Moderator: Weltenrichter

[HP] Zwillinge mischen auf - schon bei Rumtreibers

Probator
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Beitragvon Probator » Mi 29 Apr, 2009 10:16

Es wurde kälter, wenn es auch nicht richtig schneite, was Rafaela wunderte: So heiß es in der Steppe Kastiliens im Sommer werden konnte, im Winter lag fast immer Schnee, während hier in Schottland der wenige Schnee sofort wieder wegtaute. Überall hingen Mistelzweige und Rafaela, die deren Bedeutung nicht kannte, wurde mehrmals von wildfremden Jungen geküsst. Insgeheim hoffte sie, dass einmal Sirius unter diesen Jungen sein möge, doch der ignorierte sie und ging stattdessen mit einem Mädchen aus Ravenclaw.
Warum eigentlich konnte sie Sirius noch immer nicht vergessen? Sie hatte, trotz ihrer zahlreichen Alleingänge, Regin, der immer freundlich zu ihr war und außerdem ein Junge aus gutem Haus und im Unterschied zu Sirius kein Schwarzmagierkind.

Kurz vor Weihnachten gab es noch ein Wochenende in Hogsmeade und sie genoss es, angeschmiegt an Regin, im Madam Puddifoot’s. Ihr entging dennoch nicht, dass Severus allein durch die Gassen schlich. Er schien etwas zu suchen, doch änderte er mehrmals die Richtung. Nahe genug an das Madam Puddifoot’s kam er jedoch nie, dass Rafaela unauffällig seine Gedanken hätte lesen können.

Nicht nur um Severus heimlich nachzuschleichen, schlug sie vor, noch einkaufen zu gehen. Sie wollte Geschenke für Lily, Donna und Katie kaufen. Vor der Tür von Zonkos Laden zog Regin sie an sich: „Rafa, ich muss dich jetzt leider für einen Moment wegschicken“, sagte er und küsste sie. „Du darfst nämlich nicht sehen, was du zu Weihnachten bekommst.“
„Akzeptiert – und umgekehrt gilt dasselbe.“

Sie ging in den Laden hinein, wo sie aber nichts Geeignetes fand. Nachdem sie wieder hinausgegangen war, machte sie sich in einer Seitengasse unsichtbar und versuchte, Severus zu finden, was ihr jedoch misslang.
In den letzten Minuten, bevor sie zum Sammelpunkt zurückgehen musste, fand Rafaela immerhin im Buchladen ein neu erschienenes Buch über die Wimburner Wespen, Regins Lieblings-Quidditchmannschaft. Sie versteckte es gerade noch rechtzeitig unter ihrem Umhang, als sie Regin kommen sah.

In der Adventszeit hatten die Viertklässler viel zu lernen und daher wenig Zeit, an andere Dinge zu denken. Auch Uriella verbrachte die meiste Zeit in der Bibliothek, doch wenn sie dort war, saß Severus nicht neben ihr. Rafaelas Träume kehrten bis zum Heiligen Abend nicht wieder.

Es kam die Stunde des Abschieds. Regin schenkte Rafaela eine Kette mit einem hell glitzernden Stein. „Das ist nicht nur ein Stein“, erklärte er. „Du kannst jederzeit mit mir Kontakt aufnehmen, wenn du willst. Leider erlauben meine Eltern mir nicht, hier bei dir zu bleiben, aber so können wir uns wenigstens unterhalten.“
Sie freute sich sehr über das Geschenk und hatte beinahe ein schlechtes Gewissen, ihm ‚nur’ ein Buch schenken zu können.
Donna und Katie wollten ihre Weihnachtsgeschenke nach den Ferien mitbringen, was Rafaela, die es von Spanien her gewohnt war, die Geschenke erst an Dreikönig zu bekommen, nicht weiter störte.
Sie sah Regin und ihren Freundinnen lange nach, ehe sie ins Schloss zurück ging. Seit sie in Hogwarts war, hatte sie sich nicht mehr so einsam gefühlt. Sicher, schon letztes Jahr war Weihnachten getrübt gewesen von der Angst, die ihre Eltern hatten, von der sie ihr und Uriella aber nichts erzählen wollten. Dennoch war die Sorge bei Turrones und warmer Sangría verloren gegangen. Sie musste weinen, als sie zurück in ihren Schlafraum ging, in dem sie die Ferien über alleine sein würde. Sie hoffte, dass wenigstens die Großeltern nun, da sie nicht mehr ständig von Schülern beobachtet wurden, mehr Zeit für sie hätten als gewöhnlich.

Gerade am Morgen des Heiligen Abends aber erschütterte eine schreckliche Nachricht die wenigen in Hogwarts verbliebenen Schüler und Lehrer: Gideon Prewett, der ältere Sohn der Lehrerin für Verteidigung gegen die Dunklen Künste, war von Todessern ermordet worden. Professor Prewett saß mit rot geweinten Augen am prächtig hergerichteten Frühstückstisch und brachte keinen Bissen herunter. Direktor Dumbledore bemühte sich, sie zu trösten.
Als sie sich unbeobachtet fühlte, fragte Rafaela ihre Großmutter, warum gerade Gideon hatte sterben müssen.
„Er hat im Orden der Phönix mitgekämpft. Und er war in ein Muggelmädchen verliebt. Das reicht aus Sicht von Du-weißt-schon-Wem“, antwortete die Großmutter bitter.
„Seid nicht du und Opa ebenfalls im Orden?“, fragte Rafaela.
„Das sind wir. Deine Mutter wollte dem Orden auch beitreten, doch ich konnte es ihr ausreden – zumindest, solange ihr klein wart. Später hat sie, gemeinsam mit eurem Vater, in Spanien für den Orden geworben – sie hat auch vermittelt, dass das spanische Ministerium etwas gegen Todesseraktivitäten unternommen hat und vermutlich verhindert, dass Du-weißt-schon-Wessen Anhänger in Spanien jemals richtig Fuß fassen konnten – und du weißt ja, was passiert ist.“
„Sie selbst – ihr Bild – sagt, Voldemort war eher hinter Papa her.“
„Das auch. Immerhin war euer Vater der letzte Überlebende seiner Familie. Was Diana, deine Mutter, aber nie wahrgenommen hat oder nie wahrnehmen wollte: Es gibt gewisse Grenzen der Magie. Wenige Zauberer sind gut genug, sie zu überschreiten – und viele von denen, die gut genug wären, sind weise genug, es nicht zu tun. Unter denen, die es dennoch getan haben, ist jener, dessen Namen wir besser nicht sagen – allerdings gehörte auch Diana, deine Mutter, dazu.“
„Inwiefern?“
„Darüber möchte ich sehr ungern reden.“
Rafaela widerstand der Versuchung, ins Gedächtnis der Großmutter einzudringen, nicht, doch die verschloss ihre Gedanken sorgfältig.
„Lass das!“, befahl sie scharf. „Eure Mutter jedenfalls hatte Kräfte, die auch für IHN gefährlich hätten werden können. Du kennst einige davon – und scheinst die eine oder andere sogar zu beherrschen.“
„Gedanken lesen? Können das so wenige?“
„Einige Zauberer können es. Aber keine Vierzehnjährigen – außer euch beiden. Und wenn du scharf überlegst, kommst du noch auf andere Fähigkeiten, die eher noch seltener sind. Von der stärksten Kraft deiner Mutter ahnst du aber vielleicht noch gar nichts.“
Nachdem die Großmutter erneut nicht bereit war, darüber zu sprechen, beschloss Rafaela, das Bild der Mutter selbst zu befragen.
„Noch eines, Rafa!“, mahnte die Großmutter. „Ich beherrsche zwar selbst wenig Legilementik, aber ich kann mir vorstellen, dass du selbst gerne in den Orden eintreten würdest. Das kommt nicht in Frage, bevor du siebzehn bist und Hogwarts verlassen hast.“
„Aber dann werde ich mitmachen“, antwortete Rafaela entschlossen und dachte ‚soweit es geht, auch schon früher.’

Die Stimmung war auch am Abend gedrückt, obwohl kaum jemand Professor Prewetts Sohn kannte. Direktor Dumbledore versuchte, die Anwesenden zu beruhigen, dass es bis jetzt noch keinen Angriff auf Hogwarts gegeben hatte. „Ich denke, und bisher habe ich mich nicht getäuscht“, sagte er, „dass Voldemort sich nicht hierher traut.“ Einige erschraken, als sie den Namen hörten. „Wenn ihr irgendwo sicher vor ihm seid“, fuhr er fort, „dann hier.“

Rafaela erhielt von ihrer Großmutter ein Feindglas und von ihrem Großvater einen neuen Rennbesen, doch obwohl sie sich über diese Geschenke freute, konnte das ihre Stimmung nicht bessern. Ihre Schwester Uriella behandelte sie wie Luft und verschwand immer wieder aus Hogwarts. Auch Severus Snape, der ebenfalls in Hogwarts geblieben war, wollte mit beiden Schwestern nichts mehr zu tun haben. Fast alle Gryffindors waren zu Hause bei ihren Eltern. Rafaela erhielt zwar Karten von Lily, Donna, Katie und – was sie wunderte – auch von James und Sirius; sie schrieb auch allen Karten, doch Karten und Geschenke ersetzten keine anwesenden Freunde.

In den Weihnachtstagen erschienen Gäste in Hogwarts, die wenig Kontakt zu den Schülern hielten, aber dennoch oder gerade deshalb deren Neugier erweckten. Unter ihnen war eine junge Frau, die Professor Prewett auffallend ähnlich sah, wenn sie auch etwas molliger geraten schien. Mit ihr zusammen kam ein großer, schlanker, rothaariger Mann und zwei kleine Jungen. Rafaela hörte, dass Professor Prewett die Frau mit „Molly“ und den Mann mit „Arthur“ ansprach und vermutete, dass es sich um das Ehepaar handelte, das dank der Informationen, die sie in Gestalt ihrer Schwester von Severus bekommen hatte, vor den Todessern gerettet worden war.
Auch ein braunhaariger junger Mann war oft bei dem Ehepaar. Er musste kürzlich schwer verletzt worden sein, denn sein Gesicht war vernarbt und er konnte nur mit Mühe gehen. Dennoch gefiel er Rafaela. Er war denn auch der erste, den sie alleine traf – sie hatte dem Schicksal allerdings nachgeholfen und war ihm unsichtbar nachgeschlichen, um sich ‚zufällig’ gerade sichtbar zu machen, als er sich einmal wieder anlehnen musste.
Sie grüßte ihn freundlich, stellte sich vor und schaute kurz in seine Gedanken: Er wusste nichts von ihr und sie schien ihm sogar zu gefallen.
„Ich bin Fabian Prewett“, stellte er sich vor. „Sorry, wenn ich neugierig bin: Halcón klingt nicht gerade wie ein englischer Name.“
„Ich bin in Spanien aufgewachsen. Eigentlich hießen meine Eltern Hawkins.“
„Hießen?“, fragte Mr. Prewett. „Heißt das, sie sind...“
„...von Voldemort ermordet worden“, antwortete Rafaela. Sie wollte ihm schon mehr erzählen, biss sich aber auf die Zunge.
Er schien beinahe zu weinen, zwang sich aber, gefasst zu reden. „Meinen Bruder haben sie auch umgebracht – nicht Du-weißt-schon-Wer selbst, aber seine Männer. Sie haben uns zu fünft angegriffen. Ich habe überlebt, aber nur sehr knapp.“
„War Ihr Bruder Gideon Prewett?“
„Ja. Und eure Lehrerin für Verteidigung gegen die Dunklen Künste ist meine Mutter, Molly Weasley, die heute Mittag bei mir am Tisch saß, meine Schwester, Arthur ihr Mann und mein Schwager und die beiden kleinen Buben sind meine Neffen, Mollys und Arthurs Söhne Bill und Charlie.“
„Beileid wegen Ihrem Bruder – äääh – Trifft sich hier der Orden des Phönix?“
Er erschrak. „Wie kommst du darauf? Was weißt du darüber?“
„Meine Eltern waren... – haben manchmal darüber gesprochen. Ich weiß, dass der Orden Voldemort und seine Todesser bekämpfen will. Meine Großmutter hat mir verboten, mitzumachen – aber sobald ich siebzehn bin, trete ich bei, wenn nicht vorher jemand Voldemort besiegt hat.“
„Du bist ganz schön mutig, das zu sagen – und Du-weißt-schon-Wen beim Namen zu nennen.“
„Mein – meine Eltern haben das auch getan.“
„Und sind tot. Es heißt, es bringt Unglück, den Namen zu sagen.“
„Das hat damit nichts zu tun“, antwortete Rafaela entschieden. „Meine Eltern sind verraten worden.“
„Woher weißt du das?“
„Ihr Haus war versteckt und Voldemort hat es trotzdem gefunden. Mitten in der Nacht. Sie hatten keine Chance, sich zu wehren.“
„Fast niemand hat eine Chance gegen ihn.“
„Wer weiß? Es heißt, wenn die Wut groß genug ist, steigt auch die Zauberkraft. Wenn ich ihm begegnen würde, würde ich den Avada-Kedavra auf jeden Fall versuchen, und ich glaube, ich hätte gute Chancen – gegen niemand sonst, aber gegen ihn.“
Er griff ihr an die Schultern. „Dein Mut ehrt dich, Mädchen, aber mit Mut allein kannst du ihn nicht besiegen – und das sage ich als Gryffindor. Vielleicht deshalb nehmen wir im Orden keine Minderjährigen. Es wäre zu gefährlich für euch.“
„Was will der Orden denn statt dessen tun, wenn er Voldemort nicht angreifen will?“
„Die Todesser angreifen und ans Ministerium übergeben. Wenn Du-weißt-schon-Wer keine Anhänger mehr hat, können wir auch ihn selbst angreifen. Aber auch dann müssen wir uns sehr gut überlegen, wer und wie das tun soll. Er ist einer der besten Zauberer der Welt, leider.“

Eine aufgeregte Männerstimme unterbrach das Gespräch. „Fabian! Wo steckst du?“
Arthur Weasley bog um die Ecke. „Das ist doch...du redest mit ihr
„Nein, das ist sie nicht, Arthur. Die andere war Slytherin.“
„Von wem sprechen Sie? Von meiner Schwester Uriella?“, warf Rafaela ein. „Was ist mit ihr?“
„Das... nun...“, stotterte Mr. Weasley. Rafaela las jedoch aus seinen Gedanken die Fortsetzung: Uriellas Freund war ein Todesser namens Nott, der den Ordensmitgliedern vor kurzem knapp entkommen war.

Die beiden Männer gingen weiter und ließen das Mädchen stehen. Rafaela musste erst einmal ihre Gedanken in Ordnung bringen: Uriella hatte also wirklich Kontakt zu den Todessern. Und der Großvater würde dies erfahren! Wie würde er danach handeln? Uriella selbst zu fragen, war unmöglich. Rafaela schwor sich, aus diesem Fabian Prewett so viele Informationen herauszubekommen, wie sie konnte. Ihre Chancen standen nicht schlecht: Anders als sein Schwager schien er ihr zu vertrauen – und er hatte keine Ahnung, dass sie Gedanken lesen konnte. Sie musste nur vorsichtig genug sein, dass dies auch so blieb.

Einige Tage nach Weihnachten sah Rafaela ihre Schwester durch das Gelände laufen. Sie folgte unsichtbar, doch kurz vor dem See machte Uriella sich ebenfalls unsichtbar und schien auch aufgeflogen zu sein, denn ihre Spuren im Schnee endeten vor einem Busch am Seeufer. Rafaela seufzte: Spuren auf der Erde hätte sie mit einem Vergrößerungszauber sichtbar machen können, Spuren in der Luft nicht.

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Beitragvon Probator » Di 12 Mai, 2009 11:53

Rafaela tat alles, um sich für Fabian Prewett interessant zu machen. Sie legte viel Wert auf ihr Make-Up und Parfüm und tauchte immer wieder „zufällig“ in seiner Nähe auf – und tatsächlich schien sie dem jungen Mann zu gefallen. Sie trafen sich fast jeden Tag in einem der leeren Klassenzimmer.
Fabian erzählte ihr bereitwillig über seine Familie. Wie sein Vater, einst Richter am Zauberergamot eines der ersten Opfer Voldemorts geworden war, nachdem er mehrere von dessen Spionen im Ministerium überführt und nach Askaban geschickt hatte; wie seine Mutter danach immer strenger und wortkarger geworden war, wie stolz sie aber gewesen war, als er und sein Bruder Gideon dem Orden beigetreten waren. Auch Molly, seine Schwester, hatte beitreten wollen, als sie jedoch zum ersten Mal schwanger war, aus Angst um das Baby davon abgelassen.
Fabian erzählte ihr auch von den Streichen, die er als Schüler seinen Lehrern und Mitschülern gespielt hatte – und er schien ähnlich kreativ gewesen zu sein wie Sirius oder James. Er hatte etwa eine Zaubertinte entworfen, die bewirkte, dass jedes dritte Wort, das man damit schrieb ‚Idiot’ lautete – und damit einen Riesenerfolg gehabt, als der Streber seines Jahrgangs in Verwandlungen einen derart ‚idiotischen’ Aufsatz abgeliefert hatte.
Vom Orden erzählte er selbstverständlich nicht, doch Rafaela drang immer wieder in sein Gedächtnis ein – nie so lang, wie sie es bei Sirius getan hatte, damit er keinen Verdacht schöpfen konnte, doch beständig. So fand sie heraus, dass der Orden wusste, dass bereits hohe Ministeriumsmitarbeiter auf Voldemorts Seite waren. Der Orden wollte nun allmählich dazu übergehen, die Todesser direkt anzugreifen. Alle Ordensmitglieder waren sich bewusst, dass sie ihr Leben dabei riskierten.
Rafaela hatte Angst um sie alle, denn sie wusste, wie brutal und hinterlistig Voldemort sein konnte. Sie traute sich weder, Fabian direkt zu fragen, ob er etwas von den Gerüchten über ihre Mutter wusste, noch, tief genug in sein Gedächtnis einzudringen, um es trotzdem herauszubringen.

Fabian blieb geschwächt und musste fast jeden Tag in den Krankenflügel, doch Dumbledore wollte nicht, dass er nach St. Mungo ging. „Er hat gesagt, wichtig ist, dass ich vor Du-weißt-schon-Wem sicher bin – und das bin ich vor allem hier in Hogwarts“, erzählte er einmal Rafaela. „Ich muss irgendwie wieder hochkommen.“

Leider kam Fabian nicht hoch, sondern musste gegen Ende der Ferien ständig im Bett liegen bleiben. Rafaela hatte allmählich Angst um ihn und obwohl er ihr immer wieder versicherte, es werde alles wieder gut, täuschte sie sich nicht: Er selbst befürchtete, dass er seine Verletzungen nicht überleben würde. Als sie einmal Madam Pomphrey alleine erwischte, las Rafaela aus ihren Gedanken dasselbe. Die Krankenschwester war nicht sicher, ob es überhaupt einen Zaubertrank gab, der den von mehreren Flüchen getroffenen jungen Mann würde heilen können.
Rafaela hoffte, betete und versuchte, ihr bestes zu tun: Sie ließ sich von Fabian genau schildern, welche Flüche ihn getroffen hatten und suchte in der Bibliothek, einschließlich der verbotenen Abteilung, in die sie mittels Unsichtbarkeitszauber gelangen konnte, nach Gegenflüchen oder Gegenmitteln, fand aber nichts.

Eine weitere schlimme Nachricht erschreckte alle Ordensmitglieder und in Hogwarts verbliebenen Schüler: Ein Unbekannter hatte dreißig Muggel in einem Einkaufszentrum getötet. Der Tagesprophet berichtete, dass Muggelzeugen gesehen hatten, dass die Menschen plötzlich tot umfielen und mittendrin ein junges Pärchen gestanden sei, das über den Tod so vieler Menschen zu lachen schien und danach plötzlich verschwunden sei.
Rafaela hatte das ungute Gefühl, dass es sich um Uriella und ihren Freund handeln könnte, traute aber andererseits ihrer Schwester einen kaltblütigen Massenmord nicht zu und wunderte sich, dass sie nichts von einem solchen Plan geahnt hätte. Sie besprach die Sache mit dem Bild ihrer Mutter. Die mahnte sie, Uriella nicht falsch zu verdächtigen, musste aber zur Beunruhigung ihrer Tochter sagen, dass die magische Verbindung zwischen den beiden Schwestern nur bestand, wenn eine der beiden etwas plante, was der anderen Schaden zufügen könnte.
Uriella selbst wirkte genau so betroffen wie alle anderen und verschloss ihr Gedächtnis gut genug, dass weder Rafaela noch sonst jemand etwas herausbekam.

Am Tag vor Dreikönig geschah dann das Unerwartete: Etwa um fünf Uhr früh leuchteten plötzlich Blitze vor den Fenstern auf. Rafaela, die im Schlafraum der Viertklässlerinnen von Gryffindor allein war, schreckte auf. Natürlich konnte es auch im Winter Gewitter geben, doch hatte sie im Gefühl, dass da draußen kein gewöhnliches Gewitter war.
Sie schlich im Nachthemd durch den Gemeinschaftsraum und kletterte durch das Porträtloch. Draußen konnte sie gerade noch einem Fluch, der die Treppe heraufgeschossen kam, ausweichen. Am oberen Ende stand Professor Flitwick, während von unten zwei maskierte Personen ihn angriffen.
„Schade, das ist hier nichts für kleine Mädchen. Avada...“, sagte der eine der Männer kalt. Rafaela konnte sich im letzten Moment unsichtbar machen und mit einem Sprung hoch in die Luft ausweichen. Von oben schockte sie ihren Angreifer, während Professor Flitwick den zweiten kampfunfähig machte. Allerdings kam schon ein dritter die Treppe hoch. Rafaela nutzte ihre Unsichtbarkeit aus und schockte ihn. Anschließend schwebte sie hinunter zur Großen Halle.
Sie sah dort ihre Großeltern, Arthur Weasley und einen anderen Zauberer stehen und kämpfen, doch es waren viele Todesser, die angriffen. Rafaela hatte Angst, entdeckt zu werden, doch sah sie in ihrer Unsichtbarkeit und Flugfähigkeit die Chance, den anderen zu helfen und fühlte sich auch dazu verpflichtet.
Tatsächlich gelang es ihr, vier Todesser zu schocken, ohne dass sie selbst getroffen wurde. Insgesamt konnten elf der Angreifer überwältigt werden, während sieben oder acht flüchteten. Der Sieg jedoch war teuer erkauft: Ein Auror, der Mitglied des Ordens war, war schwer verletzt worden. Auch Direktor Dumbledore und Professor Flitwick waren getroffen worden, jedoch nicht ernsthaft. Professor Prewett versorgte die Verwundeten notdürftig. Für den Auroren musste sie eine Trage herbeibeschwören, um ihn in den Krankenflügel bringen zu lassen.

Rafaela machte sich erst sichtbar, als die Schlacht geschlagen war. Die Großmutter nahm sie in die Arme.
„Was haben die Todesser hier gesucht?“, brachte das Mädchen heraus. Minerva McGonagall zuckte mit den Achseln. „Niemand weiß das“, antwortete sie mit schwacher Stimme. „Opa und ich waren uns bis gestern noch sicher, dass niemand gegen unseren Willen nach Hogwarts kommen kann.“
Im selben Moment kam Madam Pomphrey weinend die Treppe herunter gelaufen. „Direktor, sie sind in den Krankenflügel eingedrungen“ schrie sie. „Sie haben – Mr. Prewett...“
Rafaelas Herz stockte. Fabian hatte ihr in letzter Zeit mehr bedeutet als sie selbst es zuletzt gewollt hatte.
„Ist er tot?“, fragte der Direktor.
„Ich konnte es nicht vermeiden“, antwortete die Krankenschwester und brach in Tränen aus. Professor Prewett fiel vor Schreck in Ohnmacht und war nicht ansprechbar, nachdem es Dumbledore gelungen war, sie zu wecken. Auch Rafaela weinte bitterlich.
Dumbledore dachte einige Zeit nach, ehe er sprach. „Es ist schlimm für Fabian, seine Mutter und seine Schwester“, sagte er dann, „aber auch für uns alle. Hogwarts ist kein sicherer Ort mehr.“
„Wir können – niemandem – mehr – trauen“, stellte der verletzte Auror fest. „Ich habe dir gesagt, Albus, dass man jeden überprüfen muss, der nach Hogwarts kommt. Und wir müssen – die – ächz!“
„Die Bannkreise erneuern, ich weiß“, vollendete der Direktor. „Horace, kannst du mir bitte helfen, Alastor in den Krankenflügel zu bringen?! Und du, Minerva, kümmere dich bitte um Ginevra!“

Beim Frühstück herrschte Trauer und es sprach niemand. Der Direktor verkündete nach dem Frühstück die traurige Nachricht und ermahnte anschließend zu erhöhter Vorsicht. „Niemand von uns hat eine Erklärung, warum gerade dieser junge Mann sterben musste. Vielleicht hat er den Mörder seines Bruders noch gesehen und dieser musste daher fürchten, verraten zu werden. Was für uns aber viel schlimmer ist: Wir können uns nicht mehr sicher fühlen. Es ist Todessern gelungen, nach Hogwarts einzudringen. Noch kann ich nicht sagen, ob sie verkleidet waren und so einen Mitarbeiter täuschten oder wie sie es sonst schaffen konnten. Nur so viel: Ich habe beim Ministerium bereits Wächter bestellt. Sie alle bitte ich, das Schloss in den nächsten Tagen nicht zu verlassen und alles Auffällige zu melden.“
Auch wenn er tat, als ob der Angriff und der Mord an Fabian ihn kalt ließe, merkte Rafaela, wie ihr Großvater innerlich bebte.
Die anderen anwesenden Schüler wirkten ebenfalls konsterniert. Als Rafaela versuchte, ihre Schwester darauf anzusprechen, reagierte die scharf: „Natürlich bin ich traurig – oder meinst du, ich hab mit der Sache was zu tun? Rafa, ich versteh ja, dass es für dich schwer ist, aber deshalb kannst du trotzdem nicht das Hirn abschalten!“
Uriella hatte also wieder einmal etwas mitbekommen, während Rafaela immer noch nicht wusste, wer der geheimnisvolle neue Freund ihrer Schwester, den sie nur im Traum gesehen hatte, war. Sie beschloss, noch vorsichtiger zu sein und ihr Gedächtnis auch zu verschließen, wenn sie unbeobachtet war.

Am Tag nach Dreikönig kamen die anderen Schüler wieder. Rafaela ließ sich ohne rechte Lust von Regin umarmen und küssen. Den Ferienerlebnissen ihrer Mitschülerinnen hörte sie nur mit halbem Ohr zu.
Der Direktor informierte auch die nun erst wieder nach Hogwarts zurückgekehrten Schüler über die Geschehnisse. Zahllose Schreie waren zu hören und die Stimmung blieb nicht mehr die gleiche, wie sie bei der Ankunft der Schüler gewesen war. Das neue Jahr schien für alle mit Trauer und Angst zu beginnen.

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Beitragvon Probator » Di 21 Jul, 2009 09:57

Am Tag nach Schulbeginn war die Beerdigung Fabian Prewetts. Der Unterricht in Verteidigung gegen die Dunklen Künste fiel aus. Rafaela wollte gern zur Beerdigung gehen, doch ihr war klar, dass es nie und nimmer genehmigt würde. Sie hatte keine großen Bedenken, das Gelände unerlaubt zu verlassen, doch zum einen konnte sie sich zwar unsichtbar machen, jedoch nicht ohne weiteres in eine andere Person verwandeln, zum anderen würde es auffallen, wenn sie zu lange nicht da war.
Am Morgen schwankte sie noch zwischen Wunsch und Bedenken, doch am Mittag entschied sie sich: Sie schlich sich heimlich und unsichtbar in den Kamin eines leeren Klassenzimmers, streute Flohpulver hinein und transportierte sich zum Haus der Prewetts. Da niemand im Wohnzimmer saß, konnte sie sich ohne größere Probleme hinausschleichen.
Im Ort den Friedhof zu finden, war nicht allzu schwer. Sie sah bereits Professor Prewett am Friedhofseingang stehen. Ihre Tochter, ihr Schwiegersohn und ihre Enkel standen neben ihr. Auch Dumbledore und einige Lehrer aus Hogwarts waren bereits eingetroffen. Rafaela hätte sich gerne zu ihnen gestellt, doch sie zog es vor, unsichtbar zu bleiben.

Der Zeremonienmeister des britischen Zaubereiministeriums war gekommen und eine große Menge von Hexen und Zauberern hatte sich versammelt, um Fabian Prewett die letzte Ehre zu erweisen. Langsam setzte der Trauerzug sich in Bewegung und erreichte schließlich das leere Grab. Der Vertreter des Ministeriums würdigte ausführlich die Verdienste des Toten, wie er mehrmals gegen Todesser gekämpft hatte und schließlich heimtückisch getötet worden war. Rafaela musste weinen, als sie daran erinnert wurde – zumal ihr wieder das Bild vom Tod ihrer Eltern in den Sinn kam: Wie plötzlich Fremde an der Zimmertür gestanden und die Körper der Eltern kalt und steif im Bett gelegen waren.
Als Fabians Sarg gesenkt wurde, begannen seine Mutter und seine Schwester zu weinen. Auch Rafaela hielt ihre Tränen kaum zurück.
Unter den Trauernden befand sich ein junger Mann in Fabians Alter, den Rafaela, wie sie glaubte, schon einmal gesehen hatte, doch sie konnte ihn nicht zuordnen. Während sie noch überlegte, sprach ihr Großvater als Vorsitzender des Ordens des Phönix.
Rafaela lauschte andächtig seinen Ermahnungen, gerade in dieser Zeit der Angst vor der Schwarzen Magie nicht aufzugeben. „Wenn Fabians schrecklicher Tod dazu führt, dass sich unter all den Hexen und Zauberern, die jetzt noch zögern, einige finden, denen klar wird, dass es in diesem Kampf keine Neutralen geben kann und die sich furchtlos gegen Voldemort“ – Die meisten Trauergäste zuckten bei der Nennung dieses Namens zusammen – „und seine Anhänger stellen, dann hat dieser junge Mann nicht umsonst gelebt und ist nicht umsonst gestorben.“

Während des Worts „gestorben“ sprang ein rotes, katzenartiges Wesen Rafaela an. Das Mädchen erschrak und kreischte auf, worauf fast alle Trauergäste sich umdrehten. Einige von ihnen zogen den Zauberstab.
Rafaela lief es eiskalt den Rücken herunter. Was mussten die anderen Trauergäste denken, wenn sich hier offensichtlich eine unsichtbare Person eingeschlichen hatte? Sie setzte den Kniesel auf den Boden, doch der versuchte, wieder an ihr hochzuspringen.
„Kniesel können nicht fliegen“, hörte sie ihren Großvater sagen. „Da ist jemand. Zeige dich!“
Froh über diese Information, schwebte sie hoch und erreichte so, dass der Zauber des Großvaters unter ihrem Fuß vorbeischoss.
Nun sah sie klarer: Es war das Sinnvollste, aus dem Friedhof herauszufliegen, bevor irgend jemand einen Bann legen konnte. Sie tat es und erkannte, als sie landete, dass noch jemand anderer blitzschnell den Friedhof verlassen hatte: Der junge Mann, den sie möglicherweise schon gesehen hatte. Neben ihm her lief der Kniesel, der Rafaela beinahe verraten hätte.
Sie überlegte sich, wie sie am besten aus dem Ort und zurück nach Hogwarts käme. Den ganzen Weg zu fliegen wäre anstrengend, zumal sie nicht genau die Richtung wusste, die sie einschlagen müsste. Ins Haus der Prewetts zu gehen, kam jedoch auch nicht in Frage, da die Trauergesellschaft sicher dorthin ging.
Der Mann drehte sich langsam und scheinbar unauffällig, sodass Rafaela zu spät merkte, was er vorhatte: Plötzlich rannte er in ihre Richtung und sie konnte im letzten Moment auffliegen, sodass er nur den Absatz ihres Schuhs zu fassen bekam. Mit einem Schneidezauber trennte sie die Hälfte des Absatzes ab und flog davon. Der Mann schien sie irgendwie wahrnehmen zu können und konnte definitiv schneller laufen als ein normaler Mensch, doch offensichtlich – Merlin sei Dank – nicht fliegen. Sie musste ihn loswerden, bevor er an einen Besen oder ein sonstiges Hilfsmittel kam.
Sie stieg höher in den Himmel und beschleunigte in Richtung Norden. Nach einiger Zeit drehte sie nach Nordwesten über das Meer hinweg. Auf dem Meer würde er ihr noch schwerer folgen können, doch half ihr das wenig, wenn sie nach Hogwarts wollte.

Obwohl sie sich sicher war, dass sie sich inzwischen an der schottischen Küste befand, und ihr Verfolger nicht mehr zu sehen war, hatte dies Rafaela auf der Suche nach Hogwarts noch keineswegs weitergebracht. Wie konnte sie nur ein Zaubererhaus finden, von wo aus sie mit dem übrigen Flohpulver in ihrer Tasche nach Hogwarts reisen könnte? Oder einen Zauberer, den sie nach dem Weg fragen könnte? Sie war sich sicher, dass Hogwarts aus der Luft nicht ohne weiteres zu erkennen sein würde.
Ihr kam eine neue Idee: Wie wäre es, irgend etwas in einen Portschlüssel zu verzaubern? Sie hatte ihre Mutter schon welche machen sehen und glaubte nicht, dass es allzu schwierig sein würde. Sie wusste, dass das Herstellen von Portschlüsseln verboten war, doch das störte sie nicht weiter.
Rafaela landete, deutete mit der Hand auf einen herumliegenden Zweig und rief „Portus“. Als sie den Zweig berührte, spürte sie das Ziehen am Bauchnabel, das sie bereits kannte, wurde durch die Luft gerissen und landete in einem dichten Wald. War sie in der Nähe von Hogwarts oder wo war sie?
Sie hörte ein lautes Klappern und erkannte eine riesige Spinne vor sich. Offensichtlich war sie in einem Zauberwald, denn soweit sie wusste, gab es in Muggelgegenden keine Spinnen dieser Größe. Schnell stieg sie in die Luft, bevor ihr die Spinne etwas tun konnte , flog über den Kronen der Bäume dahin und erkannte am Horizont die Türme von Hogwarts. Erleichtert ging sie nieder und landete am Rand des Verbotenen Waldes, wo sie sich wieder sichtbar machte.
Auf dem Boden wäre sie beinahe gestolpert, denn sie hatte vergessen, dass sie nur einen halben Absatz am Schuh hatte. Mit einem „Reparo“ brachte sie die Sache allerdings schnell wieder in Ordnung und ging auf das Schloss zu, wobei sie sich bemühte, möglichst unauffällig zu wirken.

Wer war der unbekannte Mann, der sie verfolgt hatte und über welche Kräfte verfügte er? Während sie noch über diese Fragen nachdachte, legte Regin ihr die Hand auf die Schulter: „Wo hast du nur gesteckt, Schatz? Ich hab dich im ganzen Haus gesucht?“, fragte er.
„Ich...ich“, stotterte sie, während sie sich von ihm küssen ließ.
„Rafa, du zitterst ja. Ist dir was passiert?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich war im Wald. Ich... du weißt ja, der Krach mit meiner Schwester und so... ich wollte einfach einmal alleine sein.“
– „Warum? Was hat Uriella getan?“
– „Ich glaube...“ Sollte sie ihm ihren Verdacht sagen? – „Ich glaube, sie hat sich in jemand verknallt, der Todesser werden will.“
– „Ach du Scheiße! – Und jetzt?“
– „Ich hab mir überlegt, wie ich ihr das ausreden kann. Und dazu wollte ich allein sein.“
– „Weiß sie, dass ihr Typ Du-weißt-schon-Wen unterstützt?“
Rafaela zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Ahnung“, sagte sie.
„Kann man es ihr nicht klarmachen? Oder ihr sagen, worauf sie sich einlässt?“
Nun war Rafaela ernsthaft besorgt. „Lass es! Sie wird nicht hören!“ Wenn das nur das einzige wäre, was Regin zu befürchten hätte, falls er wirklich Uriella ansprechen sollte!

Später am Nachmittag fiel es ihr ein: Der Mann, der ihr nachgelaufen war, war kein anderer als der, den sie im Traum an der Seite ihrer Schwester gesehen hatte. Das bedeutete, jemand, der ihr nach dem Leben trachtete, wusste möglicherweise, dass sie auf Fabians Beerdigung gewesen war – und würde es Uriella und womöglich Voldemort sagen.
Noch etwas wurde ihr klar: Sie spielte Regin und sich selbst etwas vor. Sie hatte sich während der Ferien an Fabian herangemacht, ohne auch nur an Regin zu denken. Insgeheim hatte sie gehofft, dass sie für Regin ebenso nur ein netter Zeitvertreib war, wie viele Mädchen für Sirius oder James, doch sie hatte das Gefühl – sie war zu aufgewühlt gewesen, um seine Gedanken zu lesen – dass Regin sie wirklich liebte. Er war die Ferien sehnsüchtig zu Hause gesessen, während sie sich in einen anderen verliebt hatte; er hatte auf sie gewartet, während sie auf der Beerdigung dieses anderen war. Und er glaubte ernsthaft, ihr oder Uriella helfen zu können. Ihr wurde klar, dass die heile Welt, in der viele ihrer Mitschüler lebten, obwohl sie alle schon von Voldemort gehört hatten, nicht die ihre war. Für andere mochte es ein Traum sein, einmal als Auror gegen Schwarzmagier zu kämpfen; sie hatte ihre Eltern und einen jungen Mann, mit dem sie beinahe eine Beziehung eingegangen wäre, verloren; sie hatte selbst gekämpft und fliehen müssen.
Sie schlich sich in einen dunklen Gang, öffnete ihr Medaillon und sprach mit ihrer Mutter. Die machte ihr einige Vorwürfe. „Überleg nur, was dir hätte passieren können – und was die anderen denken müssen! Was meinst du, welchen Aufruhr das gibt? Eine unsichtbare Person ist am Grab eines Todesseropfers und verschwindet plötzlich?“
„Du meinst, sie glauben, ich wäre eine Todesserin?“
„Das ist möglich“, antwortete Diana Hawkins. „Du musst zu deinen Großeltern gehen und es gestehen.“
„Die werden nicht begeistert sein.“
„Das ist richtig, Rafa! Aber du musst! Kind, überleg doch einmal! In einer solchen Zeit wird ganz England deshalb in Aufruhr sein. Was ist dagegen eine Strafarbeit?“

Sie sprach auch mit der Mutter über Regin und den Fremden.
„Bist du dir sicher, dass es Uris Freund ist?“, wollte die Mutter wissen.
„Ich vermute, Mama! Zumindest habe ich im Traum Uri und ihn zusammen gesehen. Und du hast doch gesagt, ich kann nur sehen...“
„Das stimmt allerdings. Aber ich weiß auch nicht mehr als du. Frag Opa; vielleicht kennt er den Mann.“
Beim Thema Regin war die Mutter noch strenger als bei allem anderen: „Schätzchen, es tut mir leid: Du hast diesen Jungen nie geliebt. Von Anfang an nicht.“
„Aber...“
„Nichts aber! Du wolltest nicht allein sein, weil Uri ihren Freund noch hatte. Und da kam es dir gelegen, dass er sich für dich interessiert hat.“
Es war, als ob noch das Bild der Mutter Gedanken lesen könnte. „Aber vielleicht verstehst du eines: Ich möchte ihn nicht unglücklich machen. Vielleicht hast du Recht, Mama, und ich hätte die Beziehung niemals anfangen dürfen, aber er war – er ist so nett zu mir. Ich kann nicht...“
„Du machst ihn unglücklicher, Kleines, wenn du ihm auf Dauer etwas vorspielst.“
Rafaela versprach ihrer Mutter, die Sache zu regeln, doch musste sie auf dem Rückweg weinen – wegen Fabian, wegen Regin, wegen Uriellas Freund und der Angst, was Voldemort mit ihr vorhaben könnte. Zum Glück fragte Donna, die schon im Schlafzimmer war, nicht viel. Sie umarmte Rafaela, ließ sie den Kopf auf ihren Schoß legen und streichelte Rafaelas Haar. „Komm!“, sagte sie nur. „Nach jeder Nacht kommt ein Morgen!“

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Reinen Tisch - teilweise

Beitragvon Probator » So 25 Jul, 2010 23:20

Rafaela schlief in dieser Nacht unruhig.
Sogar der Tagesprophet hatte Wind von den seltsamen Geschehnissen bei Fabians Beerdigung bekommen. „Unsichtbare Person bei Beerdigung“ lautete die Schlagzeile, und „wollte der Unnennbare weitere Opfer suchen?“ Rafaela las den Artikel mit klopfendem Herz. Sie hörte die Stimme ihrer Mutter in sich, die sie ermahnte, den Großeltern alles zu gestehen.

„Was ist mit dir?“, riss Regin sie aus den Gedanken.
„Alles in Ordnung! Ich hab nur schlecht geträumt“, antwortete sie, während sie nochmals die Stimme der Mutter in sich hörte, diesmal ihn betreffend. ‚Eines nach dem anderen!’ dachte sie sich.
Sie erklärte Regin, sie habe ihre Hausaufgabe für Zauberkunst im Schlafsaal liegen gelassen, küsste ihn kurz und verließ die Große Halle – nicht ohne sich zu vergewissern, dass ihre Schwester noch am Tisch saß. Sie ging allerdings keineswegs in die Bibliothek oder in den Gemeinschaftsraum, sondern ins Büro ihrer Großmutter.
„Ich muss dir etwas gestehen“, sagte sie, nachdem die Tür geschlossen war. Professor McGonagall hörte sich regungslos Rafaelas Erzählungen an.
Als Rafaela geendet hatte, kam das befürchtete Donnerwetter. „Wie konntest du nur?“, schrie die Großmutter sie an. „Dass Fabian dir gefallen hat, habe ich durchaus gemerkt – und daher verstehe ich, dass du um ihn getrauert hast. Wenn du Opa oder mir rechtzeitig Bescheid gesagt hättest, hätten wir vielleicht noch etwas regeln und dafür sorgen können, dass du an Fabians Beerdigung teilnehmen kannst, ohne dass es allzu viele Leute merken. Aber so – Kind, die halbe magische Welt ist in Aufruhr. Ich weiß gar nicht, was ich jetzt tun soll: Wenn ich den Ministeriumszauberern die Wahrheit sage, werden sie es mir entweder nicht glauben oder dich unter ständige Kontrolle stellen, wenn nicht sogar nach Askaban schicken.“
„Nach Askaban?“ Rafaela war geschockt.
„Immerhin bist du in ein fremdes Zaubererhaus eingedrungen und hast ohne Genehmigung einen Portschlüssel hergestellt. Askaban ist unwahrscheinlich, aber es ist nicht auszuschließen, dass du mit der Abteilung für magische Strafverfolgung zu tun bekommst und die ist unberechenbar.
Noch schlimmer ist allerdings folgendes: Es würde allgemein bekannt, dass du und vermutlich auch Uri Dianas Fähigkeiten nicht nur geerbt hat, sondern sie auch gezielt einsetzen könnt. Damit würdet ihr auch für Du-weißt-schon-wen interessanter – sei es, dass er euch als Todesserinnen gewinnen, sei es, dass er euch ermorden will.“
Rafaela erschrak, doch fasste sie sich bald wieder: „Uri hat vermutlich schon Kontakt mit den Todessern. Und das könnte bedeuten, dass Voldemort schon alles gehört hat.“ Sie berichtete, was sie aus Fabians Gedanken gelesen hatte.

Minerva McGonagalls Miene verfinsterte sich. „Es mag sein, dass Nott ein Todesser ist, aber sicher ist es nicht. Außerdem: Es ist strafbar, ohne Erlaubnis des Ministeriums in die Gedanken wildfremder Leute einzudringen. – Mädchen, wenn du so weiter machst, muss ich mir spezielle Maßnahmen überlegen, um dich vor dir selbst zu schützen.“
„Es tut mir ja leid, Oma!“
„Das glaube ich dir. Trotzdem musst du lernen, deine Fähigkeiten unter Kontrolle zu halten. Rafaela, wenn du das nicht lernst, wird das Ministerium dich verfolgen wie eine Todesserin. Man darf nicht einfach alles tun, was man kann – das haben Opa und ich ebenfalls lernen müssen.“
„Sag das doch einmal auch Uri! Sie...“
„...ist vielleicht noch schlimmer als du. Und ich habe ihr auch schon oft genug Strafarbeiten gegeben. Aber auch du musst dich besser beherrschen. Du hast zwar Fähigkeiten wie die besten Auroren, aber Flausen im Kopf wie – nun ja, wie eine Vierzehnjährige.“
Rafaela schaute grimmig, während die Großmutter eine Denkpause machte.
„Nun, wenn ich lüge oder die Wahrheit verschweige, wird es zusätzliche Schutzmaßnahmen geben und viele unbescholtene Zauberer werden in Verdacht geraten“, fuhr sie fort. „Was ich auch tue, es wird falsch sein. Ich kann nur hoffen, dass Albus, dass Opa eine Lösung einfällt.

Sie befahl Rafaela, mit ihr zum Direktorat zu gehen. Dort musste Rafaela die Geschichte erneut erzählen. Professor Dumbledore sah seine Enkelin ungewohnt streng an und überlegte einige Zeit, bis er sagte: „Rafaela, was du getan hast, war eine Dummheit. Ich hätte dir durchaus erlaubt, an der Beerdigung teilzunehmen – zumal du mit dabei warst, als Fabian ermordet wurde. Ich muss dich dringend bitten, nie wieder auf eigene Faust Hogwarts zu verlassen.
Allerdings ist es kein Fehler, den man nicht wiedergutmachen könnte.“ Er lächelte, während sowohl Rafaela als auch ihre Großmutter ihn verständnislos ansahen.
„Ich gestatte dir, Rafaela, eben nachträglich, an der Beerdigung Fabian Prewetts teilzunehmen. Ich habe so entschieden, weil du dich im Kampf gegen die Angreifer vor einigen Tagen so verdient gemacht hast und weil ich mitbekommen habe – ich denke, ich täusche mich da nicht – wie viel Fabian dir bedeutet hat. Damit niemand erfuhr, dass eine Hogwarts-Schülerin teilnahm – ich wollte verhindern, dass andere Schüler daraus künftig das Recht ableiten würden, an der Beerdigung irgendwelcher Bekannter teilzunehmen – lieh ich dir einen Tarnmantel. Leider hat ein Kniesel dich entdeckt und du deshalb den Friedhof in Panik verlassen.“
Rafaelas Miene erhellte sich. Dennoch fragte sie: „Und der Typ, der mich verfolgt hat?! Und der Portschlüssel?“
„Der Mann, der dich verfolgt hat, dürfte ein Todesser oder sonstiger Getreuer Voldemorts gewesen sein. Wenn er für das Ministerium oder den Orden des Phönix gearbeitet hätte, dann hätte er sich bereits gemeldet. Daher wird er kaum wert darauf legen, dass die Sache bekannt wird – auch nicht, dass Voldemort davon erfährt, denn er verträgt es überhaupt nicht, wenn seine Getreuen scheitern. Und den Portschlüssel hast du glücklicherweise weit genug von Raven’s Hollow beschworen, dass er nicht zwingend mit der Flucht zu tun haben muss. Dass das Ministerium nur herausfinden kann, wo gezaubert wurde, aber nicht, was und von wem, brauche ich dir nicht zu sagen.“
„Toll! Danke, Opa!“, rief Rafaela und fiel ihm um den Hals. Ihre Großmutter reagierte weniger euphorisch.

„Ist es nicht trotzdem möglich, dass Vo...“ Professor McGonagall erschrak vor sich selbst, „dass Ihr-wisst-schon-Wer herausfindet, was passiert ist? Und dass er sich seine Gedanken macht, wer sich ohne Tarnmantel unsichtbar machen und ohne Besen fliegen kann? Offenbar kann dieser Mann ja Unsichtbares erkennen.“
„Das schon“, gab Dumbledore zu. „Das Problem besteht, dass einige Zauberer, zu denen, wie ich fürchte, Voldemort gehört, wissen, welche Fähigkeiten Diana hatte. Wer es aber weiß, rechnet damit, dass ihre Töchter ähnliche Fähigkeiten entwickeln, wenn auch nicht damit, dass ihr bereits jetzt fast das Niveau eurer Mutter erreicht habt.
Je höher Voldemort euch allerdings einschätzt, desto eher wird er versuchen, euch entweder zu Todesserinnen zu machen oder zu ermorden. Von euch aber hängt ab, wie viel er über eure magischen Fähigkeiten erfährt. Leider wart ihr alle beide nicht besonders vorsichtig. – Rafaela, hör gut zu: Ich werde dich nicht bestrafen, und zwar aus dem gleichen Grund, warum ich dich scharf ermahnen muss: Möglichst wenig über eure Fähigkeiten soll bekannt werden. Versuch daher, zu vermeiden, dass deine magischen Fähigkeiten die deiner Klassenkameradinnen bei weitem übersteigen!“
„Aber wenn Uri...“
„Für Uri gilt dasselbe“, antwortete er freundlich, aber bestimmt. „Ich versuche jetzt nicht, in deine Gedanken zu kommen, aber ich kann sie mir vorstellen: Wenn Uri versuchen sollte, jemanden anzugreifen und nur du diesen jemand verteidigen kannst, ist das etwas anderes: Das Leben eines Menschen hat immer Vorrang vor Prinzipien. Wenn es sich aber vermeiden lässt, sollte nicht jeder alles wissen. – Rafa, ich appelliere an deine Vernunft. Sieh es bitte ein, wie ernst die Sache ist! Solltest du dich und andere gefährden, müsste ich mir Gegenmaßnahmen überlegen. Das möchte ich nicht und ich gehe auch davon aus, dass du es nicht möchtest. Fürs erste werde ich lediglich den Bannkreis um Hogwarts auch in der Luft setzen, damit niemand mehr heimlich hinausfliegen kann, ob mit oder ohne Besen. Außerdem werde ich die Kamine durch Passwörter schützen.“

Rafaela atmete auf, dass sie nicht bestraft wurde. „Wenn ich schon mal hier bin“, fiel ihr ein. „Ich glaube, ich habe den Mann, der mich verfolgt hat, ihm Traum schon einmal mit Uri zusammen gesehen.“
„Das kann ein Irrtum sein. Dennoch bitte ich dich, dass du versuchst, aufzupassen, wenn der Traum noch einmal kommt. Vielleicht spricht Uri ihn ja einmal an. Es muss nichts mit dem Schutzzauber deiner Mutter zu tun haben, aber wir sollten es auch nicht ausschließen“, antwortete der Großvater.
„Schutzzauber? Du meinst, dass...“
„Sie hat mir erzählt, dass sie einen Zauber auf euch gelegt hat. Sie hat diesen Zauber selbst entworfen, mir aber den Entwurf gezeigt, da sie meine Meinung wissen wollte, ob er funktionieren würde. Dabei hat sie mir auch erzählt, was genau sie vorhatte: Keiner ihrer Nachkommen sollte einen anderen ihrer Nachkommen töten oder dauerhaft verletzen können. Außerdem sollte jeder ihrer Nachkommen spüren, wenn ein anderer ihrer Nachkommen Böses gegen ihn im Schilde führte. Ich muss sagen, dass es ein sehr gewagter Zauber war, selbst wenn man Dianas zweifellos extrem hohes Niveau zugrunde legt, aber ich konnte keinen Fehler in ihren Überlegungen finden und, in aller Bescheidenheit, ich verstehe sehr viel von solchen Dingen.“
„Das hat Mamas Bild mir auch schon gesagt – ich meine, dass Uri und ich uns gegenseitig nicht bekämpfen können und die Träume auch mit diesem Zauber zu tun haben können. Deshalb meine ich ja...“
„Und deshalb nehme ich sehr ernst, was du soeben gesagt hast. Ein Beweis ist es allerdings nicht und ich habe den Mann auch nicht erkannt – natürlich ist er mir aufgefallen.“

Rafaela versprach ihm, wachsam zu sein und wurde entlassen. Regin wartete bereits vor dem Wasserspeier. Offenbar hatte er gesehen, dass McGonagall Rafaela zu Dumbledore geführt hatte. Natürlich war er neugierig, warum sie zum Direktor bestellt worden war.
Rafaela bat ihn, mit ihr hinaus auf die Wiese zu gehen, damit niemand zufällig mithören könne.
„Versprich mir, dass du das, was ich dir jetzt sage, niemandem erzählst“, bettelte sie.
Regin versprach es.
„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll: Ich habe mehr als nur einen Verdacht, dass meine Schwester mit Voldemort zu tun hat. Ich habe mir das Slytherin-Wappen angehext und mich bei den Slytherins eingeschlichen, um mehr über sie zu erfahren. Auch bei ihnen glauben einige, dass sie damit zu tun hat und sie haben mir erzählt, dass Uri schon einige Male heimlich aus Hogwarts weg ist.“
Regin erschrak, fasste sich aber und küsste Rafaela. „Muss hart sein, wenn die eigene Schwester so etwas tut“, sagte er.
„Ja, und da ist noch etwas: Ich war heimlich bei Fabian Prewetts Beerdigung – du weißt ja, Prewetts Sohn ist ermordet worden.“ Sie stockte und begann zu weinen. „Fabian und ich haben uns in den Ferien näher kennen gelernt und...“
„Hattest du was mit ihm?“, fragte Regin scharf.
Rafaela weinte mehr. „Ich war so was von doof! Ich... er hat sich für mich interessiert und ich hab mich geschmeichelt gefühlt.... aber er ist ja tot und jetzt hab ich nur dich. – Bitte verzeih mir!“
„Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass mir das leicht fiele“, war Regin ehrlich. „Wir werden noch öfter ein, zwei Wochen getrennt sein und wenn du dich jedes Mal sofort von einem anderen einfangen lässt...“
„Ich mach so etwas nie wieder, versprochen!“
„Okay, aber so ganz einfach glaube ich dir das nicht.“

Trotz allem, was sie sich vorgenommen hatte, genoss sie es, dass Regin sie dennoch in den Armen hielt. Ihre Großmutter hatte Recht gehabt: Trotz all ihren Fähigkeiten war sie ein vierzehnjähriges Mädchen wie viele andere und obwohl Regin nie ihre erste Wahl gewesen war, ertrug sie den Gedanken an eine Trennung nicht.
„Bitte verzeih mir!“, hauchte sie und umarmte ihn fester. Langsam schwand Regins Ärger und er erwiderte die Umarmung und küsste sie lange und intensiv, als ob es nie ein Problem zwischen ihnen gegeben hätte.

Als ihre Mutter ihr am Abend vorwarf, dass sie mit Regin nur eine halbe Sache gemacht hätte, schloss Rafaela das Medaillon und legte es aufs Nachtkästchen. Wenn sie sich nicht täuschte, trug auch ihre Schwester das Medaillon nur selten, was der Grund war, warum Uriella nichts spürte, wenn sie nicht mit der Mutter kommunizierte.

Dass Dumbledore seine Drohung wahr machte, erfuhr in den nächsten Tagen James Potter, der heimlich nach Hogsmeade fliegen wollte, jedoch mehrmals vom Bannkreis zurückgeworfen wurde. Seine heimliche Liebe Lily Evans beobachtete ihn schadenfroh bei seinen Versuchen und erzählte allen davon, sodass auch Rafaela es mitbekam.

Diese überlegte sich in den nächsten Tagen eine Möglichkeit, trotz den Schutzmaßnahmen ihres Großvaters Hogwarts zu verlassen. Sie wollte das zwar nicht sofort tun, sich aber die Möglichkeit offen halten. Eine Idee kam ihr, als sie in der Bibliothek von ihrem Buch aufsah und James, Sirius und Remus eng beieinander sitzen sah.

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Noch ein Mann mehr

Beitragvon Probator » Di 27 Jul, 2010 00:16

Es wäre ja immerhin möglich, dachte Rafaela, dass Tiere den Bannkreis durchbrechen konnten. Vielleicht würde es ihr gelingen, Animaga zu werden. Sicher war es nicht einfach, doch sie hatte keinen Grund, sich schlechter einzuschätzen als James oder Sirius. Sie schaute lange in den Bücherregalen nach, bis sie zwei Bücher über Animagie fand. Außerdem entdeckte sie einen Hinweis darauf, dass es ein drittes Buch in der verbotenen Abteilung gab. Ihr erster Gedanke war, unsichtbar an Madam Pince vorbeizuschleichen, doch die Bibliothekarin hätte sicher bemerkt, dass jemand versuchte, in die verbotene Abteilung zu kommen. Rafaela musste es daher entweder aufschieben oder versuchen, von einem Lehrer – vielleicht ließ Slughorn sich ja breitschlagen – die Erlaubnis zu bekommen. Vielleicht genügten ja auch die beiden Bücher, die sie offiziell lesen durfte.

Sie las, dass es nicht einfach war und dass man sich stark konzentrieren und sich über das Tier, in das man sich verwandeln wollte, im Klaren sein musste. Sich mit ganzer Kraft auf einen schwierigen Zauber zu konzentrieren, hatte sie von ihrer Mutter besser gelernt als es selbst die Großmutter verlangte. Schwieriger tat sie sich damit, sich zu überlegen, welches Tier zu ihr passte. Die zahlreichen Bilder von fehlgegangenen Verwandlungen in einem der Bücher erschreckten sie.
Sie erzählte Regin nichts von ihrer Absicht, Animaga zu werden. Der merkte jedoch,. dass sie etwas vorhatte und „erwischte“ sie in der Bibliothek beim Lesen eines Buches über Animagie. „Ziemlich komplizierte Sache, die du dir da aufhalsen willst“, kommentierte er. „Mein Bruder hat es einmal versucht, aber aufgegeben. Es heißt, man kann ziemlich böse entstellt sein, wenn die Verwandlung danebengeht. Das wäre doch schade um dich!“
„Deshalb will ich mich ja genauer informieren, bevor ich es tue“, antwortete sie.
„Was hast du überhaupt vor? Jemanden ausspionieren?“
„Vielleicht“, antwortete sie mit einem vielsagenden Grinsen. „Wer weiß, ob meine Schwester es merkt.“

Uriella machte sich in den nächsten Tagen in einer anderen Hinsicht bemerkbar. Als Rafaela von der Bibliothek in den Gryffindorturm zurückging, wartete sie auf die Schwester und fauchte sie sofort an: „Was erzählst du über mich?“
„Ich? Nichts.“
„Ach ja, du hast nichts davon erzählt, dass ich mit einem Todesser zusammen sein soll? Weder Opa noch deinem Macker?“
„Dass er Todesser ist, habe ich nicht behauptet. Das war Opas Vermutung.“
„Hör zu, Schwesterherz: Ich. Habe. Mit. Den. Todessern. Nichts. Zu. Tun!!!! Im Übrigen geht dich nichts an, mit wem ich zusammen bin. Ich misch mich auch nicht in deine Liebesgeschichten ein. Oder habe ich was gesagt, als du in den Ferien mit Prewetts Sohn rumgeknutscht hast? Oder gegen den Typen, mit dem du im Moment spielst?“
„Uri, von mir aus kannst du zusammen sein, mit wem du willst. Der Typ ist mir auf Fabians Beerdigung aufgefallen. Ob du wirklich mit ihm zusammen warst, wusste ich nicht.“
„Okay, ich bin mit ihm zusammen. Und? Ich habe mich schon einmal aus dem Gelände weggeschlichen. Verpetzt du mich jetzt?“
„Warum sollte ich? Solange du dich nicht an die Todesser hängst, kannst du mit sämtlichen Männern in England rummachen.“
„Du bist eine miese Ratte! Du bist erwischt worden und hast mich angeschwärzt! Mach das noch einmal und ich werde richtig böse!“ Sie hob die Hand, doch Rafaela beschwor rechtzeitig einen Schutzschild. Bevor das Duell richtig beginnen konnte, kam Professor Prewett auf den Gang, sodass Uriella sich verzog.

Rafaelas Verdacht gegen ihre Schwester wuchs durch dieses Erlebnis. Außerdem nahm sie sich vor, Regin Okklumantik beizubringen. Es war zu gefährlich, dass jemand ihren Freund ohne weiteres aushorchen konnte.

Rafaela überwand schließlich ihren Stolz und fragte Sirius nach seinen Erfahrungen als Animagus.
„Du willst wohl auch? Na ja, hätte ich mir denken können“, antwortete der mit einem Grinsen. „Hast festgestellt, dass es noch etwas gibt, was du noch nicht kannst. Aber ich geh jede Wette ein, du wirst es auch noch schaffen.“
„Mal sehen. Sag mal, Sirius: Stimmt es, dass man nachher als Halbmensch herumläuft, wenn die Verwandlung danebengeht?“
„Hab ich auch mal gelesen. Denke ich aber nicht. Wir haben uns alle drei, also James, Peter und ich, zunächst in recht seltsame Wesen verwandelt, aber rückverwandeln war nie ein Problem. Ich kann dir nen Tipp geben, wie es bei mir geklappt hat: Denk beim ersten Mal an kein bestimmtes Tier, dann wirst du erst eine Chimäre, also ein Mischwesen. Danach verwandle dich in das Tier, dem die Chimäre am Ähnlichsten sieht. Aber bevor du unter Leute gehst, lass dich von jemand, dem du vertraust, ansehen, ob der Zauber auch gelungen ist! Peter hat als Ratte der Schwanz gefehlt und James ist das Geweih abgefallen beim ersten Mal.“
Rafaela unterließ es, zu fragen oder in seinen Gedanken zu lesen, ob auch ihm ein Missgeschick passiert war. Es könnte immerhin sein, dass sie noch einen Tipp bräuchte; da wollte sie ihn nicht verärgern.

Regin erklärte sich bereit, den Kontrolleur zu machen, wenn sie ihn beim Üben für die Apparierprüfung und beim Beschwören eines Patronus unterstützte. Rafaela hatte zwar schon einmal mit ihrer Mutter und ihrer Schwester geübt, Patroni zu beschwören, war sich aber alles andere als sicher, ob es ihr auch im Ernstfall gelänge.
Als sie mit Regin übte, sah sie allerdings, dass der sich noch schwerer tat. „Was war dein schönstes Erlebnis in letzter Zeit?“, fragte sie ihn. „Denk fest daran!“ Regin biss sich auf die Lippe und Rafaela widerstand der Versuchung, in seine Gedanken einzudringen.
Expecto Patronum!
Bei diesem Versuch kam etwas aus seinem Zauberstab, das schon deutlich die Konturen eines geflügelten Pferdes hatte.
„Süßes Pferd!“, kommentierte Rafaela. „Fast so süß wie du!“ Sie küsste ihn.
Er unterbrach seine Übung, um sie innig zu umarmen. „Ich liebe dich, Rafa!“, hauchte er.
Während sie sich umarmten, erkannte Rafaela unwillkürlich, dass eben sie der Gedanke war, der ihm die Kraft gegeben hatte, einen Patronus herbeizubeschwören.
Schließlich löste sie sich von ihm. „Noch einmal!“ forderte sie ihn auf. Diesmal gelang der Patronus. Ein geflügeltes Pferd flog über die Wiese in Richtung Wald.
Sie küssten sich nochmals, ehe Rafaela ihr Glück versuchte. Auch ohne dass ein Dementor in der Nähe war, nagte der Tod ihrer Eltern und auch Fabians Tod an ihrer Seele. Sie bemühte sich, an nichts anderes als an Regins Liebe zu ihr zu denken und auch ihre eigenen Bedenken wegen dieser Beziehung zu verdrängen. Dennoch brauchte sie drei Versuche, bis ihr ein Patronus, der die Gestalt eines Falken hatte, gelang. Regin gratulierte ihr ebenso wie sie ihm.

Rafaela mied ihre Schwester in den nächsten Wochen, so gut es ging. Sie träumte auch nicht mehr von Uriella und es schien, als ob diese ebenfalls nicht mehr in der Lage sei, den Schutzzauber rings um Hogwarts zu brechen.
Dagegen erschien der junge Mann, der Rafaela an Fabians Beerdigung verfolgt hatte, zweimal im Tagespropheten: Als Verdächtiger wegen Mordes, beim ersten Mal während einer Geburtstagsfeier bei Muggeln, beim zweiten Mal stand er im Verdacht, an der Ermordung von Chrysothemis Moody, der Frau des Aurors, der beim Angriff auf Hogwarts schwer verletzt worden war, beteiligt gewesen zu sein. Während ein Kommentator den Auroren stümperhafte Arbeit vorwarf, war ein anderer der Meinung, der Unbekannte müsse über Zauberkräfte verfügen, die über das Normale hinausgingen. Unter den Schülern wurden beide Theorien heiß diskutiert. Dumbledore erklärte sowohl offiziell gegenüber allen Schülern als auch in einem privaten Gespräch mit Rafaela, er werde sich dazu nicht äußern. Er warnte seine Enkelinnen eindringlich vor eigenen Erkundungsreisen. Rafaela widersetzte sich Ende Februar und musste feststellen, dass sie, egal ob in der Luft oder am Boden, immer wieder an der Grenze der Ländereien zurückgeworfen wurde. Einmal konnte sie sich gerade noch im letzten Moment unsichtbar machen, bevor Professor Flitwick sie erwischt hätte.

Nachdem Rafaela und Regin allmählich den Patronuszauber sicher beherrschten, wollten sie bei ihrem nächsten Hogwarts-Wochenende Anfang März das Apparieren üben. Rafaela hatte Bedenken, dass der Körper sich spalten könnte, doch diesmal war es ausgerechnet das Bild der Mutter, das sie beruhigte: „Wenn du einmal gelernt hast, dich zu konzentrieren und an nichts als dein Ziel denkst, ist Apparieren ein verhältnismäßig einfacher Zauber – einfacher als eine Reihe von Zaubern, die du schon beherrschst“, sagte sie, als Rafaela eines Abends mit ihr sprach.
Tatsächlich gelangen Rafaela die kurzen Strecken, sie am Rand apparieren konnten, ohne aufzufallen, sehr schnell. Als Regin sich schwer tat, forderte sie ihn zur Konzentration auf.
„Ich muss dir etwas gestehen“, sagte sie. „Ich bin Legilementikerin. Ich muss mir momentan richtig Mühe geben, deine Gedanken nicht zu genau zu lesen. Eins habe ich aber gemerkt: In deinem Kopf ist ein Chaos.“
Regin erschrak. „Du...“
Sie hob die Hand zum Schwur: „Ehrensache, dass ich es nicht ausgerechnet gegen dich ausnütze. Aber ich kann es ausnützen, um dir zu helfen. Wenn du nichts dagegen hast, werde ich jetzt kontrollieren, ob es dir gelingt, dich zu konzentrieren. Sag dir leise vor, wohin du apparieren willst. Denk an nichts anderes! Ich werde meinen Daumen heben, wenn ich glaube, dass du soweit bist.“
Regin nickte und begann zu flüstern. „Du denkst, du schaffst es nicht“, tadelte Rafaela sanft. „Du willst hinter diese Eiche und du wirst es auch schaffen!“
Fast zehn Minuten schwitzte Regin, doch Rafaela blieb unbarmherzig, als er sie bat, eine Pause zu machen. „Es wird von Mal zu Mal besser“, sagte sie. „Nur noch einmal, mir zuliebe!“
Aus dem einen Mal wurden drei Mal, doch dann hob Rafaela ihren Daumen. Regin war zunächst verwirrt, sodass sie ihn fast anschrie: „Na los! Hinter die Eiche!“
Als er tatsächlich unverletzt hinter der Eiche auftauchte, jubelte er und rannte mit erhobenen Armen auf sie zu. „Ich hab es geschafft!“

Sie übten noch einige Male und schließlich gelang es ihm, ohne dass sie ihn beobachten musste.
„Du bist nicht nur das bestaussehende Mädchen in Hogwarts, von dir lernt man auch mehr als von allen Lehrern zusammen“, lobte er sie.
„Na, das wahrscheinlich nicht. Aber eines muss ich dir jedenfalls noch beibringen: Okklumantik.“
„Okklumantik? Damit du nicht so leicht meine Gedanken siehst?“
Sie nickte. „Es geht nicht nur um uns, Schatz! Ich bin nicht die einzige Legilementikerin auf der Welt, nicht einmal die einzige in Hogwarts.“
Nun staunte Regin wieder. „Wer noch?“
„Dumbledore und einige Lehrer. Außerdem mindestens meine Schwester und ihr Ex-Freund Severus Snape. Und die könnten durchaus auch Dinge versuchen, herauszubekommen, die verdammt gefährlich sind. Das möchte ich verhindern – dir zuliebe und auch aus Egoismus.“

„Wie funktioniert Okklumantik?“, fragte Regin neugierig. „Ist es schwer?“
„Es ist so schwer oder so leicht, wie es dir im allgemeinen fällt, deine Gedanken zu ordnen“, zitierte sie, was ihre Mutter vor drei Jahren auf eine entsprechende Frage von ihr selbst geantwortet hatte. „Wenn du merkst, dass jemand in deine Gedanken eindringen will, musst du es schaffen, bestimmte Gedanken zu verdrängen.“
„Und woran merke ich das?“
„Zum Beispiel, wenn jemand ‚Legilemens!’ schreit und mit dem Zauberstab auf deinen Kopf zeigt. Das ist das Einfachste und damit fangen wir auch an.“
„So viel weiß ich auch. Aber wenn jemand den Zauber stumm beherrscht?“
„Dann merkst du es daran, dass jemand dich scharf ansieht und du plötzlich das Gefühl hast, dass Erinnerungen in deinem Kopf herumschwirren, ohne, dass du bewusst daran denkst. Es ist nicht so schwer, das zu spüren, aber erst den Anfang!“
„Stimmt es, dass es keinen Zauberspruch für Okklumantik gibt?“
„Aha, du verstehst doch ein bisschen was. Stimmt. Es ist reine Konzentrationssache.“

Wenn sie den Zauberspruch ‚Legilemens!’ laut sagte, konnte Regin tatsächlich schon ziemlich bald blocken – wenn auch nur für kurze Zeit. So entschied sie sich bald, mit ihm bei Spaziergängen oder in der Bibliothek zu üben, wenn er nicht damit rechnete. Hier blieb seine Reaktion bis zu den Osterferien zu langsam. Sirius oder Lily hätten mit Sicherheit längst geblockt, bevor Regin überhaupt etwas merkte.

Ein guter Beobachter und Motivator war er dagegen bei Rafaelas Versuchen, sich in ein Tier zu verwandeln. Schon bald zeigte sich, dass ihre Animagusgestalt ein Falke sein würde – der Name ihrer Großmutter väterlicherseits, Hakwins, auf Spanisch Halcón, unter dem sie auch aufgewachsen war, schien sich auszuwirken. Lange dauerte es jedoch, bis die Flügel keine menschlichen Finger mehr und alle Haare sich in Federn verwandelt hatten. Regin bot ihr eine Wette an, ob ihr die Verwandlung oder ihm die Okklumantik zuerst gelingen würde. Drei Tage vor den Osterferien konnte Regin jedoch keinen Fehler mehr erkennen und Rafaela wagte ihren ersten Rundflug als Falke. Sie stellte fest, dass sie neben der Gestalt auch die Augen eines Raubvogels bekommen hatte und so auch bei Nacht sehen und auf große Entfernung Menschen deutlich erkennen konnte.

Das Quidditchtraining verschob James auf nach die Osterferien, da Gryffindors letztes Spiel erst im Mai stattfinden würde. Kurz vor den Ferien schlug Slytherin Ravenclaw mit 250:180 und James notierte sich die wichtigsten Spielzüge der Blauen.
„Wenn wir keine Dummheiten machen, müssten wir eigentlich gewinnen. Ihre Jäger sind nicht schlecht, aber die ganz tollen Tricks haben sie nicht drauf. Aber du, Rafa, musst dich anstrengen: Cayhook hat gegen Black nur verloren, weil Black den besseren Besen hat.“
„Mein Besen ist nicht schlecht“, war Rafaela optimistisch. Ihr Nimbus 1500 hatte in „Rennbesen im Test“ ähnlich gute Kritiken bekommen wie der Sauberwisch Sechs. Auch wenn sie ansonsten sparsam gelebt hatten, hatten ihre Eltern bei Anschaffungen auf Dauer wie Zauberstab und Besen sehr genau auf Qualität geachtet und ihr und Uriella das Beste gekauft, was auf dem Markt war.

Regin bot Rafaela an, sie am Ostersonntagnachmittag zu sich einzuladen, was sie gerne annahm. Auch ihre Großmutter, die Regin für weit weniger bedenklich hielt als Sirius, hatte nichts dagegen, sofern Rafaela zur Schlafenszeit wieder in Hogwarts sein sollte.
Dennoch fiel es Rafaela und Regin am Mittwochnachmittag schwer, sich für vier Tage zu trennen.

Den Gründonnerstag verbrachte Rafaela damit, als Falke über die Ländereien zu fliegen und nachzusehen, ob sie in dieser Gestalt das Gelände verlassen könnte. Es gelang ihr jedoch auch als Falke nicht; der einzige Vorteil war, dass sie in dieser Gestalt unerkannt blieb.
Die scharfen Augen des Falken nahmen am Abend einen jungen Mann wahr, der mit Hagrid im Wald spazieren ging, aber später am Abend das Gelände wieder verließ. Sie flog ihm hinterher, musste aber mit Bedauern feststellen, dass sie als Falke nicht Gedanken lesen konnte. Gleichzeitig Menschengestalt anzunehmen und sich unsichtbar zu machen traute sie sich nicht zu. So sah sie ihn nur noch in ein Nebenhaus der Drei Besen verschwinden und flog zurück, solange Hagrid noch an der Grenze der Ländereien von Hogwarts stand.

Am folgenden Karfreitag sah Rafaela den Mann wieder und diesmal flog er ihr auf seinem Rennbesen nach. Sie flog schneller und versuchte, in der Luft Haken zu schlagen. Er benutzte seinen Zauberstab zunächst nicht, rief aber bald: „Rafaela, ich empfehle dir, dich freiwillig zu zeigen. Wenn ich dich zwinge, fällst du ziemlich übel!“
Rafaela grinste im Vertrauen auf ihre Fähigkeiten und flog weiter. Wenige Sekunden später traf sie ein Fluch, ihre Flügel verwandelten sich in Arme, aus den Federn wurden Haare, ihre Beine änderten die Form und sie begann zu stürzen. Gerade noch rechtzeitig flog sie in Menschengestalt auf. Sie landete auf einem Ast und richtete die Hand auf den Angreifer, sodass der ebenfalls in der Luft bremsen musste.
„Wer sind Sie?“, schrie sie ihn an.
„Mein Name ist Orestes Moody, Sohn von Alastor und Chrysosthemis, Aurorenanwärter“, antwortete der Mann ruhig. Rafaela sah ihn sich genauer an. Er war mittelgroß und schlank, hatte dunkelblonde Haare und einen Dreitagebart. Sie schätzte ihn nicht auf älter als Mitte Zwanzig.
„Was wollen Sie?“
„Mit Ihnen reden. Es geht um einen gewissen Grendel McEagla.“
„Nie gehört. Und wenn würde ich es Ihnen nicht unbedingt sagen. Beweisen Sie mir erst, dass Sie es ehrlich meinen, Mr. Moody oder wie immer!“
„Wir können uns mit Vornamen anreden, ich bin noch nicht alt. Und was Ehrlichkeit angeht: Du bist Legilementikerin, ich bin Legilementiker. Wir können uns nicht anlügen.“
„Man kann Okklumantik anwenden.“
„Was ein guter Legilementiker – und Albus Dumbledore hat meinem Vater gesagt, du seiest gut – allerdings merkt. Also versuchen wir es gar nicht! Meine Gedanken stehen dir offen, wenn du bezweifelst, wer ich bin.“
Rafaela nahm die Einladung an und erkannte, dass er es ehrlich meinte. Sie stellte auch fest, dass er mit Uriella bisher nicht gesprochen, aber einiges von ihrem Großvater über sie gehört hatte. Auch bekam sie ohne zu fragen mit, dass Vater und Sohn Moody die offizielle Version der Geschehnisse an Fabian Prewetts Beerdigung nie geglaubt hatten und ihr Großvater schließlich Orestes’ Vater die Wahrheit gesagt hatte.
„Beileid wegen deiner Mutter“, sagte sie.
„Danke!“ Er schluckte, um nicht weinen zu müssen. „Und der Tod meiner Mutter ist der Grund, warum ich nach McEagla suche. Ich will nicht, dass sie umsonst gestorben ist. Und das wäre auch ihr selbst nicht Recht. – Rafaela, ich muss wissen, was über diesen Mann bekannt war. Er soll kein guter Zauberer gewesen sein, aber dennoch ist er dem Ministerium mehrmals entkommen. Er muss Fähigkeiten besitzen, die über das Normale hinausgehen.“

Rafaela berichtete von ihrer Flucht nach Fabians Beerdigung. „Er scheint also Unsichtbares sehen und schneller laufen zu können als ein normaler Mensch“, schloss sie.
„Du hast ihn vorher schon im Traum gesehen“, stellte er fest, ohne dass sie es ihm sagen musste. „Ist dir etwas an ihm aufgefallen?“
„Warum?“
„Mein Vater vermutet, dass er ein Medaillon oder sonst etwas besitzt, das die Kraft seines Trägers verstärkt.“
Rafaela dachte angestrengt nach, schüttelte jedoch den Kopf. „Ich kann es noch einmal versuchen, aber bisher ist es mir nicht gelungen, in meinen Träumen zu erkennen, was meine Schwester und er gesprochen haben – und ich merke nur, wenn sie etwas tut, nicht bei einem anderen – und auch bei ihr nicht immer.“
„Hast du irgendwann in letzter Zeit von ihr geträumt?“
Sie überlegte kurz, verneinte aber entschieden.
„Siehst du irgendeine Möglichkeit, deine Schwester zu belauschen?“
Rafaela überlegte. Uriella wusste, dass sie sich unsichtbar machen konnte und war darauf eingestellt. Falls sie überhaupt auf dem Schulgelände mit jemandem ernsthaft über ihre Kontakte zu den Todessern sprach, würde sie vermutlich ihre Umgebung mit dem Homenum Revelio kontrollieren.
„Ich habe eine geringe Chance“, fiel ihr ein. „Vielleicht weiß sie nicht, dass ich Animaga bin. Als Falke sehe ich außerdem weiter als als Mensch.“
„Würdest du es versuchen – für mich? – Ich weiß, dass sie gefährlich ist.“
„Gegen die Todesser zu kämpfen ist gefährlich. Und ich fürchte, dazu gehört, gegen meine Schwester zu kämpfen.“
„Wenn du etwas erfährst, kannst du mir eine Eule schicken oder – halt, nicht dass jemand die Eule abfängt!“ Er zog ein magisches Bild von sich aus der Tasche. „Hier! Das Bild kann dir sagen, wo ich bin. Wenn du auch eines von dir machen lässt, können wir uns spontan treffen. Aber verzaubere das Bild, damit es niemand sieht!“
„Aber gern – aber wie kommen wir durch die Grenzlinie?“
„Ich habe mit Hagrid gesprochen, dem Wildhüter. Es ist im Sinn des Ordens, da hat er Verständnis. Wenn ich ihn bitte, wird er auch dir das Passwort sagen – es wechselt allerdings immer wieder.“
Rafaela hatte Hagrid bisher immer etwas unheimlich gefunden, doch Orestes beruhigte sie: „Hagrid ist in Ordnung. Bisschen chaotisch, aber nett und vollkommen auf unserer Seite.“

Sie unterhielten sich noch einige Zeit, ehe Orestes sich verabschiedete und Rafaela sich auf der Suche nach ihrer Schwester machte. Der Ehrgeiz, etwas für die gute Sache zu tun, siegte über ihre Bedenken; außerdem hoffte sie, Orestes wiederzusehen – nicht, dass sie Regin seinetwegen verlassen wollte, aber...
Sie sah in den nächsten Tagen Uriella öfter zusammen mit Severus, doch die beiden waren augenscheinlich kein Paar mehr. Sie unterhielten sich über ein Gegenmittel gegen Veritasserum. Beide wälzten Bücher in der Bibliothek und probierten aus. Rafaela wusste nicht, ob dies mit einem geplanten Verbrechen zu tun hatte, doch allein aus eigenem Interesse hörte sie zu: Was Tränke anging, konnte sie von Severus noch viel lernen.
Am Sonntag berichtete sie Orestes, ehe sie per Flohpulver zu Regin reiste. Dessen Familie, seine Eltern und sein älterer Bruder Widulf, schienen sie zu mögen. Gemeinsam mit Regin apparierte sie auf eine Felseninsel, wo sie spazieren gingen und Rafaela versuchte, abzuschalten.