Furie unten in der Küche herum.“
Nymphadora starrte ihn weiterhin mit großen Augen an und je mehr er sagte, desto mehr verschwamm das Bild von ihm vor ihr, bis sie blinzeln musste und so erneuten Tränen den freien Lauf lassen musste.
Mit einer vorsichtigen Bewegung umfasste Remus mit seiner Hand ihr Handgelenk und zog sie mit sich, zurück zum Fenstersims, auf dem sie schon die vielen Stunden zuvor gesessen hatte.
Er ließ sich auf eines der weichen Sitzkissen fallen und drückte Nymhpadora mehr oder weniger in das daneben.
„Dora, du darfst nicht daran denken.“, sagte er schließlich. „Nicht daran.“
Sie sah zu Boden, jetzt, wo sie nicht mehr nach draußen sehen konnte.
„Sirius hätte mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit nicht gewollt, dass Harry oder du – ihr beide – euch selbst bemitleidet.
„Ich bemitleide mich nicht selbst.“, antwortete Nymphadora endlich, ihre Stimme klang brüchig, als hätte sie sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr benutzt.
Remus lachte kurz auf, allerdings noch immer mit einem besorgten Unterton in der Stimme.
„Und die Wahrheit?“, fragte er dann, während er sie musterte.
„Das ist die Wahrheit.“, beteuerte sie weiterhin felsenfest. „Und selbst wenn es so wäre, wie du denkst und ich im Mitleid versinken würde – es wäre meine Sache.“
Nymphadora drehte ihren Kopf stur in eine andere Richtung.
„Sirius hat mir während der Schulzeit einiges von dir erzählt. Wie sehr er dich gemocht hat und dass er sehr glücklich darüber war, trotz alledem, was geschehen ist, doch eine Familie zu haben, die ihn liebte.“
Nymphadora biss sich auf die Zunge, um nicht erneut zu weinen, wo doch die letzten Tränen gerade erst versiegt waren. Er hatte also von ihr gesprochen. Er hatte tatsächlich von ihr gesprochen.
„Er hat mir auch von euren Gesprächen erzählt, als ihr euch wiedergesehen habt. „Wenn er nicht gerade über Harry oder irgendwelche Aufträge vom Orden erzählte, dann hat er von dir gesprochen.“
Jetzt neigte Nymphadora ihren Kopf wieder ein Stück zu ihm, jedoch nicht so weit, um ihn ansehen zu müssen.
„Ich hätte ihn gerne so gekannt, wie du ihn gekannt hast.“, sagte sie schließlich. An all das, was vor seiner Zeit in Askaban war, kann ich mich nicht erinnern…und die Zeit jetzt…sie war zu kurz. Sie war einfach viel zu kurz.“
„Aber es gab welche.“, sagte er zu ihr. „Es war ein dummer Fehler. Es ist passiert und so sehr wir auch alle wünschten, irgendetwas an der Tatsache ändern zu können – wir können es nicht. Wir müssen über kurz oder lang damit leben, damit zurechtkommen.“
„Und was ist, wenn ich ihn in dieser Zeit wieder vergesse?“, fragte Nymphadora. „Ich meine…ich verstehe noch nicht einmal wirklich, warum mir das alles so nah geht. Ich kannte ihn kaum. Zumindest nicht so, wie du ihn gekannt hast. Ich kannte ihn noch nicht einmal so, wie Harry ihn kannte. Und doch…“
Sie schwieg für einen kurzen Moment, dann sprach sie das aus, was sie schon die ganze Zeit hatte sagen wollen.
„Ich habe das Gefühl, dass es meine Schuld ist.“
Remus sah sie verwirrt an. „Wieso denkst du das?
„Im Ministerium…ich hätte Bellatrix töten können. Ich hätte es tun können. Mit genauso einem Fluch, wie sie letztendlich Sirius umgebracht hat. Ich hatte die Chance dazu und ich habe sie nicht genutzt.“
„Du machst dir über Dinge Gedanken, die gar nichts zur Sache tun.“, murmelte Remus. „Es gibt einen Unterschied zu Menschen wie uns und zu Menschen, so wie Bellatrix einer ist. Wir könnten nicht mit der Gewissheit leben, einen Menschen umgebracht zu haben – egal ob er gut oder böse ist. Wir würden unter dieser Tatsache an uns zerbrechen. Bellatrix und der Rest ihrer Sippe jedoch…das sind Todesser, Dora. Sie sind grausam, brutal. Sie schrecken vor nichts zurück. Sie haben nichts für die Gefühle anderer übrig, für sie zählt nur der Triumph und die dadurch entstehende Akzeptanz zu Voldemort.“
Nymphadora schüttelte den Kopf. „Aber nicht Sirius war das eigentliche Ziel. Sie wollte seit jeher, seitdem ich auf der Welt bin, immer nur mich umbringen. Einer der Schandflecke in ihrer Familie. Sirius…“
„Sirius war zur falschen Zeit am falschen Ort. Das waren wir alle. Jeder einzelne von uns. Wir hätten alle dort drinnen im nächsten Moment zu Fall gehen können.“
Erneute Tränen bahnten sich ihren Weg und Nymphadora machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen.
„Keiner hat gesagt, dass wir nicht trauern dürfen.“, raunte Remus schließlich. „Aber wir dürfen in unserer Trauer nicht an uns selbst zweifeln. Das macht die Sache nicht besser.“
Sie wusste, dass er Recht damit hatte. Sie wusste es auf die gleiche Art und Weise, wie sie wusste, dass Sirius nicht mehr zurückkommen würde und all ihre Hoffnungen, ihn irgendwann vielleicht doch noch einmal wiederzusehen, Seifenblasen waren, die langsam vor ihrem Auge zerzplatzten.
Remus schien bemerkt zu haben, wie sich ihr Körper zwar nicht entspannte, sie aber deutlich ruhiger wurde, als noch vor wenigen Sekunden.
Für einen kurzen Moment schien ihn die Tatsache, hier mit ihr zu sitzen, genauso zu verwirren, wie Nymphadora.
Er atmete einmal durch, bevor er ihren zarten Körper, der noch immer zitterte, an sich zog und sie somit in eine vorsichtige Umarmung schloss.
Nymphadora hielt sich mehr oder weniger hilfesuchend an ihm fest und vergrub ihr Gesicht in seiner Halsbeuge. Ihre stummen Tränen verwandelten sich wieder in heftige Schluchzer und sie spürte nur am Rande, wie Remus mit seiner Hand beruhigend über ihren Rücken strich.
„Sirius hat für das Gute gekämpft.“, flüsterte er ihr ins Ohr und es war deutlich anzumerken, dass auch er nun um Fassung rang. „Er hat fr das Gute gekämpft und er ist für das Gute gestorben. Er hat nie etwas anderes gewollt. Er war nie ein wirklicher Black gewesen. Er war nicht so, wie die anderen.“
Nymphadora hatte ihn gehört, aber sie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Sie drückte ihren Kopf ein wenig mehr gegen seine Schulter.
„Sirius war einzigartig.“, sagte er schließlich. Und sie wusste, dass das stimmte. Er war wirklich einzigartig. Genauso wie sie einzigartig war. So wie jeder der hier Anwesenden, der Kämpfer für den Phönix-Ordens, einzigartig war.
Und für diesen Moment war sie einfach nur froh, jemanden zu haben, der sie festhielt und ihr all die Dinge sagte, die sie nicht zu glauben vermochte.
Nymphadora wurde zunehmend müder, das alles hier hatte ihr viel abverlangt. Remus’ Schulter bot sich geradezu an, um einfach nur weiterhin daran zu lehnen und die Augen zu schließen.
Er schien ihre Müdigkeit bemerkt zu haben, machte allerdings keine Anstalten, sich von der Fensterbank zu erheben. Er verharrte in genau der Position, wie nun schon seit ein paar Minuten, noch immer behutsam über ihren Rücken streichend.
Nur ein paar Augenblicke später konnte er ihr gleichmäßiges Atmen spüren und er Dankte Gott im Himmel, dass sie zumindest für diese Nacht Ruhe finden würde.
Eine gute halbe Stunde später, als er sicher war, sie schlief zumindest einigermaßen fest, hob er sie auf seine Arme, legte sie behutsam in das Bett auf der anderen Seite des Zimmers und warf breitete eine Decke über ihr aus.
Eigentlich hatte er keine Lust, zu gehen. Eigentlich wollte er hier bleiben und sie einfach nur beim Schlafen beobachten. Doch er wusste, dass er für den Moment genug für sie getan hatte. Im Schlaf konnte er ihr nicht beistehen.
Er beugte sich zu ihr hinunter, strich ihr eine verirrte, von einem matten braun gekennzeichnete Strähne nach hinten und ohne es wirklich zu realisieren, drückte er ihr einen seichten Kuss auf die Stirn.
„Du magst Sirius verloren haben…“, flüsterte er zuletzt, „…doch du hast noch immer viele Menschen, auf die du vertrauen kannst. Einer davon bin ich. Das verspreche ich dir.“
Er richtete sich wieder auf, warf einen letzten Blick auf Nymphadora, bevor er zur Tür ging, das ohnehin matte Licht löschte und dann die Tür mit einem leisen Klacken hinter sich schloss.



~ENDE~
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