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"Warum liest man das?"

Mahogany
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"Warum liest man das?"

Beitragvon Mahogany » Mo 05 Mär, 2012 19:43

... lautete die Frage, die mir neulich von einer Lektorin gestellt wurde, als ich mein Interesse an Dystopien* bekundete. Ich bezog mich dabei weniger auf die "Tribute von Panem" (die ich (noch) nicht gelesen habe), sondern auf Glukhovskys "Metro"-Universum, das man ebenfalls als Dystopie bezeichnen kann.

Die Frage, die ich hiermit an euch weitergeben will, zielt also jetzt weniger auf das Besondere in den "Panem"-Romanen ab, klammert diesen Bereich jedoch nicht aus. Es geht eher darum, was denn nun genau an einer grausamen, düsteren Zukunftsvision so ansprechend ist, dass der geneigte Leser im Buchladen zu ebenjenem Werk greift und sich sagt: "Ui, das klingt ja spitze, das möchte ich lesen!". Was - so die Fragestellung der Lektorin - könne an einer düsteren Zukunftsvision den Charme ausmachen? Warum liest - was sage ich? verschlingt - man solche Büchr geradezu in einem Atemzug, obwohl eigentlich keine "schöne" Geschichte erzählt wird? Ist das eine spezielle Form von Eskapismus, und man ist im Grunde genommen froh, nicht in der geschilderten Welt zu leben? Hat die Lektüre als einen gewissen kathartischen Effekt?

Ich muss gestehen, mir ist da spontan keine wirklich gute Antwort eingefallen. Wie siehts bei euch aus?


Anm.: Vielleicht ist das Thema ZU allgemein für's "Panem"-Forum und gehört eher in den Fantasy-Allgemein-Bereich? Dann möge ein Mod einschreiten und diesen Thread verschieben; ich stellte den Zusammenhang zwischen meiner Fragestellung und dem Dystopie-Genre her...


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* Dystopie: auch Anti-Utopie; eine meist in der Zukunft spielende Geschichte, in der sich das Leben der Protagonisten zum Negativen entwickelt und die oftmals keinen guten Ausgang nimmt. Bekannte moderne Dystopien, neben den "Tributen von Panem", sind beispielsweise "V wie Vendetta", "Metropolis", "Die Gelehrtenrepublk", "Fahrenheit 451", "Clockwork Orange", "Brazil", "1984" und und und - meine lückenhafte Aufzählung, quer durch alle Medien, sollte in etwa aufzeigen, in welche Richtung das Genre geht.
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Victor Krum
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Beitragvon Victor Krum » Di 06 Mär, 2012 18:23

Ich würde dafür erst mal eine andere Frage stellen: wieso schreibt man das eigentlich?

Dystopien bieten natürlich eine schöne Möglichkeit zur Gesellschaftskritik. Man kann sich bestimmte Entwicklungen herauspicken und fortführen, bis daraus der dystopische Zustand der Welt entsteht. Das ist ja auch bei Tribute von Panem so, wo Reality TV und Live-Kriegsberichterstattung Suzanne Collins die Idee gegeben haben, so eine Welt zu konstruieren. Außerdem hat die Dystopie Vorteile gegenüber einer Utopie - während die Utopie oft zu einem sehr handlungsarmen Reisebericht wird, hat die Dystopie quasi schon als Genre-Standard einen Grundkonflikt zwischen Protagonist und Staat gegeben, auf dem man aufbauen kann.

Deshalb sind denke ich Dystopien auch grundsätzlich für Leser schon mal nicht uninteressant - auch wenn sie nicht so oft ein Happy End haben, ist doch der Kampf des Einzelnen gegen das System doch immer wieder spannend zu lesen. Ich denke, die Faszination liegt also weniger in der negativen Welt an sich sondern daran, dass sich jemand dagegen wehrt. Mit den Helden kann man sich relativ leicht identifizieren, wenn man nachvollziehen kann, wieso sie sich gegen die Zustände wehren - das stellt schon mal eine erste Verbindung zwischen Leser und Protagonist her. Eine Katharsis sehe ich da eher weniger.
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Luna1977
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Beitragvon Luna1977 » Sa 17 Mär, 2012 22:20

Ich habe die Bücher gelesen weil mich interessiert hat wie viele Parallelen es zu unserer realen Welt gibt. Diesbezüglich hatte ich in einem anderen Tread schon was geschrieben. In jeder Geschichte gibt es doch einen Helden der sich gegen das System stellt oder wer auch immer der Gegner sein mag. Ein Wunder das Katniss überhaupt so lange überlebt, was man vieleicht auch als unrealistisch sehen kann, sich gegen das System zu stellen ist gar nicht so einfach.
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Beitragvon ~Alice~ » Mo 19 Mär, 2012 16:57

Ich habe mit den Büchern recht spät angefangen und sie mir dann zu Weihnachten gewünscht. Viele bzw. jeder, den ich gefragt hatte, sagte mir, dass diese Bücher einfach super seien, aber gereizt hatten sie mich trotzdem nicht, was vielleicht daran liegt, dass ich Bücher nicht gerne im Präsens lese und mich das etwas davon abgehalten hat.
Wie gesagt habe ich sie zu Weihnachten bekommen und mit ihnen angefangen. Nach einigen Seiten fand ich das Buch zwar gut, aber nicht umwerfend, aber trotzdem konnte ich nicht aufhören zu lesen, denn irgendwie war es doch mehr als nur gut. Innerhalb weniger Tage war die Trilogie auch"verschlungen" ;) Mich hat einfach das Schicksal von Katniss gefesselt und mir hat es auch gefallen, dass in jedem Buch etwas nicht gut ausgegangen ist. Wirklich... Sie sind sehr lesenswert :)
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Dark Lúthien
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Beitragvon Dark Lúthien » Di 20 Mär, 2012 15:28

Also der Reiz ist für mich der Konflikt, das muss in erster Linie noch nicht einmal was mit einer Dystopie selbst zu tun haben bzw. sich nur auf ein Genre beziehen. Eigentlich kommen Konflikte ja überall in der Literatur vor. Politische, soziale, kulturelle oder auch emotionale usw. in allen Genre.

Für mich ist es eigentlich keine Flucht von dieser Realität in eine Scheinwelt - und umgekehrt -, sondern eher die Erfahrung wie gehen die Figuren - und seien sie eben noch so fiktiv - mit einem bestimmten Konflikt um. Wie verhalten sie sich? Wie weit müssen sie gehen, um etwas zu erreichen? Wie viel müssen sie opfern?

Und gerade die Dystopien bieten sehr viel Diskussionsstoff, um die - wie Vic schon gesagt hat - Gesellschaft oder auch einfach die menschlichen Eigenschaften zu kritisieren. Für mich persönlich wäre ein Utopia einfach sehr merkwürdig und unrealistisch, solange Menschen mit einbezogen werden. Eine natürliche Harmonie gibt es meiner Meinung nach nur im Tier/Pflanzenreich, aber sobald der Mensch - oder ein Individuum mit menschlichen Grundzügen - mit eingebracht wird, kann es meiner Meinung nach kein Utopia geben. Dafür gibt es einfach zu viele Meinungsverschiedenheiten... Und daher wäre ich tatsächlich einem Roman mit einer Utopie als Grundlage sehr skeptisch gegenüber. Ich würde es aber lesen, wenn sich ein Konflikt ereignen würde bzw. wenn die Vision der Gesellschaftsform interessant ist. Denn Utopien - oh ich hab bisschen gelesen - sind nicht nur wunderschöne Welten :lol: Ich glaube da liegt auch der Punkt, dass Utopien im heutigen Sprachgebrauch nicht als Synonym für die Zukunftsvisionen der Gesellschaftsformen, als viel mehr als Synonym für wundertolle Welten mit Bunt und Glitzer und Friede-Freude-Eierkuchen gebraucht wird.

Trever97
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Beitragvon Trever97 » So 06 Mai, 2012 22:17

Mich fesseln solche Bücher vorallem, weil mich das Schicksal der Charaktere interessiert. Ich überlege dabei meistens, wie ich mich in den Situationen verhalten würde oder wie ich mich in der Welt schlagen würde. Auch denke ich mir dabei weitere Senarien von der Geschichte, von dessen Vergangenheit oder Zukunft aus. Manchmal auch ganz neue Geschichten pder Welten - Schade das ich nicht so gut in Texten formulieren bin^^ Mich reizen diese Bücher am meisten, da ich meiner Phantasie freien lauf lassen kann.

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Beitragvon Dark Lúthien » Mi 09 Mai, 2012 23:24

Dark Lúthien hat geschrieben:Für mich persönlich wäre ein Utopia einfach sehr merkwürdig und unrealistisch, solange Menschen mit einbezogen werden.

:hm: Also ich würd jetzt nicht sagen, dass ich plötzlich den Durchblick hab, aber die Geschichten, die ich jetzt gelesen habe, sind gar nicht so abwegig bzw. unrealistisch wie ich es gesagt/empfunden habe. Trotzdem liest es sich irgendwie anders.. wobei da auch schon ziemlich vom Leder gezogen wird, was die Gesellschaftskritik betrifft. Aber ich kann es wirklich nicht 'definieren', wieso es sich anders liest o.O" Die Geschichten sind nicht unvollständig, aber sie sind anders.

Der Markt für utopische Literatur ist glaube ich nicht unbedingt so groß und hat sich wohl auch nicht sonderlich weiterentwickelt. Ich denke, dass viele utopische Werke aus früheren Zeiten sind und daher vom Stil auch noch total anders. Das ist ja wie mit den ganzen 'alten' Science Fiction Geschichten, die sind auch vom Stil anders. Ich glaube sogar, dass es für Autoren einfacher ist eine Dystopie zu entwerfen, weil sie dann nicht arg viel Ideen in die Regierung, Gesellschaftsform etc. stecken müssen.

Jeder Mensch weiß in was für einer Welt wir leben, wie Kriege geführt werden , Umweltkatastrophen passieren etc. Und dadurch müssen die Autoren auch nicht sonderlich viel erklären, das heißt die Basis, um in solche dystopischen Szenarien 'miteinsteigen' zu können als Leser, ist einfacher, als wenn eine Utopie geschildert wird und man sich fragt "Wie kam es dazu?". In TvP ist ja kaum was bekannt über diese Mega-Katastrophe, aber jeder nimmt es hin, dass es sie gab. Einfach weil es bekannt ist, weil es real ist und so auch schon passiert ist, während man Utopien hinterfragt. Hört sich vielleicht blöd an, aber würde ich die Begriffe im Film-Bereich ansiedeln, würde ich sagen, dass Dystopien so die Action-Filme und die Utopien eher Avantgardefilme wären (meiner Meinung nach :lol:)

Aber was ich mich gefragt habe, was ist zum Beispiel mit dem Film "Minority Report" Utopie - Dystopie? Ein Mix aus beidem? Eigentlich startet der Film ja als Utopie, alle Mörder werden bevor der Mord passiert festgenommen. Also eigentlich alles toll, aber die ganze Überwachung hat ja auch ihren Preis. Und dann plötzlich kippt das ganze Gebilde und verändert sich. Was ich eigentlich interessant finde ist, dass nicht die Präkognition hinterfragt wird (denn immerhin ermöglicht diese ja erst diesen 'utopischen' Zustand) sondern eben die Überwachung (also was der Mensch damit anstellt) kritisiert wird.

Aber ich komme vom Thema ab und eigentlich ist der ganze Beitrag Thema verfehlt :lol:

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