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Burnout: Modeerscheinung oder ernstzunehmende Gefahr ?

Wehwalt
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Beitragvon Wehwalt » Sa 26 Nov, 2011 16:00

Serena hat geschrieben:Übrigens meiner Meinung nach auch zurückzuführen auf die Überbevölkerung. Aber das ist ne andere Geschichte.
Nein! Es ist in mehrfacher Hinsicht "die gleiche Geschichte".
Erstens ganz direkt - wenn alles zersiedelt ist und nirgends mehr ein Fleckchen Natur, wo man halt mal auch eine Weile gar niemanden trifft, hat man auch weniger Rückzugsmöglichkeiten vom ständigen "Ausbrennen".
Zum zweiten, weil diesen Effekt ja um so mehr die Elenden dieser Erde in den noch geburtenstärkeren Ländern spüren - und in ihrer Verzweiflung jeden sich bietenden Strohhalm ergreifen, zum Beispiel den, der ihnen von hier aus entgegengestreckt wird: Unsere Streikbrecherarmeen zu verstärken. Und mit diesen Konkurrenten im Rücken wird eben uns hier auch die Luft zun Atmen fast weggepreßt ...

Und das erstreckt sich dann tatsächlich vom Arbeitsleben auch auf den ganzen Ausbildungssektor und die Schule. Ich kriege ja ganz leicht mit, was das heutige Studieren für eine Rennerei um "Credits" ist. Anwesenheitspflichten, ständige Semesterabschlüsse - eben wie das die Lú beschrieben hat. Da war mein Studium einfach noch idyllisch dagegen: Völlige Freiheit der Fächerwahl; keine Prüfungen außer eben Vor- und Hauptdiplom; Scheinanforderungen, die man einfach bei konzentriertem Arbeiten fast automatisch um 100% überschritten hat ... Und auch mal Zeit, was ganz Fachfremdes zu machen: Meine Güte, es ist Universität, keine Berufsschule. (Ich habe zum Beispiel auch mal ein Semester lang eine Vorlesung in Musikwissenschaft oder in Zoologie verfolgt.)

Aber, liebe Melissa, jetzt einfach zu sagen: "vielleicht" ists nur bei mir so, weil sie gerade da irgendwelche Curricula umgestellt haben; "vielleicht" bin ich am Ende doch selber schuld, und "vielleicht" sollte ich mich nicht beschweren ... das hilft auch nicht weiter. Ich finde diesen Thread nützlich, daß man mal ein bißchen allgemeiner sieht, wie es anderen geht - dann wird einem auch die Gezieltheit und das Überindividuelle leichter klar.
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Beitragvon Dark Lúthien » So 27 Nov, 2011 10:19

Nunjah Zweifel an der eigenen Person hat man schon. Wenn man sieht, dass eine Kommilitonin, Tochter eines Professors, einen Einser-Schnitt hat, fragt man sich halt schon, wie sie das hinbekommt *seufz* Ich find es irgendwie einfach schade wie dieser extreme Konkurrenzkampf zunimmt. Ich persönlich empfinde dieses "Credit sammeln und jedes Fach bestehen MÜSSEN" als eine extrem große Belastung. Und was mich total nervt ist, dass wenn der Druck richtig groß wird, ich ständig Sachen/Gedanken/Gehörtes/Gelesenes vergesse. Ich kann mich dann nicht mehr dran erinnern. Das ist so frustrierend zum sechsten Mal die gleiche Seite im Skript zu lesen und sich nicht daran erinnern zu können -.-" Natürlich sucht man sich Strategien aus, schreibt sich alles auf einen Block oder Kärtchen. Aber wenn man sich nicht dran erinnern kann, dass man das schonmal gemacht hat, ist das echt ärgerlich :x Von daher frage ich mich halt, wie viel von mir selber ausgeht, dass ich das Studium teilweise als Qual empfinde. Irgendwie fängt man ja halt an bei sich zu suchen...
Zuletzt geändert von Dark Lúthien am So 27 Nov, 2011 15:49, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Wehwalt » So 27 Nov, 2011 11:37

Ach, und ich hatte schon wieder vergessen, daß Du ja Legasthenikerin bist ... :D aber bei Deinem Ausdruck machst Du es einem auch schwer, so etwas zu behalten! (Wohingegen ich mich beim Harrik immer wieder ganz vorzüglich daran erinnern kann ...)

Natürlich gibt es diesen Satz meines Lateinlehrers: "Was einer kann, können alle können" - aber Du tust ja tapfer, was möglich ist. Es wäre schon möglich, Ausbildung und Berufswelt so zu organisieren, daß sie jemandem mit Deinem Ehrgeiz und Durchsetzungswillen, aber auch den vorhandenen Defiziten, Erfolg garantieren UND Luft zum Atmen ließe.
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Beitragvon Amalthea Pan » So 27 Nov, 2011 11:51

Die ganzen Punkte, die Tony am Anfang aufgezählt hat, kommen mir seit über einem halben Jahr auch leider sehr bekannt vor. Gerade die Stimmungsschwankungen und die fehlende Motivationslust. Ich bin in meiner Uni nicht so eingespannt wie Lúthien, aber der Erfolgsdruck ist enorm, gerade durch die große, zum Teil sehr gute Konkurrenz. Und da fragt man sich, warum man scheinbar die einzige ist, die irgendwie daran verzweifelt. Meine Kreativität geht flöten, während die anderen scheinbar mühelos weitermachen. Das nagt ganz schön am Selbstwertgefühl. Und wenn ich sowieso denke, dass ich nichts Anständiges mehr auf die Reihe bekomme, fehlt mir auch das „Feuer“ weiter zu machen. Es wird einem natürlich ständig eingetrichtert, wie hoch die Konkurrenz ist und das man sich ständig behaupten sollte, wenn man nicht untergehen will. Mittlerweile habe ich ständig
Zeichenblockaden, die meine Stimmung nicht gerade heben. Vor einiger Zeit, Anfang der Vorlesungsfreien Zeit, hatte ich das Gefühl in ein Loch zu fallen. Zwischendurch dachte ich, dass sich alles wieder eingerenkt hätte, aber irgendwie läuft es immer noch nicht. Auf Dauer macht das einfach fertig. Auch das Problem, dass man einfach keine Grenze zwischen „Arbeitszeit“ und Freizeit ziehen kann, ist einfach zermürbend.
Zum Glück habe ich in meinem Studiengang nichts mehr mit Mathe zu tun, ich habe nämlich eine Dyskalkulie, also Matheschwäche. Früher in der Schule war das auch die Hölle. Es nervt aber auch bei der Nebenjob Suche. Ich kann unter Druck überhaupt nicht mit Geld umgehen, das würde jedes Mal in einem Desaster enden.
Also ich denke, dass das so genannte Burn out schon lange existiert, aber bei den heutigen Leistungsansprüchen steigt die Chance erheblich irgendwann darunter einzubrechen. Wenn man bedenkt, was in den Schulen mittlerweile alles verlangt wird und wie viele (junge) Schüler schon unter Depressionen leiden, weil sie einfach keine Freizeit mehr haben.
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Beitragvon Serena » So 27 Nov, 2011 12:50

Ja bei Lú fällt die Legasthenie nicht so sehr auf, wie beim Harrik. ;)
Und auch bei der Dyskalkulie gibt es große Unterschiede. Auch ich bin ja Dyskalkulikerin - bist nicht allein, Amalthea. ;)
Ich frage mich momentan, ob es einen Zusammenhang zwischen Lernschwächen und psychischen Erkrankungen gibt.
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Beitragvon Dark Lúthien » So 27 Nov, 2011 14:58

Ich möchte es den Mitmenschen so angenehm wie möglich machen und lese daher meine Posts auch zig mal durch bevor ich sie poste. Und wenn ich danach noch Fehler entdecke, dann editier ich sie ;) Ich möchte ja auch was draus lernen und schlage bei Wörtern eben dann mal nach wenn ich mir nicht sicher bin. Das hilft mir selbst wiederum ja auch. Und ich selbst mag einen Beitrag, der nur so vor Fehlern strotzt, nicht lesen. Ich finde es schwierig sowas dann zu lesen und habe dann oft auch keine Lust zu antworten. Und man kann sich schon die Mühe machen, einfach nochmal drüberzulesen.
Zuletzt geändert von Dark Lúthien am So 27 Nov, 2011 15:48, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Wehwalt » So 27 Nov, 2011 15:19

Das ist ja auch blöd, mit diesem entweder-oder.

Aber ein kleines bißchen sind wir von der Intension des Threads abgewichen. Denn wahrscheinlich trifft so etwas wie Burn-Out auch Menschen, die eigentlich gar keine besondere Anlage zu Neurasthenie oder Depressionen haben - auch wenn ich annehme, daß da der Übergang fließend ist.
Ich will nicht sagen, daß Lús Beiträge hier nicht paßten; beruflicher oder Studien-Streß wird wahrscheinlich immer an den vorhandenen Schwächen andocken und sie steigern. Aber ich könnte mir vorstellen, daß Tony mit dem Thread auch auf Leute ganz ohne pathologische Anlage abzielte.
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Beitragvon Dark Lúthien » So 27 Nov, 2011 15:28

Vielleicht sind ja gerade diese Leute, die keine Defizite haben, "härter" davon betroffen, da sie nicht wissen wo sie sich zum Beispiel Hilfe holen könnten. Wenn man genau weiß "ich habe Legasthenie/Dyskalkulie" dann kann man sich an eine bestimmte Einrichtung wenden. Wenn man jedoch einfach "ausbrennt" hat man ja keine bestimmten Anhaltspunkte bis auf die Anzeichen, die Tony gepostet hat. Diese sind aber Symptome für alles mögliche, eine einfache Erkältung, Übermüdung etc. Diese Menschen kriegen beim Arzt dann gesagt, sie sollen den Stress verringern. Und das war's dann.