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[HP] Das schwarze Schaf der Familie

Krone
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Beitragvon Krone » So 02 Apr, 2006 11:46

Schöner neuer Teil, ich bin gespannt wie es weitergeht, du schreibst wirklich toll und schön fließend :)
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Shiver
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Kapitel 7

Beitragvon Shiver » Di 04 Apr, 2006 12:20

Der Umhang




Blitzschnell versteckte Maia den alten Umhang unter ihrem eigenen und drehte sich erschrocken in die Richtung, aus der sie die Stimme gehört hatte. Unsicher, was jetzt passieren würde, blickte sie in die sanften Augen von Albus Dumbledore. Als er ihre Angst erkannte, lächelte er freundlich und schickte Maia in ihre Klasse zurück. Den Umhang noch immer versteckt haltend, folgte sie dem Schulleiter.

Als Dumbledore außer Sicht- und vor allem Hörweite war, atmete Maia einmal erleichtert durch. Sie wollte gar nicht wissen, was passiert wäre, wenn nicht er, sondern Snape sie auf dem Turm erwischt hätte. Nachdem sie sich noch einmal versichert hatte, dass wirklich niemand in der Nähe war, holte sie den alten Umhang wieder hervor. Das Ding musste mindestens zehn Jahre alt sein. Aber warum sollte jemand einen alten Umhang verstecken? Und warum hatte Maia plötzlich das Gefühl, dass dieser Umhang etwas mit der Tatsache zu tun hatte, dann Snape sie absolut nicht leiden konnte?

„Maia, wo warst du denn die ganze Zeit? Du hast den ganzen spannenden Unterricht verpasst!“ Die Ironie in Sam‘s Stimme war nicht zu überhören. Sofort versteckte Maia den Umhang wieder. Sie wollte erst alleine versuchen, etwas darüber herauszufinden, was es damit auf sich hatte. Und sie musste ihn so schnell wie möglich wieder auf den Turm schaffen, bevor jemand merkte, dass sie ihn mitgenommen hatte.

„Sam, könntest du bitte meine Sachen in McGonagall‘s Klasse mitnehmen?“, fragte Maia hastig ihre Freundin. „Ich muss noch schnell was erledigen!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, lief Maia wieder Richtung Turm. Immer wieder kontrollierte sie, ob von dem Umhang auch nichts zu sehen war, wenn sie an anderen Schülern oder Lehrern vorbeilief.

„Miss Tennon, sollten Sie nicht in die andere Richtung laufen, wenn Sie nicht zu spät zu meinem Unterricht kommen wollen?“ Die strenge Stimme von Minerva McGonagall ließ Maia so abrupt stehen bleiben, dass sie beinahe hingefallen wäre.


* * * * *


Es fiel Severus sehr schwer, die Augen zu öffnen. Die ganze Nacht hatte er sich mit dem Gedanken an Lania im Bett herumgewälzt. Schlaf hatte er nicht viel bekommen. Ständig hatte er Lania‘s Gesicht vor den Augen gehabt. Schließlich entschloss er sich doch dazu, aus dem Bett zu klettern und in die große Halle zu gehen, um etwas zu essen.

Die Halle war schon beinahe leer, nur wenige ältere Schüler, die an diesem Morgen keinen Unterricht hatte, saßen verstreut an den vier langen Tischen. Severus war erleichtert, nach dieser Nacht Maia nicht sehen zu müssen. Auch dass Dumbledore die Halle bereits verlassen hatte, war ihm nur Recht. Albus hätte ihm bestimmt angemerkt, dass etwas mit ihm nicht in Ordnung war, und hätte ihn mit Sicherheit darauf angesprochen. Und darauf konnte Severus getrost verzichten.

Beinahe zu spät, aber dennoch langsam, stand Severus auf und machte sich auf den Weg in den Kerker, wo die Schüler wohl schon auf ihn warten würden. Er wusste nicht, wie er diese Doppelstunde überstehen sollte. Er wollte einfach nur seine Ruhe haben, und so war er mehr als erleichtert, als nach zwei viel zu langen Stunden die Schüler aus dem Klassenraum eilten und ihn alleine zurückließen.

Kurz überlegte Severus, ob er sich wieder ins Bett legen sollte, entschied sich aber doch dagegen, da er sonst mit Sicherheit wieder von Lania geträumt hätte. Und das war das Letzte, das er sich gewünscht hätte. Außerdem konnte er im wachen Zustand wenigstens versuchen, sich von dem Gedanken abzulenken. Im Traum wäre er der Erinnerung ausgeliefert.

Severus musste raus. Er musste seinen Kopf frei bekommen, bevor die nächste Horde unwissender Schüler in seinen Kerker strömte. Er hielt es einfach nicht mehr aus, in diesem Raum, in dem vor beinahe zwölf Jahren alles begann ...


* * * * *


Maia hatte es noch immer nicht geschafft, den alten Umhang dorthin zurückzubringen, wo sie ihn gefunden hatte. Langsam wurde sie nervös. Sie war sich absolut sicher, dass Snape es war, der ihn in diese kleine Nische in der Mauer des Turms gelegt hatte. Und sie konnte sich auch ausmalen, was wohl mit ihr geschehen würde, wenn er erfuhr, dass sie ihn entdeckt und mitgenommen hatte. Sie musste einfach so schnell wie möglich wieder auf den Turm und den Umhang zurücklegen!

„Wohin willst du?“, fragte Sam, als Maia, unmittelbar nachdem sie aufgegessen hatte, aufstand. „Kann ich mitkommen?“ „Nein, ich bin gleich wieder da“, antwortete Maia möglichst ruhig, aber sie wusste, dass ihr wohl jeder ihre Nervosität anmerken musste. Nun, jeder außer Sam.

„Ich hab nur was vergessen!“, ergänzte Maia, als sie aus der Halle lief. Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, holte Maia den Umhang wieder hervor. Sie wollte ihn sich noch einmal genau ansehen, bevor sie ihn an seinen Platz zurücklegte. Aber sie fand keinen Hinweis darauf, wem er gehört hatte oder warum Snape ihn versteckte. Es war einfach nur ein alter Umhang.

Als Maia feststellte, dass sie nicht mehr allzu viel Zeit hatte, bevor sie wieder zum Unterricht musste, lief sie so schnell sie konnte zu dem Turm. Glücklicherweise waren noch alle in der großen Halle beim Mittagessen, sodass sie niemandem erklären musste, wohin sie lief oder was sie vorhatte.

„Maia! Wohin denn so eilig?“ Nun ja, fast alle waren noch in der großen Halle. „Hallo, Oliver!“, antwortete Maia. „Ich muss nur kurz was erledigen.“ „Oh, hast du was dagegen, wenn ich dich begleite?“, fragte der junge Gryffindor hoffnungsvoll. „Um ehrlich zu sein, ja. Es ist wohl besser, wenn ich das alleine mache.“ Oliver schien über diese Antwort nicht sehr erfreut zu sein, obwohl Maia versuchte, die Worte so entschuldigend wie nur möglich zu sprechen. Sie sah ihm nach, als er sich enttäuscht umdrehte und wegging. Am liebsten wäre sie ihm nachgelaufen, aber dazu hatte sie keine Zeit. Und außerdem hätte sie ihm dann auch erklären müssen, was sie erledigen wollte.

So lief sie weiter in Richtung Turm. Am Fuße der Treppen blieb sie noch einmal stehen und atmete tief durch. Wenn jetzt irgendjemand sie sehen oder ihr gar entgegenkommen würde, hätte sie keine andere Wahl. Sie würde Erklären müssen, dass sie am Morgen schon einmal hier gewesen war und diesen Umhang gefunden und mitgenommen hatte. Sie konnte nur hoffen, dass sie ungesehen blieb!


* * * * *


Nachdem Severus nun auch diese Stunde mit seiner Meinung nach absolut untalentierten Schülern überstanden hatte, machte er sich auf den Weg in die große Halle. Als er allerdings vor der Tür stand und die Stimmen und das Lachen der bereits anwesenden Schüler hörte, wusste er, dass er das nicht aushalten würde und da er auch keinen großen Hunger hatte, entschied er sich dazu, das Mittagessen ausfallen zu lassen. In den Kerker wollte er jedoch auch nicht zurückgehen. Dort war es momentan noch schlimmer für ihn. So beschloss er, an den einzigen Ort zu gehen, an dem er sich zur Zeit wohl fühlte.

„Mr. Wood, es wäre vielleicht von Vorteil, wenn Sie darauf achten würden, wohin Sie laufen! Zehn Punkte von Gryffindor!“ „Aber, Professor Snape, ich habe doch gar nichts...“, protestierte Oliver, doch Severus ließ ihn nicht ausreden: „Noch einmal fünf Punkte! Und jetzt sollten Sie besser gehen, bevor Sie Ihr Haus noch mehr blamieren!“ Er war dankbar für diesen kleinen Zwischenfall und die dadurch entstandene kurze Ablenkung. Er blieb kurz stehen und sah Oliver nach, der sich noch einmal zu ihm umdrehte und dabei beinahe über seine eigenen Beine gestolpert wäre.

Severus ging weiter Richtung Turm. Langsam stieg er Stufe für Stufe nach oben. Unzählige Male war er vor Jahren diese Treppen nach oben gelaufen. Er wusste nicht einmal mehr, warum sie damals diesen Turm für ihre Treffen ausgewählt hatten. Vielleicht wäre alles anders geworden, wenn sie sich einen anderen Ort ausgesucht hätten. Vermutlich wäre Lania ...

Nein, daran wollte er nicht denken. Er war hierher gekommen, um sich an die schöne Zeit mit ihr zu erinnern, nicht daran, was ihm Schmerzen bereitete. Seine Schritte wurden immer langsamer, als er sich den letzten Stufen näherte. Kurz bevor er oben ankam, hielt er inne. Jemand war hier oben, er konnte diese Person atmen hören.


* * * * *


Am Morgen war Maia der Turm gar nicht so hoch vorgekommen. Jetzt schien der Weg nach oben beinahe endlos zu sein. Vermutlich lag es daran, dass Maia bei jedem Schritt hoffte, unentdeckt zu bleiben. Sie war mehr als erleichtert, als sie oben angekommen war.

Sie holte den Umhang, den sie bei ihrer Begegnung mit Oliver hastig wieder unter ihrer Kleidung versteckt hatte, erneut hervor. Noch einmal untersuchte sie ihn genau, um vielleicht doch noch einen Hinweis darauf zu erhalten, wem er einst gehört hatte. Doch sie konnte wieder nichts finden. Auch in der Nische, in der er gelegen hatte, befand sich absolut nichts.

Maia seufzte, als sie den Umhang sorgfältig zusammenlegte und wieder in der Nische versteckte. Sie hatte gehofft, wenigstens irgendetwas interessantes zu finden, dafür, dass sie die Gefahr auf sich genommen und zweimal diesen Turm bestiegen hatte. Aber ihre Hoffnung wurde bitter enttäuscht. Außer diesem alten Fetzen gab es hier nichts, absolut gar nichts, das Snape‘s Abneigung ihr gegenüber oder diesen Ausdruck, den sie am Vortag in seinem Blick gesehen hatte, hätte erklären können. Und dieser Umhang hätte wohl jedem gehören können. Es war durchaus auch möglich, dass der Umhang vor Jahren Snape gehört hatte, auch wenn sie sich nicht erklären konnte, warum er ihn dann hier hätte verstecken sollen.

Plötzlich hatte Maia wieder dasselbe Gefühl wie am Vortag beim Fliegen. Jemand beobachtete sie. Sie wagte es nicht, sich umzudrehen. Doch auch so wusste sie genau, wer hinter ihr stand. Was sollte sie Snape nur sagen, wenn er sie fragte, warum sie hier war? Sollte sie ihm die Wahrheit sagen und fragen, wessen Umhang das war? Oder sollte sie ihn anlügen, in der Hoffnung, dass er es ihr abnehmen würde? Sie könnte doch einfach sagen, dass sie die Aussicht genießen wollte. Nein, das würde er ihr niemals abnehmen, schließlich hockte sie auf dem Boden vor der Nische, und von hier unten war die Aussicht nicht unbedingt berauschend.


* * * * *


„Ich hätte es wissen müssen“, murmelte Severus, als er Maia auf dem Boden hockend erblickte. Sie hatte ihn am Vortag hier oben stehen sehen, und natürlich wollte sie herausfinden, warum er auf dem Turm war.

„Sie haben kein Recht, hier oben zu sein, Miss Tennon!“ Er öffnete seinen Mund kaum, als er mit kalter Stimme Maia ansprach, dennoch schien die Äußerung ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Das Mädchen zuckte kurz zusammen, als sie hörte, wie Severus ihren Namen betonte.

„Es wäre wohl besser, wenn Sie diesen Ort so schnell wie möglich verlassen!“ Kaum hatte er diesen Satz zu Ende gesprochen, huschte Maia auch schon an ihm vorbei und hastete die Treppen nach unten. Insgeheim wünschte Severus sich, sie würde stolpern. Er gab ihr die Schuld daran, dass seine Vergangenheit ihn wieder einholte. Eine Vergangenheit, mit der er abgeschlossen zu haben glaubte. Eine Vergangenheit, die ihn zu dem machte, was er heute war.
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Beitragvon Juls » Di 04 Apr, 2006 12:55

wow also bin mit deiner Geschichte durch und muss sagen sie ist echt super!!!
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Kapitel 8

Beitragvon Shiver » Di 11 Apr, 2006 17:24

Natürlich ist sie noch nicht zu Ende!
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Im Kerker



So schnell sie konnte rannte Maia die unzähligen Stufen hinab und zurück in die großer Halle. Sie blieb nicht stehen, bis sie atemlos wieder bei ihren Freundinnen am Slytherin-Tisch saß.

„Was ist denn los?“, fragte Sam sofort. „Du siehst ja beinahe aus, als wärst du gerade fünfmal um das gesamte Schloss gelaufen!“ Maia konnte nicht antworten. Sie wollte es auch nicht. Denn wie sollte sie ihrer Freundin erklären, dass sie ausgerechnet etwas über Snape herausfinden wollte? Sie hätten sie glatt für verrückte erklärt.

„Ich denke, wir müssen langsam los. Snape wäre wohl nicht sonderlich glücklich, wenn wir zu spät kommen!“ Nicci‘s Äußerung ließ Maia hochschrecken. Sie hatte vollkommen vergessen, dass sie an diesem Nachmittag eine Stunde Zaubertränke hatten. Am liebsten hätte sie in dem Moment einfach laut losgeschrieen. Sie konnte Snape jetzt nicht einfach gegenüber treten. Doch ehe sie sich versah, nahm Sam ihre Hand und zog sie einfach mit sich in den Kerker.

Die vier Mädchen ließen sich wie immer in der dunklen Ecke nieder, wobei Maia versuchte, sich so klein und unscheinbar wie nur möglich zu machen. Ihr war schon öfter aufgefallen, dass Snape sofort zu ihr blickte, wenn er den Raum betrat. Und heute wollte sie bestimmt nicht, dass er sie sofort sah.

Maia konnte direkt die Kälte spüren, die den Raum erfüllte, als Snape durch die Tür trat. Sie wagte nicht, sich zu ihm umzudrehen. Stattdessen kniff sie die Augen zusammen und wartete ab, ob er etwas sagen und sie vor der Klasse bloßstellen würde, so, wie er es am Schulanfang immer gemacht hatte. Aber er sagte nichts. Er blieb auch nicht wie sonst immer an ihrem Tisch stehen, er würdigte sie keines Blickes. Einerseits war Maia darüber froh, dass er sie nicht ansprach, aber andererseits wusste sie genau, dass er ihr wahrscheinlich nicht verzeihen könnte, dass sie ihm hinterhergeschnüffelt hatte.

Alle anderen Schüler hatten sich zu Maia umgedreht, da auch sie auf die gewohnte abfällige Bemerkung gewartet hatten. Beinahe alle Schüler, wie Maia feststellen musste. Oliver sah nicht zu ihr. Er war wohl immer noch beleidigt, dass sie ihn grundlos abgewiesen hatte. Heute war wohl einfach nicht ihr Tag. Aber zumindest konnte es nicht mehr viel schlimmer werden.

„Miss Tennon?“, ertönte die kalte Stimme des Tränkemeisters durch den Raum, als Maia gerade zusammen mit ihren Freundinnen nach dem überstandenen Unterricht aus dem Kerker flüchten wollte. Sie fluchte innerlich, bevor sie sich zu ihrem Hauslehrer umdrehte.

* * * * *

Mit seinen kalten Augen blickte Severus die verängstigte Schülerin an. Er wusste eigentlich nicht, was er ihr sagen wollte, warum er sie zurück gerufen hatte. Er wandte seinen Blick von ihr ab. Ihm war klar, dass er die Gefahr in Kauf nahm, dass sie ihn auf den Umhang ansprach, bevor er etwas sagen konnte, dass sie davon abhielt. Aber vielleicht war es ja auch genau das, was er wollte? Nein, er würde nicht mit einem Kind über seine Vergangenheit sprechen wollen. Mit einem Kind, dass die ganze Geschichte auf keinen Fall verstehen würde.

Als er Maia wieder ansah, stand sie direkt vor ihm. „Ja?“, fragte sie zaghaft mit zittriger Stimme. Verzweifelt suchte Severus nach Worten. Wenn ihm nicht bald etwas einfiel, würde die Situation eine fast lächerliche Wendung annehmen.

„Ich wollte Ihnen noch einmal ausdrücklich klar machen, dass kein Schüler, ich wiederhole, absolut kein Schüler die Berechtigung hat, sich auf diesem Turm aufzuhalten!“ Er sprach diesen Satz mit einer Festigkeit in der Stimme, die Maia überzeugen musste, dass er diese Äußerung genau so geplant hatte. Eingeschüchtert blickte sie ihn aus ihren leuchtenden Augen an.

Diese Augen! Severus konnte dem Blick nicht lange standhalten, er musste wegsehen. Langsam stand er auf und ging auf Maia zu, um ihr so klar zu machen, dass sie nun gehen sollte. Das Mädchen begann, mit kleinen Schritten rückwärts durch den Raum zu gehen, bevor sie sich umdrehte und zu laufen begann. An der Tür blieb sie jedoch noch einmal stehen und blickte zu Severus zurück. Er war dicht hinter ihr.

„Professor Snape?“ Fragend und etwas verwirrt schaute Maia sie an. Er hatte nicht erwartet, dass sie noch etwas sagen würde. „Hat der Umhang etwas mit dem Brief zu tun, den Sie meinen Eltern geschickt habe?“, sprach Maia weiter, bevor Severus die Möglichkeit hatte, sie daran zu hindern.

* * * * *

Maia war klar, dass dies der wohl unpassendste Zeitpunkt war, den es gab, um Snape auf den Umhang und gleichzeitig auf den Brief anzusprechen. Aber sie hatte ihrer Meinung nach lange genug auf Antworten gewartet, nun würde sie sie fordern. Snape war bei der Frage stehen geblieben, Maia konnte die Verwirrung in seinem Gesicht erkennen. Scheinbar hatte er nicht damit gerechnet, dass sie ihm ausgerechnet jetzt diese Frage stellte. Für kurze Zeit bewegte sich keiner von beiden. Aber Maia konnte erkennen, wie die Verwirrung in seinem Gesichtsaudruck kurz in eine tiefe Trauer und anschließend in Wut umschlug.

„Fünfzig Punkte von Slytherin! Und jetzt raus hier!“ Maia spürte, wie Snape sie an der Schulter packte und aus dem Raum stieß, bevor er die Tür mit einem lauten Knall zufallen ließ. Einige Minuten blieb Maia regungslos stehen. Sie zitterte am ganzen Körper. Nie hätte sie diese Reaktion erwartet.

Langsam hatte Maia sich wieder gefasst und machte sich auf den Weg in den Slytherin-Gemeinschaftsraum. Dort ging sie Sam und den anderen bewusst aus dem Weg. Auch wenn sie über den Vorfall hätte sprechen wollen, sie konnte nicht. Sie musste erst selbst darüber nachdenken, warum Snape so auf ihre Frage reagiert hatte. Aber eines wusste sie sicher. Wenn er damit bezwecken wollte, dass sie den Umhang und dessen Geschichte ruhen ließ, dann hatte er genau das Gegenteil bewirkt. Jetzt wollte sie erst recht herausfinden, wem er gehört hatte und warum Snape ihn versteckt hielt. Nun hatte sie die Gewissheit, dass es etwas mit dem Hass auf sie zu tun hatte.

* * * * *

Mit geschlossenen Augen lehnte Severus sich gegen die Tür seines Klassenraumes. Erst, als Maia‘s Schritte in den Gängen verhallt waren, wagte er, wieder zu atmen und sich zu bewegen. Langsam sank er auf den Boden und öffnete die Augen. Sehen konnte er dadurch aber auch nicht mehr, denn sie waren mit Tränen gefüllt.

Severus stützte seinen Kopf auf die Hände und versuchte, tief durchzuatmen. Es dauerte einige Zeit, bis er seine Gedanken wieder geordnet und die Fähigkeit, sich zu bewegen, zurückerlangt hatte. Als er vom Gang Geräusche hörte, stand er auf und wischte sich die Tränen notdürftig mit seinem Umhang aus dem Gesicht. Zum Glück war es im Kerker nie richtig hell, sodass niemand Severus‘ gerötete Augen sehen könnte, sollte wirklich jemand den Raum betreten. Doch die Geräusche verhallten wieder, ehe sie überhaupt in die Nähe der Tür kamen.

Langsam ging er auf seinen Tisch zu und setzte sich auf den Stuhl. Noch einmal schloss er die Augen, bevor seine Hand zur untersten Schublade griff und sie öffnete. Dem Bild, das dich dort befand, merkte man sein Alter durchaus an. Severus starrte auf das Bild, von dem ihm zwei Schüler fröhlich zuwinkten.

Seit über sechs Jahren war er nun Lehrer an Hogwarts. Und ebenso lang lag dieses Bild in der Schublade, unbeachtet. Severus hatte versucht, nicht mehr daran zu denken, er wollte es vergessen. Und dann kam dieses Mädchen. Ein Mädchen, das persönlich gar nichts mit der Sache zu tun hatte. Ein Mädchen, das bei ihm all diese schmerzhaften Erinnerungen wieder hervorrief. Ein Mädchen, das einfach nur aussah wie ihre Mutter.

* * * * *

„Was wollte Snape denn von dir?“, fragte Sam, als sie Maia schließlich doch erwischte. Bevor sie antwortete, überlegte Maia kurz, ob sie Sam vielleicht einfach irgendetwas erzählen sollte. Aber immerhin war sie ihre beste Freundin, sie konnte sie doch nicht einfach so anlügen. Nachdem Maia Sam also das Versprechen abgenommen hatte, niemandem zu erzählen, was sie jetzt erfuhr, begann sie, die ganze Geschichte - jedenfalls das, was sie darüber wusste - zu erzählen. Sie berichtete von dem Brief, den Snape an ihre Eltern geschickte hatte, davon, warum sie vom Besen gefallen war und dass sie auf dem Turm den alten Umhang gefunden hatte.

„Und du meinst, das hat alles etwas miteinander zu tun?“, fragte Sam nach kurzem Schweigen. Maia nickte. „Ich meine es nicht nur, ich weiß es! Irgendwas ist damals passiert, und ich will wissen, was“, antwortete sie, gleichzeitig schaute sie ihre Freundin eindringlich an.

„Äh, Maia, wa ... Was soll das? Warum schaust du mich so komisch an?“, stotterte Sam. „Du erwartest doch nicht etwa, dass ich dir helfe, oder? Ich werde Snape bestimmt nicht für dich ausspionieren!“ „Das verlange ich doch gar nicht! Das mit dem Schnüffeln übernehme ich schon selbst, du sollst nur vor der Tür warten und aufpassen, dass niemand merkt, dass ich den Kerker durchsuche!“, grinste Maia Sam an. „Ich hab mir das schon genau überlegt! Wir machen das am Samstag während des Quidditch-Spiels gegen Hufflepuff. Da haben wir genug Zeit.“

„Aber ... Ich wollte mir doch das Spiel ansehen!“, meinte Sam, aber Maia ließ keinen Protest zu. Sie hatte sich etwas in den Kopf gesetzt und erwartete von ihrer Freundin Unterstützung.

* * * * *

Severus hatte sich seit dem Vorfall im Kerker ständig dazu gezwungen, an etwas anderes als an Lania zu denken. Auch heute würde er keine Probleme haben, sich abzulenken, schließlich spielten heute seine Slytherins gegen die Mannschaft von Hufflepuff. Er wusste genau, wie vernichtend Hufflepuff in den vorherigen Jahren immer geschlagen worden war, und heute würde diese Tradition fortgesetzt werden.

Beim Mittagessen ließ er wie immer seinen Blick durch die Halle gleiten. Den Hufflepuffs war ihre Anspannung direkt anzumerken. Im Gegensatz dazu saßen die Spieler von Slytherin seelenruhig an ihrem Tisch und aßen.

Seine Augen musterten jeden einzelnen Schüler und blieben schließlich an Maia hängen. Ihr Verhalten ähnelte dem der Hufflepuffs, sie schien nervös zu sein. Ständig blickte sie auf die Uhr, dann wieder zu Sam. Als sie dann aber mit den anderen Schülern aufstand und aus der Halle ging, machte Severus sich keine Gedanken mehr über sie. Auch er machte sich auf den Weg zum Quidditch-Feld.

Mit siegessicherem Blick setzte er sich auf seinen Platz. Langsam füllten sich auch die Reihen der Schüler, grün und gelb waren die vorherrschenden Farben. Die Spieler erhoben sich in die Luft und die Pfeife von Madam Hooch ließ ein schrilles Geräusch ertönen.

* * * * *

Das Spiel hatte begonnen. Maia und Sam rannten so schnell sie konnten in den Kerker, in der Hoffnung, die Tür unkerschlossen vorzufinden. Sie hatten Glück. Snape hatte wohl nicht damit gerechnet, dass irgendjemand sich nicht das Spiel ansehen würde.

„Wenn jemand kommt, gibst du mir das Zeichen!“, befahl Maia und verschwand hinter der schweren Tür. Wo sollte sie jetzt nur beginnen? Der Raum war ihr nie so groß vorgekommen. Das musste wohl daran liegen, dass sich jetzt keine Schüler darin befanden.

Ihre Augen durchsuchten noch einmal das gesamte Zimmer, um auch ja kein mögliches Versteck zu übersehen, und ging dann wie selbstverständlich auf den Schreibtisch zu. Sie durchsuchte jede einzelne Schublade des Möbelstücks. Schließlich würde sie fündig. Doch das, was sie in der untersten Schublade sah, ließ ihren Atem stocken. Das Mädchen auf dem Bild sah aus, wie ihre Mutter. Aber was machte ihre Mutter auf einem Bild mit - einem viel jüngeren - Snape? Und warum trug sie einen Slytherin-Umhang?
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Beitragvon Amaya » Di 11 Apr, 2006 18:49

Oh Shiver! Deine Geschichte ist wunderbar :D Ganz nach meinem Geschmack.... sehr mysteriös und packend und sie zeigt Snape von einer Seite, die ich mir sehr gut bei ihm vorstellen kann, mir sogar wünsche.
Ich habe mir gleich gedacht, dass der versteckte Umhang damals von Gloria benutzt wurde... warum genau weiß ich nicht, vielleicht damit es nicht gleich auffiel, dass sich eine Ravenclaw mit einem Slytherin traf, oder so.
Jedenfalls gefällt mir diese Story wirklich unheimlich gut. Freue mich auf die Fortsetzung =)
An manchen Stellen musste ich auch richtig lachen z.B. da wo Snape de Aufsätze korrigiert und dann denkt: "Alle die kein Talent für Zaubertränke haben kommen nach Gryffindor" (natürlich hast du es schöner ausgedrückt.)
Herrlich - dazu jetzt noch der Gesichtsausdruck den Rickman als Alien (wie hieß er da noch gleich?) in Galaxy Quest beim Autogramm-Karten unterschreiben aufgesetzt hat - perfekte Szene, kanns mir bildlich vorstellen :lol:
Oder auch das was er über Sam denkt: "Wie kann ein Mensch nur so viel und schnell reden?" Wäre sie nicht in Slytherin hätte er ihr schon längst Punkte dafür abgezogen. ^^ Genial.

Also du hast eine weitere treue Leserin gewonnen!
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Beitragvon whinky » Di 11 Apr, 2006 20:21

ich find die geschichte ebenfalls super, leider hat sie mich vom Abi lernen abgehalten :evil: lg Whinky

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Beitragvon Krone » Mi 12 Apr, 2006 13:28

Mh ich kann mich wie immer nur wiederholen :) Schreib schnell weiter und deine Geschihcte gefällt mir richtig gut...
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Kapitel 9

Beitragvon Shiver » Di 09 Mai, 2006 11:26

Ein fast perfekter Plan




Maia wusste nicht, wie lange sie auf das Bild gestarrt hatte, als sie plötzlich Sam vor der Tür Husten hörte. Das Zeichen! Jemand kam in den Kerker. Jetzt wurde Maia bewusst, dass die Jubelschreie, die vor kurzem noch vom Quidditch-Feld her in den Kerker gedrungen waren, verhallt waren. Das Spiel war vorbei. Maia musste so schnell wie möglich aus dem Raum. Sie warf noch einen letzten Blick auf das Bild und legte es dann wieder in die Schublade zurück, bevor sie zur Tür eilte. Gerade als sie die Klinke nach unten drücken wollte, hörte sie Snape‘s Stimme.

„Miss Adams, sollten Sie nicht mit den anderen unseren Sieg feiern?“ An seinem Tonfall war zu erkennen, dass er das Gefühl hatte, die Schülerin bei etwas Verbotenem erwischt zu haben. Maia hoffte inständig, dass Sam nicht zu lange überlegen würde, bevor sie ihm antwortete.

„Ich habe das Spiel nicht gesehen. Ich war gerade in der Bibliothek, weil ich den Aufsatz schreiben wollte, den wir am Montag abgeben müssen. Und als ich dann gehört habe, dass das Spiel zu Ende ist, also besser als ich dann nichts mehr gehört habe und so wusste, dass das Spiel vorbei ist, bin ich gleich hierher gelaufen, in der Hoffnung, dass Sie auch gleich herkommen würden und...“ „Bevor wir bis morgen hier stehen, sagen Sie mir bitte gleich, warum Sie hier sind“, unterbrach Snape die verdutzte Sam.

„Ich wollte nochmal fragen, wie lang der Aufsatz werden muss!“ Etwas Besseres war Sam nicht eingefallen. Damit würde Snape sich bestimmt nicht lange aufhalten lassen, befürchtete Maia. Sie konnte förmlich sehen, wie Snape ungläubig seine Augenbrauen hochzog.

„Und ich nehme an, Sie sind allein hier unten?“, war wieder Snape‘s Stimme zu hören. „Ganz allein!“ Maia kniff die Augen zusammen. Diese Antwort kam etwas zu schnell, dachte sie. Sie wartete nur darauf, dass Snape ihren Namen sagte. Doch das tat er nicht. Stattdessen hörte sie, wie er sich wieder vom Klassenzimmer entfernte und als die Tür seines Büros ins Schloss fiel, wagte sie vorsichtig, einen Blick in den Gang zu werfen. Snape war tatsächlich weg. Langsam und jegliches Geräusch vermeidend, schlich sie aus dem Kerker.

„Und, hast du was gefunden?“, rief Sam ihr von weitem schon entgegen. Doch Maia deutete ihr, sie solle leise sein, weil sie noch nicht weit genug von Snape‘s Büro entfernt waren. Erst im Gemeinschaftsraum fühlte sich Maia sicher genug, um Sam von dem Bild zu erzählen.

„Du glaubst wirklich, dass das dein Mutter ist, da auf dem Bild?“, fragte Sam irritiert. „Na ja, zumindest hat das Mädchen so ausgesehen. Und meine Mutter hat keine Schwester, nur einen Bruder!“, erklärte Maia. „Ich muss herausfinden, wer das ist“, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu Sam. „Und ich bin mir sicher, dass diesem Mädchen der Umhang gehört hat!“

„Du willst doch nicht etwa nochmal in den Kerker, oder?“ Sam‘s Stimme klang unsicher. Auf Maia‘s Gesicht zeigte sich ein Grinsen. „Doch!“, meinte sie, „Ich will noch Snape‘s Büro durchsuchen! Wenn er noch etwas versteckt, dann wohl bestimmt nicht im Klassenzimmer!“

Sam schluckte. Maia erkannte, dass ihre Freundin ihr nur widerwillig noch einmal helfen würde und versuchte, sie zu beruhigen: „Wirklich nur noch dieses eine Mal! Ich versprech‘s.“ „Also gut“, gab Sam schließlich nach. „Und wann? Beim nächsten Spiel?“

„Ähm, eigentlich dachte ich eher an morgen Früh, wenn alle in der großen Halle beim Frühstück sitzen!“


* * * * *


Slytherin hatte gerade im Quidditch gewonnen, und Severus hatte nicht vor, sich die Freude darüber verderben zu lassen. Nur noch ein Spiel trennte ihn vom Pokal. Und da Ravenclaw auch nicht unbedingt ein ebenbürtiger Gegner war, machte er sich keine Sorgen darum.

Langsam meldete sich sein leerer Magen und er stellte fest, dass es bereits Zeit fürs Abendessen war. Auf dem Weg in die große Halle begegnete er vereinzelt einigen Slytherins, die noch immer ihren Sieg über Hufflepuff feierten, und einigen Hufflepuffs, die angesichts der Niederlage noch immer am Boden zerstört waren. Obwohl sie sich nach Severus‘ Meinung doch eigentlich schon daran gewöhnt haben müssten.

Die große Halle war noch überraschend leer, nur am Slytherin-Tisch herrschte ausgelassene Stimmung. Langsamer als sonst schritt er an den Schülern vorbei. Auf Sam‘s Höhe blieb er stehen und musterte sie kurz. „Ich nehme an, Sie haben den Aufsatz bereits fertiggestellt, Miss Adams?“ Sam blickte ihn kurz fragend an, bevor sie wusste, worauf er anspielte. Doch ehe sie ihm eine passende Antwort geben konnte, war Severus wieder weiter gegangen.


* * * * *


Kaum war Snape außer Hörweite, drehte Sam sich zu Maia um und meinte: „Ich mach morgen bestimmt nicht mit! Der weiß bestimmt, dass ich heute nicht allein im Kerker war!“ „Sam, beruhige dich, wenn er es wüsste, dann hätte er dich bestimmt direkt darauf angesprochen! Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche!“, versuchte Maia sie zu beruhigen. „Und außerdem ist der Plan absolut sicher! Du weißt doch genau, wie lang Snape am Sonntag immer am Frühstückstisch sitzt, und uns wird auch niemand vermissen, weil wir am Sonntag immer länger schlafen. Es kann einfach nichts passieren! Vertrau mir!“

Schließlich gelang es Maia, ihre Freundin zu überzeugen. So fanden sich die beiden am nächsten Morgen in Snape‘s Büro wieder, nachdem sie sich vergewissert hatten, dass der Tränkemeister in die große Halle gegangen war.

Zu zweit durchsuchten sie jede unverschlossene Schublade, jedes zugängliche Fach in dem dunklen Raum. Allerdings mussten sie gleichzeitig versuchen, nicht alles durcheinander zu bringen, da sie nicht wollten, dass irgendjemand etwas merkt. Und das erleichterte die Suche nicht unbedingt.

Gerade, als Maia die Suche schon aufgeben und dem Knurren ihres Magens nachgeben wollte, hörte sie Sam‘s Stimme: „Ich hab was!“ Sofort eilte Maia zu ihrer Freundin. „Sieht aus wie ein Brief! Mach ihn auf!“, forderte sie. Aber Sam zögerte. „Vielleicht sollten wir lieber hier verschwinden! Ich hab ein mulmiges Gefühl!“, gestand sie. Maia nickte, wollte aber den Brief nicht zurücklassen. Sie nahm ihn und versteckte ihn unter ihrer Robe, bevor die Mädchen aus dem Kerker stürmten.

In der großen Halle angekommen, stellten sie erleichtert fest, dass Snape noch immer an seinem Platz saß und so keine Ahnung davon haben konnte, dass sie gerade aus seinem Büro kamen. Dennoch hatten sie sich nicht zu früh dazu entschieden, die weitere Suche aufzugeben, denn kaum hatten sie sich an den Tisch gesetzt, stand Snape auf, um die Halle zu verlassen. Und wären sie nur etwas länger im Kerker geblieben, wäre es unvermeidlich gewesen, Snape zu begegnen. Maia und Sam blickten sich erleichtert an, als Snape wortlos an ihnen vorbeiging.

„Und wo willst du den Brief lesen?“, fragte Sam leise, sodass niemand etwas hören konnte. „Bestimmt nicht hier vor allen anderen“, antwortete Maia und deutete dabei auf die anderen Schüler, die noch immer in Feierlaune waren. „Ich denke, im Schlafraum wären wir ungestört.“

Maia wagte nicht, den Brief unter ihrer Robe hervorzuholen, bevor sie und Sam den Schlafraum erreicht hatten. Sie setzten sich auf Sam‘s Bett und Maia schaute sich den Brief genauer an. Er war mindestens genauso alt wie der Umhang. Und er sah aus, als wäre er immer und immer wieder gelesen worden. Sam blickte ihr Freundin ungeduldig an, schließlich begann Maia zu lesen.

Geliebter Severus!

Letzte Nacht habe ich wieder, wie so oft in den vergangenen Wochen, von dir geträumt. Davon, wie du mich in deine Arme nimmst, mich festhältst, mich berührst. Wie sehr wünschte ich, ich könnte wirklich bei dir sein. Ich sehne mich nach deinen Berührungen, deinen Küssen. Den Klang deiner Stimme habe ich schon viel zu lange nicht mehr gehört. Ich liebe es, wenn du meinen Namen sagst!

Ich weiß nicht, ob du dir vorstellen kannst, wie sehr du mir fehlst! Ich kann mit niemandem darüber sprechen, wie es mir geht. Niemand darf wissen, was ich fühle, wenn ich an dich denke. Dabei würde ich es am liebsten ganz laut hinausschreien: Ich liebe Severus Snape!

Es wäre so schön gewesen, wenn du an meinem Geburtstag bei mir gewesen wärst. Meine Familie hätte nie zugelassen, dass ich dich einlade. Aber in einem Jahr werde ich siebzehn, und dann kann mich niemand mehr davon abhalten, meine Zeit mit dir zu verbringen. Nicht einmal meine Schwester!

Mir scheint, als wäre bereits Ewigkeit vergangen, seit ich dich zum letzten Mal gesehen habe. Ich habe schon beinahe vergessen, wie es ist, in deinen Armen zu liegen, dir einfach nahe zu sein. Würde ich nicht jede Nacht im Traum alles nochmal erleben, hätte ich das Gefühl wohl längst vergessen! Es ist einfach schon zu lange her. Und mit jedem weiteren Tag, der vergeht, wird es schwieriger für mich, noch länger zu warten. Zum Glück sind die Ferien bald vorüber. Dann kann ich dich endlich wiedersehen, wieder mit dir sprechen.

Ich hoffe, dass du nicht so leiden musst wie ich. Auch wenn ich mir wünsche, dass ich dir ebenso sehr fehle wie du mir!

Ich freue mich schon darauf, wieder bei dir sein zu können!

In Liebe

Deine Lania


„Ein Liebesbrief? Snape hatte eine Freundin?“ Sam‘s Stimme wirkte zweifelnd. Auch Maia konnte ich nicht vorstellen, dass ein Mädchen sich in Snaper verlieben könnte. So viel besser als jetzt sah er schließlich auf dem Bild, das sie gefunden hatte, auch nicht aus. Aber sie konnte nun zumindest sicher sein, dass das Mädchen, das ihr von dem Foto so freundlich zugewinkt hatte, nicht ihre Mutter war.

Maia‘s Fragen waren mit dem Brief jedoch keineswegs beantwortet. Sie kannte keine Lania, und sie konnte sich noch immer nicht erklären, warum Snape einen solchen Hass auf sie hatte. Den ganzen restlichen Sonntag las Maia den Brief wieder und wieder, um vielleicht doch noch einen Hinweis darauf zu finden, wer diese Lania war.


* * * * *


Langsam machte Severus sich nach dem Frühstück auf den Weg in den Kerker. Zaubertränke mit den Erstklässlern war nicht unbedingt sein bevorzugter Start in die Woche. Die Schüler saßen bereits auf ihren Plätzen, als Severus die Klasse betrat. Zielstrebig ging er auf seinen Tisch zu, ohne bei Maia und Sam stehen zu bleiben.

„Mr. Wood, da ich nicht annehmen, dass Sie einen Aufsatz vollbracht haben, von dem ihre Kollegen etwas lernen können, möchte ich Sie, Miss Adams, bitten, uns ihren Aufsatz vorzutragen!“, meinte er, als er sich zu den Schülern umdrehte. Severus erkannte den erschrockenen Ausdruck in Sam‘s Gesicht. „Sie haben doch einen angemessenen Aufsatz geschrieben, oder? Schließlich waren Sie noch extra bei mir, um zu fragen, wie lang er werden soll!“

Zögernd nahm Sam die Rolle Pergament, die vor ihr auf dem Tisch lag, stand auf und ging nach vorne. Severus ließ sie nicht aus den Augen, während sie ihr Werk mit zitternder Stimme vorlas. Er sah ihre Erleichterung, als er sie wieder an ihren Platz zurückschickte.

„Miss Adams, Sie haben sich ja direkt Mühe gegeben! Mr. Wood, nehmen Sie sich ein Beispiel daran!“ Nachdem er die Aufsätze der anderen Schüler eingesammelt hatte, ließ Severus durch eine kurze Bewegung mit seinem Zauberstab das Rezept eines Trankes auf der Tafel erscheinen. Als schließlich alle Schüler eine mehr oder weniger annehmbare Probe des zu brauenden Trankes aus Severus‘ Tisch gestellt und ihre Plätze gesäubert hatten, entließ der Lehrer sie aus dem Kerker.

Wie immer waren Sam und Maia die letzten. Und gerade, als sie den Raum verlassen wollten, war die kalte Stimme wieder zu hören: „Ach, Miss Adams? Miss Tennon?“ Die beiden Mädchen drehten sich noch einmal um und blickten ihren Lehrer fragend an. Severus stand auf und ging langsam auf sie zu, bis er direkt vor ihnen stand. „Wenn ich Sie noch ein einziges Mal erwische, dass Sie unbefugt im Kerker herumschleichen, werde ich persönlich dafür Sorge tragen, dass Sie nicht mehr an diese Schule zurückkommen werden!“
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Kapitel 10

Beitragvon Shiver » Di 23 Mai, 2006 09:54

Eine Träne




Die Strahlen der Sonne wurden immer stärker, und langsam wandelten sich die warmen Frühlingstage zu heißen Sommertagen. Und nicht nur die Sommerferien rückten mit jedem Tag etwas näher, sondern auch die Abschlussprüfungen. Nur freute sich auf die niemand so recht.

Die Schüler waren nun die meiste Zeit in der Bibliothek anzutreffen, um das zu tun, was sie wohl besser das ganze Schuljahr über getan hätten - lernen. Nur Maia war mit etwas ganz anderem beschäftigt. Sie hatte sich seit ihrem kleinen Ausflug nicht mehr in den Kerker getraut, wenn sie nicht Unterricht hatten. Deshalb hatte sie auch noch keine Möglichkeit gehabt, den Brief, den sie vor einigen Wochen aus Snape's Büro mitgenommen hatte, wieder an seinen Platz zu legen. Es wäre wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis Snape den Brief vermisst und Maia dafür verantwortlich macht.

Es vergingen weitere Tage, ohne dass Maia etwas an ihrer Situation geändert hatte. Aber schließlich fasste sie einen Entschluss. Da sie ohnehin nicht unbemerkt in den Kerker gehen konnte, um den Brief zurückzubringen, würde sie nach der nächsten Zaubertränkestunde den Brief einfach direkt an seinen rechtmäßigen Besitzer übergeben. Ja, sie würde Snape den Brief persönlich zurückgeben. Auch wenn sie vermutlich kein vernünftiges Wort zustande bringen würde, sie würde den Brief einfach auf den Tisch legen und verschwinden. Und er kann sie schließlich nicht wirklich von der Schule werfen lassen. Oder doch?

Am folgenden Montag war Maia auf dem Weg zum Kerker auffällig ruhig. Sogar Sam merkte, dass ihre Freundin nichts sagte, und auch auf die Frage, was denn los sei, erhielt sie keine Antwort.

In Gedanken ging Maia immer wieder die Worte durch, die sie sich zurechtgelegt hatte. Sie würde entschlossen vor Snape treten und ihm die Sache mit fester Stimme erklären. Dann würde sie ihm den Brief zurückgeben.

Snape war schon im Klassenzimmer, als Maia und ihre Freundinnen eintraten. Bei seinem Anblick erstarrte Maia kurz, sein kalter stechender Blick schien in ihrer Seele zu lesen.

"Snape kann doch nicht Gedanken lesen, oder?", fragte sie Sam leise. Diese zuckte nur kurz mit den Schultern und setzte sich an ihren Platz. Auch Maia ließ sich auf einen Stuhl fallen. Der Lehrer hatte sie dabei nicht aus den Augen gelassen. Er weiß es, dachte sie. Ihr Herz raste. Sie hatte das Gefühl, als müsste jeder in dem Raum ihren Herzschlag hören. Aber niemand schien etwas zu bemerken. Niemand, außer Snape.

Als er von seinem Platz aufstand, ohne dabei den Blick von Maia abzuwenden, stockte ihr kurz der Atem. Sam, die Maia's Reaktion bemerkt hatte, stieß ihr sanft den Ellenbogen in die Seite und fragte, was denn los sein. Doch Maia drehte sich nur kurz wortlos zur Seite und blickte dann sofort wieder zu Snape. Dieser hatte sich entgegen Maia's Befürchtungen zur Tafel umgedreht und schwenkte seinen Zauberstab, um ein Rezept erscheinen zu lassen.

"Wahrscheinlich hab ich mir das nur eingebildet und Snape hat mich gar nicht die ganze Zeit angestarrt", murmelte Maia gedankenverloren vor sich hin und erntete dafür einen irritierten Blick von Sam. Ohne diesen weiter zu beachten, bereitete sie die Zutaten für den Zaubertrank, den sie brauen sollten, vor. Sie schnitt, quetschte und hackte alles mögliche klein, um es anschließend im Kessel miteinander zu vermischen und zu kochen.

"Wenn doch alles so einfach wäre wie diese Tränke", dachte sie, wieder etwas zu laut. Doch diesmal war es nicht nur Sam, die Maia's Äußerung hörte, sondern auch Snape, der direkt hinter ihnen stand. Aber dass er nicht mehr an der Tafel stand, bemerkte Maia erst, als er sich zu ihr hinunterbeugte und neben ihrem Ohr murmelte: "Was kann eine Amöbe schon vom Universum wissen?"

Sie wagte nicht, sich zu ihm umzudrehen. Allerdings wusste sie auch so ganz genau, dass er seine Augenbrauen hochgezogen und denselben Ausdruck im Gesicht hatte, wie damals, als sie ihm verheult direkt in die Arme gelaufen war. Wie sollte sie es jetzt nur schaffen, ihm nach dem Unterricht den Brief zu geben?


* * * * *


Severus hatte sich inzwischen wieder auf seinen Stuhl gesetzt, nachdem er am Platz von Oliver Wood gröberes verhindern konnte. Immer wieder blickte er zu den Slytherin-Mädchen. Einfache Tränke! Sie war wohl doch so besserwisserisch wie ihre Ravenclaw-Eltern, dachte er sich. Aber es würde sich schon noch zeigen, ob die Zaubertränke wirklich so einfach wären, wie sie gesagt hatte.

Scheinbar hatte Maia - zu Severus' Ärger - tatsächlich keine Probleme mit der gestellten Aufgabe, immerhin war sie die einzige, deren Trank das gewünschte Violett angenommen hatte. Das musste er sich eingestehen, als sie das Fläschchen mit ihrer Probe auf den Tisch stellte.

Er beobachtete Maia, während sie, wie die anderen Schüler, ihren Platz säuberte und von den Überresten der Zaubertrankzutaten befreite. Doch sie schien diesmal sorgfältiger vorzugehen als sonst. Während die meisten Schüler den Raum bereits verlassen hatten, wischte sie noch ein drittes Mal über ihren Tisch.

"Miss Tennon, ich denke, Ihr Platz ist inzwischen sauber genug!", stoppte Severus sie in ihrem Vorhaben. Maia blickte sich im Zimmer um, sie war inzwischen die einzige hier. Nicht einmal Sam hatte gewartet. Sie packte ihre Sachen zusammen und ging langsam Richtung Tür. Als sie den Raum schon beinahe verlassen hatte, drehte sie sich noch einmal um.

"Professor Snape?" Severus, der sich gerade in seinem Stuhl zurücklehnen und die endlich eingekehrte Ruhe genießen wollte, schreckte hoch. Beim letzten Mal, als sie sich noch einmal umgedreht und etwas zu ihm gesagt hatte, hatte es damit geendet, dass er sie aus dem Kerker geworfen und dann weinend im Klassenraum gesessen hatte. Und auch diesmal erkannte er, dass es wieder etwas mit Lania zu tun hatte.

Maia ging langsam auf Severus zu. Er saß noch immer. Was immer jetzt kommen mag, es wäre wohl besser, nicht aufzustehen, dachte er. Doch nicht nur er hatte ein ungutes Gefühl im Magen. Auch Maia schien sehr nervös zu sein. Ihre Schritte waren unsicher und es sah aus, als würde sie zittern.

"Ich ... ähm ... es ... es tut mir leid, Sir!", stotterte sie leise, als sie direkt vor ihm stand. Ihr Gesichte wandte sie zum Boden, doch ihre Augen waren auf Severus gerichtet. Er blickte sie fragend an.

"Es gibt wohl einige Hexen, die Zaubertränke irrtümlicherweise für eine einfache Sache halten!" Der Sarkasmus in seiner Stimme sollte seine Unsicherheit überdecken, verfehlte aber seine Wirkung, da er genau wusste, dass es nicht das war, weshalb Maia sich entschuldigen wollte.

"Ähm, das ... das meinte ich nicht, Sir", wollte Maia richtig stellen, die Angst war ihr ins Gesicht geschrieben. "Eigentlich wollte ... ich wollte ... eigentlich ... das hier ... zurück ... bringen." Ihre Stimme war kaum zu hören, als sie mit zitternder Hand das Stück Pergament auf Severus' Tisch legte.


* * * * *


Kaum hatte Maia den Brief losgelassen, kniff sie die Augen zusammen, in der Erwartung, Snape's Beschimpfungen würden wie ein Gewitter über sie hereinbrechen. Sie erwartete das Schlimmste. Doch es geschah nichts. Kein Wort war von ihm zu hören. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie, dass er den Brief anstarrte. Er bewegte sich nicht, schien nicht einmal zu atmen.

Auch Maia war nicht imstande, sich umzudrehen und den Raum zu verlassen. Stattdessen starrte sie Snape an, so wie er den Brief anstarrte. Zu spät bemerkte sie, dass er sich bereits wieder bewegte und seinen Blick auf sie richtete. Aber noch immer sagte er kein Wort. Er blickte sie nur fragend an.

"Sir, es tut mir wirklich sehr leid! Ich wollte den Brief nicht stehlen, ich wollte nur..." Mitten im Satz hörte sie auf zu sprechen. Nicht nur die Tatsache, dass Snape ihr gar nicht zuzuhören schien, ließ sie verstummen, sondern auch - und vor allem - das, was sie in seinem Gesicht sah. Eine einzelne Träne bahnte sich ihren Weg über seine Wange.

Maia konnte sehen, wie seine Hand zitterte, als er nach dem Brief griff und ihn gegen seine Brust drückte, die Augen schloss und schluckte.

"Würden Sie bitte den Raum verlassen?", sagte er leise, mit kaum geöffnetem Mund. Maia drehte sich um und ging. Sie wusste, dass es falsch gewesen wäre, noch etwas zu sagen. Aber so richtig konnte sie sich Snape's Reaktion nicht erklären. Schließlich hatte sie den Brief gelesen, und so traurig schien der doch gar nicht. Gut, Lania's Familie war wohl nicht so begeistert davon, aber sie schien ihn doch wirklich gern zu haben. Warum weinte er dann beim Anblick des Briefes?

"Maia, wo warst du denn so lange?", hörte sie schon Sam's fröhliche Stimme, als sie zum Klassenzimmer von Professor Flitwick abbog. Kurz überlegte sie, ob sie Sam die Sache mit Snape und dem Brief erzählen sollte, entschied aber dann, dass es wohl besser wäre, wenn sie es für sich behielt.

Maia war im Zaubersprüche-Unterricht weit davon entfernt, sich zu konzentrieren. Allerdings war das nicht weiter schlimm, da Flitwick an ihr aufgrund ihrer Abstammung wohl einen Narren gefressen hatte. Dennoch war sie froh, als sie endlich in die große Halle gehen konnte.

"Jetzt erzähl schon, was war denn vorhin noch im Kerker?", drängte Sam ihre Freundin. "Es war nichts, ich habe nur meinen Platz saubergemacht!", versuchte Maia ihr einzureden. Doch Sam ließ nicht locker: "Er hat dich wegen dieser Bemerkung mit den einfachen Tränken angesprochen, oder?" Warum war Maia nicht gleich darauf gekommen, Sam diese Geschichte zu erzählen? "Ja, hat er", meinte sie mit gespielter Erleichterung. "Er meinte, dass ich wohl nur Glück gehabt hätte, dass mein Trank so gut geworden ist", log sie weiter. Glücklicherweise war Sam gutgläubig genug, um ihr die Geschichte abzunehmen.


* * * * *


Warum musste sie ausgerechnet diesen Brief finden, als sie den Kerker durchsucht hat, dachte Severus, nachdem Maia gegangen war. Es war einer der Briefe, die ihm stets die Ferien verkürzt hatten. Fast jeden zweiten Tag hatte eine Eule an sein Fenster geklopft. Und er hatte nie antworten können, weil sonst ihre Familie erfahren hätte, dass sie ihm geschrieben hatte.

Severus lächelte, als er daran dachte. Es war eine schöne Zeit damals. Beinahe vom ersten Tag an, als sie das erste Mal nach Hogwarts gekommen war, hatte er sie geliebt. Und auch er war von Anfang an für sie mehr als nur ein Schulkollege. Bei ihm konnte sie sich ausheulen. Sie hatte gewusst, dass er sie verstehen konnte. Geweint hatte sie oft in seinen Armen. Sie war die einzige Slytherin in ihrer Familie gewesen. Und niemand hatte es akzeptiert. Manchmal hatte sie sich gewünscht, wie ihr Bruder zu sein und keine magischen Kräfte zu besitzen.

Er öffnete den Brief und las ihn. Er konnte sich noch genau an den Tag erinnern, an dem er ihn bekommen hatte. Es war kurz vor Ferienende, zwei Tage nach Lania's Geburtstag. Seine Eltern hatten sich wieder einmal gestritten und er hatte sich in seinem Zimmer eingeschlossen, als plötzlich die Eule durch das Fenster geflattert war. Es war in den Ferien vor seinem siebten und ihrem sechsten Schuljahr. Es war der letzte Brief, den er von ihr erhalten hatte.
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Beitragvon Shiver » Mi 31 Mai, 2006 22:56

Kapitel 11

Prüfungen



In den folgenden Tagen musste Maia immer, wenn sie Snape sah, an diesen Moment im Kerker denken, als er den Brief genommen hatte. Er hatte beinahe vor ihr geweint. Sie hätte ihm wohl nie solche Gefühle zugetraut. Nun hatte sie die Bestätigung, dass es tatsächlich Traurigkeit war, die sie damals in seinen Augen erkannt hatte. Erklären konnte sie sich diese Traurigkeit aber nicht. Besonders viel Zeit hatte sie allerdings nicht, um darüber nachzudenken, schließlich standen die Prüfungen vor der Tür. Das Abschneiden bei diesen Prüfungen entschied immerhin darüber, ob sie aufsteigen konnte. Deshalb verbrachten sie und Sam, wie die meisten anderen Schüler auch, in diesen Tagen die meiste Zeit in der Bibliothek, um dort in Ruhe zu lernen.

Langsam kam der Tag der Prüfungen immer näher, und den Schülern war anzumerken, dass sich eine gewisse Nervosität unter ihnen ausbreitete. Die meisten waren nur noch mit Büchern vor der Nase anzutreffen, sprachen über kaum etwas anderes als Zaubersprüche, Verwandlungen oder Tränkezutaten, und selbst Oliver beschäftigte sich weniger mit Quidditch als sonst. Maia hatte das Gefühl, dass er ihr scheinbar noch immer nicht ganz verziehen hatte, dass sie ihn ohne Begründung abgewiesen hatte. Er sagte kaum etwas, wenn sie sich begegneten, manchmal grüßte er sie nicht einmal. Aber Maia versuchte sich einzureden, dass es wohl an den bevorstehenden Prüfungen lag.

* * * * *

Der letzte Abend vor den Prüfungen war gekommen. Nun dauerte es nicht mehr lange, bis die Schüler das Schloss für zwei Monate verließen. Severus würde die Ferien ebenfalls nicht in Hogwarts verbringen. Auch wenn sein Haus in Spinner's End ihm nicht einmal annähernd so viel Komfort bieten konnten wie das Schloss, es war sein Zuhause und dort hatte er seine Ruhe.

Als Severus an diesem Abend die große Halle betrat, saßen zwar schon fast alle Schüler an den vier Tischen, allerdings war es ungewohnt ruhig. Sogar Sam's Geschnatter war nicht zu hören, so dass Severus mehrmals zum Tisch der Slytherins blickte, um sich zu vergewissern, dass die wirklich dort saß. Severus genoss diese unruhige Stille, weil er wusste, dass es zu einem nicht geringen Anteil auch sein Verdienst war, dass die Schüler solche Angst vor den Prüfungen hatten. Er sah die verzweifelten Gesichter mancher Schüler schon vor sich, wenn sie mit zitternden Händen die Zutaten für den Trank zerkleinerten und im Kessel miteinander vermischten. Beinahe hätte er bei dem Gedanken zu lächeln begonnen.

Kaum ein Schüler hielt sich länger als fürs Essen unbedingt nötig in der großen Halle auf. Alle verschwanden unmittelbar, nachdem sie den Teller geleert hatten, wieder in den Gemeinschaftsräumen, um zu versuchen, die letzten Unsicherheiten zu beseitigen, oder die Nervosität noch größer zu machen, indem sie sich immer wieder einredeten, dass sie nichts mehr wüssten. Severus wusste, wie die Schüler sich fühlten, schließlich stand auch er einmal vor seiner ersten Prüfung. Auch wenn er bereits bei Schuleintritt mehr Flüche kannte als so mancher Siebtklässler, bei der Prüfung halfen ihm die dunklen Künste kaum.

Früher als sonst war die Halle leer und auch Severus stand auf, um sich in seinen Kerker zurückzuziehen.

* * * * *

Maia hatte sehr unruhig geschlafen und wurde viel zu früh wach. Ein Blick aus dem Fenster sagte ihr, dass die Sonne noch nicht aufgegangen war, aber sie wusste, dass sie auch nicht mehr schlafen konnte. Kurz überlegte sie, ob sie vielleicht noch einmal ihre Unterlagen durchblättern sollte, entschied aber, dass es wohl nicht mehr viel nützen würde. Sam, Nicci und Mel schliefen noch, dabei waren diese drei es doch gewesen, die Maia am Vortag mit ihrer Nervosität fast in den Wahnsinn getrieben hätten. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie selbst wohl viel mehr Angst vor diesen Prüfungen hatte als die anderen drei zusammen, auch wenn sie es zu verbergen wusste.

Als es draußen zu dämmern begann, zog Maia sich langsam an und beschloss, den Schlafraum zu verlassen. Vielleicht verschwand ihre Aufregung, wenn sie ein wenig durch die Gänge des Schlosses spazierte. Vorsichtig, um niemanden zu wecken, schlich sie an den anderen Betten vorbei in den Gemeinschaftsraum, in dem jemand mit einem Buch vor dem Gesicht schlief. Maia verspürte nicht den Drang, nachzusehen, wer verzweifelt versucht hatte, die letzten Wissenslücken zu füllen, und ging leise an dem Schlafenden vorbei.

Wie nicht anders zu erwarten um diese Zeit waren die Gänge vollkommen leer. Selbst Peeves, der Poltergeist, der im Schloss sein Unwesen trieb, war weder zu sehen noch zu hören. Maia störte diese Tatsache nicht wirklich. Sie genoss es, allein zu sein. Die Korridore in dem alten Gebäude waren ihr inzwischen so vertraut, dass sie sich kaum noch vorstellen konnte, dass sie sich an ihrem ersten Tag hier verlaufen hatte.

"Kannst du auch nicht schlafen?", hörte sie plötzlich eine vertraute Stimme hinter sich, eine Stimme, die sie schon lange nicht mehr gehört hatte. Sie drehte sich um und blickte in Oliver's Gesicht. Die Nervosität war ihm deutlich anzusehen. Maia lächelte ihn aufmunternd an. "Wird schon nicht so schwierig werden", versuchte sie, ihm die Nervosität zu nehmen. Doch es schien, als hätte sie damit genau das Gegenteil bewirkt.
"Toll, ist ja noch besser, wenn ich eine einfache Prüfung nicht bestehe!", antwortete Oliver mit gespieltem Sarkasmus. "Ich glaube, ich weiß kein Wort mehr von dem, was wir das ganze Jahr über gelernt haben!"
"Ja, das Gefühl hab ich auch, aber ich bin mir sicher, wenn wir die Prüfung hinter uns haben, lachen wir darüber, wie verrückt wir uns deswegen gemacht haben! Entspann dich einfach!" Mit einem breiten Grinsen versuchte sie ihre eigene Aufregung zu verbergen.
"Ja, du hast recht. Ich sollte mich nicht verrückt machen."

In den Gängen wurde es langsam lauter, und es dauerte nicht lange, bis auch Sam's Stimme zu hören war: "Maia, kommst du mit in die große Halle?" Maia nickte ihrer Freundin zu und verabschiedete sich von Oliver.

Essen konnte Maia nicht viel, zu sehr hatte sich die Nervosität nun auch in ihr breit gemacht.

* * * * *

Als Severus sich kurz nach Sonnenaufgang auf den Weg in die große Halle machte, war es nicht mehr so ruhig wie am Vorabend. Stattdessen war aus allen Winkeln das Murmeln der Schüler zu hören, die ihr gesamte Wissen vor der Prüfung noch einmal abriefen. Ab und zu schnappte er auch ein paar Wörter auf, die mit seinem Fach zu tun hatten.

Die Halle war fast leer, als er sich auf seinen Platz setzte. Die anwesenden Schüler konnte man beinahe an einer Hand abzählen. Und auch diese blieben nicht sehr lange an den Tischen sitzen, kaum hatten sie fertiggegessen - sofern sie überhaupt etwas aßen - standen sie auf und verließen die Halle, um sich auf den Weg in die Klassenräume zu machen, wo sie ihre schriftlichen Prüfungen schrieben.

Auch Severus stand auf und ging aus der Halle. Schließlich hatte er im Kerker noch die praktischen Prüfungen vorzubereiten. Auf dem Weg dorthin überlegte er, wie viele Erstklässler wohl dieses Jahr die meisten Zutaten für den Zaubertrank, den sie brauen sollten, neben den Kessel anstatt in den Kessel fallen lassen würden.

* * * * *

"Und, wie lief es bei dir?", fragte Sam Maia, nachdem sie den schriftlichen Teil der Prüfungen hinter sich gebracht hatten. Beiden Mädchen war die Erleichterung förmlich anzusehen.
"Ach, ich glaub, so schlecht war es gar nicht. Aber das Schlimmste kommt ja noch!" Maia's Blick wirkte leicht verzweifelt bei diesen Worten. Die praktischen Prüfungen bei McGonagall, Flitwick oder einem anderen Lehrer waren ihr ziemlich egal, sie hatte keine Befürchtung, dass sie diese nicht schaffen würde. Worüber sie sich allerdings den Kopf zerbrach, war die praktische Zaubertränkeprüfung bei Snape. Seit diesem Vorfall im Kerker war sie keinen Augenblick mehr alleine in einem Raum mit ihm gewesen.

Maia wurde erst wieder aus den Gedanken gerissen, als sie spürte, dass Sam an ihrem Arm zerrte. "Komm schon, die Prüfungen warten nicht auf uns!" Auf dem Weg zu McGonagall versuchte Maia, die Gedanken über Snape zu verdrängen und ging nochmal alles durch, was sie je über Verwandlungen gelernt hatte.

Die Prüfung erwies sich als relativ einfach, eine Maus in eine Dose zu verwandeln, war nicht gerade schwierig. Das Ergebnis, das Maia erzielte, war zwar nicht unbedingt ein Schmuckstück, aber auf die Sonderpunkte für das Aussehen konnte sie verzichten. Auch die Aufgabe bei Flitwick fiel ihr nicht schwer. Sie blickte ihn zwar etwas verdutzt an, als er ihr erklärte, sie sollte die Ananas über den Tisch hüpfen lassen, aber es gelang ihr schließlich auf Anhieb.

Schließlich stand sie vor der Tür zu Snape's Klassenzimmer. Nur noch eine einzige Prüfung, dann konnte sie eine ganze Woche lang ihre Freizeit genießen.

* * * * *

Langsam öffnete sich die Tür zum Klassenzimmer. Ein nervöses dunkelhaariges Mädchen mit leuchtend blauen Augen betrat den Raum. Den Blick hatte sie zu Boden gesenkt, sie wagte es nicht, ihren Lehrer anzusehen. Severus' Augen hafteten auf ihr, beobachteten jeden einzelnen Schritt. Er wusste, dass er ihr dadurch die Nervosität nicht nahm, im Gegenteil, Maia schien immer nervöser zu sein, je näher sie dem Tisch kam, auf dem ein Kessel und die unterschiedlichsten Zutaten lagen.

"Miss Tennon, es freut mich, dass Sie den Weg hierher allein gefunden haben!" Severus legte die gewohnte Kälte und Überheblichkeit in seine Stimme. Maia zuckte kurz zusammen, als er ihren Namen sagte. Ihre Schritte wurden noch langsamer.

Schließlich stand sie am Tisch, direkt vor Severus. Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte er auf sie hinab und wartete darauf, dass auch sie ihn ansah, um Anweisungen für den Trank zu bekommen. Vorsichtig hob sie den Kopf gerade so weit, wie es nötig war, damit sie ihn ansehen konnte.

* * * * *

Maia zitterte wie nie zuvor, als sie vor Snape stand. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis er ihr endlich sagte, was sie tun sollte.

"Nun, Miss Tennon, eigentlich wäre es Aufgabe der Erstklässler, einen Vergessenstrank zu brauen, aber ich nehme an, dass dieser Trank zu einfach für Sie ist, oder?" Maia hob den Kopf nun ganz und sah ihren Lehrer erschrocken an. Er konnte doch nicht einfach verlangen, dass sie etwas Anderes machte als die anderen Erstklässler, oder? Den Vergessenstrank würde sie mühelos schaffen, aber wenn er nun wollte, dass sie etwas braute, von dem sie noch nie gehört hatte?

"Es wäre wirklich nett von Ihnen, wenn Sie heute noch mit dem Trank beginnen würden, Miss Tennon!" Maia fiel auf, dass er ihren Namen sehr betont aussprach. War es ihm vielleicht genauso unangenehm wie ihr, dass sie allein in diesem Raum waren? Aber wenigstens musste sie doch keinen anderen Trank brauen.

Langsam begann sie, die Zutaten für den Trank zu zerkleinern. Snape stand vor ihr und beobachtete jede Bewegung, jeden Handgriff mit diesem überheblichen Blick, von dem inzwischen wieder jegliche Traurigkeit gewichen war. Immer wieder schielte Maia zu ihm hinauf, um seine Reaktion zu beobachten. Manchmal zog er die Brauen hoch, wenn Maia dem Trank etwas hinzufügte oder das Gebräu noch einmal umrührte. Dadurch wurde Maia noch nervöser, ihre Hände immer zittriger.

Schließlich rührte sie noch ein letztes Mal um, wodurch der Trank seine endgültige Färbung erhalten sollte. Und tatsächlich, er hatte genau den Farbton, den er laut Lehrbuch haben sollte. Sie konnte also keinen Fehler gemacht haben. Vorsichtig füllte sie eine Probe des Trankes in ein kleines Fläschchen, verschloss es und reichte es Snape. Er schüttelte es, hielt es gegen das Licht, schüttelte es noch einmal. Anschließend nickte er scheinbar zufrieden und Maia verließ den Raum. Sie hatte es geschafft. Sie hatte alle Prüfungen hinter sich gebracht und würde sich jetzt eine Woche um nichts mehr kümmern müssen.

"Maia, und, wie war es?" Kaum hatte sie die große Halle betreten, hörte sie die Stimme von Oliver. "Da haben wir uns doch echt völlig grundlos Sorgen gemacht, oder?"
"Ja, da hast du Recht", antwortete sie. "Hoffentlich können wir jetzt auch wieder besser schlafen!", lachte Maia und auch Oliver konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

"Hast du morgen eigentlich schon was vor? Ich könnte dir noch ein paar Tipps fürs Fliegen geben, wenn du willst."
"Gerne, aber könnten wir das vielleicht später besprechen? Ich sterbe vor Hunger!", antwortete Maia, in der Hoffnung, dass Oliver nicht wieder enttäuscht sein würde. Sein freundliches Nicken sagte ihr allerdings, dass es ihm wohl auch nicht anders erging. Und prompt wurde ihre Vermutung durch ein lautes Knurren seines Magens bestätigt.
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Beitragvon Krone » Fr 02 Jun, 2006 16:30

Schöner neuer Teil, der mir gut gefällt, schreib mal weiter, vor allen Dingen hat man ja nichts neues darüber erfahren, warum Snape sie nicht ausstehen kann, macht aber nichts, so belibt die Spannung erhalten ;)
"...Und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht!"

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Beitragvon Shiver » Di 08 Aug, 2006 11:00

Sorry, dass ich jetzt so lang nicht mehr gepostet hab, aber das heiße Wetter hat meinem Computer nicht ganz so gut getan und er wollte mich nicht ins Internet lassen. Dafür gibts jetzt gleich mehr Kapitel auf einmal :wink:

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Kapitel 12

Häuser


Eilig lief Maia am nächsten Morgen in die große Halle. Nachdem der ganze Prüfungsstress endlich vorbei war, konnte sie auch wieder gut schlafen. Zu gut, wie sie entsetzt festgestellt hatte, als sie aufgewacht war. Sie hatte nicht mehr viel Zeit, wenn sie noch rechtzeitig zu ihrem Treffen mit Oliver kommen wollte.

Die große Halle war schon fast leer, die meisten Schüler waren draußen, schließlich konnten sie nun das schöne Wetter genießen. Hastig schlang Maia ihr Frühstück hinunter. Dabei versuchte sie, sich nicht zu verschlucken. Als sie dann wieder aufstand, um aus der Halle zu laufen, musste sie feststellen, dass sie wohl etwas zu hastig gegessen hatte. Sie hatte das Gefühl, als würde sich ihr Magen umdrehen, weshalb sie ihre Schritte verlangsamte und gemächlich nach draußen ging.

Als Treffpunkt hatten sie eine ruhige Stelle ausgemacht, an der sich kaum Schüler aufhielten. Maia war das nur recht. Sie war immerhin nicht unbedingt eine begnadete Fliegerin, und so konnte sie niemand beobachten und daher auch nicht auslachen. Doch als sie zum vereinbarten Ort kam, war von Oliver nichts zu sehen und Maia befürchtete, dass sie einfach zu spät war. Vermutlich hatte er schon ewig auf sie gewartet und war dann enttäuscht wieder gegangen, weil er gedacht hatte, sie würde nicht mehr kommen, hätte ihn vergessen oder wollte sich nicht mit ihm treffen. Doch kaum hatte Maia den Gedanken zu Ende gebracht, hörte sie schon eine aufgeregte Stimme rufen: "Hallo Maia!" Oliver schien ziemlich außer Atem zu sein. "Tut mir leid, dass ich so spät komme. Aber ich habe komplett verschlafen. Ich hab nicht mal was gegessen, weil ich dich nicht noch länger warten lassen wollte!"
Maia überlegte kurz, ob sie ihm sagen sollte, dass sie ebenfalls erst hergekommen war, weil auch sie sich verschlafen hatte, antwortete dann aber nur: "Ach, ist doch nicht so schlimm. An einem so schönen Tag kann man auch mal länger warten!" Sie grinste Oliver an, um ihn wissen zu lassen, dass er sich keine Gedanken darüber zu machen brauchte.
Oliver lächelte zurück. "Wollen wir dann?", meinte er und hielt Maia einen Besen entgegen. Zögernd griff Maia danach, obwohl sie eigentlich gehofft hatte, das Fliegen noch etwas hinauszuzögern oder es gänzlich lassen zu können. Aber nun, da Oliver sie so freudestrahlend anblickte, wollte sie ihn nicht enttäuschen.

"Einfach entspannen, wie ich es dir damals gesagt habe!" Als Antwort erhielt er nur ein kurzes Nicken von Maia, die zitternd und völlig verkrampft auf dem Besen saß. Einmal hatte sie es bisher geschafft, sich zu entspannen und den Flug zu genießen. Allerdings wurde der Flug damals so unsanft beendet, dass sie Angst hatte, diesmal wieder vom Besen zu fallen. Sie schaffte es einfach nicht, diesen Gedanken zur Seite zu schieben. Oliver erkannte, dass Maia weit davon entfernt war, entspannt zu sein, und stieg schließlich ebenfalls auf seinen Besen.
"Gib mir deine Hand!", forderte er Maia auf und hielt ihr seine eigene entgegen.
Nach kurzem Zögern nahm sie eine Hand vom Besen und streckte sie zitternd in Oliver's Richtung. Dieser nahm sie, hielt sie fest und half Maia somit, das Gleichgewicht zu halten.
"Und jetzt schließ die Augen und stell dir vor, du würdest auf einem Pony sitzen. Ähm, du magst doch Ponys, oder?" Maia nickte, ihr Gesicht wirkte aber immer noch verkrampft. Oliver drückte ihre Hand noch etwas fester und konnte sehen, wie ihre Atmung immer ruhiger und sie immer entspannter wurde.

Vorsichtig stieß er sich vom Boden ab und zog Maia, die bereits einige Zentimeter über dem Boden schwebte, einfach mit sich in die Luft.
"Entspann dich einfach!", rief er ihr gegen den Wind zu. Doch so sehr Maia auch versuchte, ihren Kopf frei zu machen, es gelang ihr einfach nicht, den Gedanken daran loszuwerden, dass jederzeit wieder etwas passieren könnte, das sie hart auf dem Boden landen ließ. Aber Oliver hielt noch immer ihre Hand fest und gab ihr damit Sicherheit. Maia wusste, dass ihr nichts zustoßen konnte, solange er ihre Hand nicht losließ.

Maia fühlte den Wind in ihrem Haar. Sie wusste nicht, wie hoch über dem Boden sie sich nun befanden, da sie bisher nicht gewagt hatte, die Augen aufzumachen. Doch schließlich siegte die Neugier und sie öffnete langsam die Lider. Die Strahlen der Sonne blendeten sie, nachdem sie die Augen so lange geschlossen hatte. Sie musste einige Male blinzeln, bevor sie sehen konnte, dass sie sich direkt über dem See befanden, der im Sonnenlicht glitzerte wie eine riesige, mit Diamanten besetzte Brosche.

Maia genoss den Anblick, der sich ihr aus dieser Höhe bot. Der kühle Wind fühlte sich angenehm an. Die Hand, die verkrampft den Besen umklammert hatte, entspannte sich allmählich. Alles fühlte sich nun genau so an wie damals, als Maia zum ersten Mal richtig geflogen war. Es war einfach nur herrlich. So merkte sie auch nicht, dass Oliver ihr Hand losgelassen hatte und sie nun ganz ohne fremde Hilfe auf dem Besen saß.

* * * * *

Severus mochte die letzte Woche des Schuljahres nicht wirklich. Er musste sich zwar nicht mehr mit den Schülern im Unterricht ärgern, aber es war auch nicht unbedingt besser, ständig irgendwelchen gutgelaunten Jugendlichen in den Gängen zu begegnen, die ihr Freizeit und das Wetter genießen wollten und auf dem Weg ins Freie auf niemanden Rücksicht zu nehmen schienen. Deshalb blieb er auch die meiste Zeit in seinem Kerker, da sich niemand freiwillig hierher verirrte, vor allem nicht bei dem derzeitigen Wetter.

Und nun hatte wieder einmal eine letzte Woche begonnen. Aber die bisherigen Jahre an dieser Schule hatten Severus bereits gelehrt, zu welcher Uhrzeit er am besten seinen Kerker verließ, um möglichst wenigen fröhlichen Schülern zu begegnen. So ging er auch an diesem Morgen erst dann in die große Halle, als er bereits die meisten im Freien vermutete.

Auf dem Weg dorthin sah er tatsächlich kaum jemanden. Nur vereinzelt waren Schüler zu sehen, die entweder kurz ins Schloss gegangen waren oder bereits wieder nach draußen liefen. Aber ansonsten herrschte Stille, angenehme Stille.

Als er sich langsam der großen Halle näherte, hörte er, wie die Tür hastig aufgestoßen wurde und anschließend eilige Schritte immer näher kamen. Diese wurden allerdings schnell langsamer und Severus vernahm ein leises Stöhnen, als Maia an ihm vorbeiging, eine Hand auf den Bauch gelegt. Severus verkniff sich einen Kommentar und ging weiter.

Die Halle war zu seiner Freude fast leer. Er ging auf seinen Platz zu und setzte sich. In weniger als einer Woche würden sich hier ein letztes Mal für dieses Schuljahr alle Schüler und Lehrer versammeln, der Hauspokal würde verliehen werden und dann würden alle nach Hause fahren. Zwei Monate Ruhe! Keine Schüler, mit denen er sich herumärgern musste. Und vor allem - keine Maia, die in seinen Sachen schnüffeln konnte.

Beim Gedanken an Maia fragte sich Severus, ob ihr ihre Eltern wohl erzählt hatten, was damals vorgefallen war. Wann immer er an sie dachte, hatte er das Gefühl als würde ihm jemand das Herz aus der Brust reißen, obwohl das schon vor Jahren geschehen war. Nein, er wollte jetzt nicht an die Ereignisse denken, die mehr als zehn Jahre zurücklagen. Er hatte bereits einmal vor einer Schülerin Schwäche gezeigt, und das war einmal zuviel. Er würde es nicht noch einmal zulassen, dass ihn jemand so sah.

Sein Frühstück hatte er kaum angerührt. Dennoch blieb er auf seinem Platz sitzen. Trotz seiner angestrengten Versuche, den Kopf frei zu bekommen, gelang es ihm nicht, den Gedanken an damals beiseite zu schieben.

"Geht es dir nicht gut, Severus?", hörte er plötzlich Albus sanfte Stimme neben sich. Severus hatte gar nicht bemerkt, dass der Schulleiter in die Halle gekommen war.
"Doch, es ist alles in Ordnung", versicherte er. "Ich habe nur über etwas nachgedacht!"
"Ich hoffe, dass du endlich eingesehen hast, dass du Maia Tennon nicht für die Taten ihrer Eltern verantwortlich machen kannst." Die Äußerung klang mehr wie eine Frage. Severus drehte sich zu Albus um und blickte ihn verwirrt an. Er hatte niemandem etwas davon erzählt, was damals geschehen war. Woher konnte Dumbledore davon wissen?
"Glaub mir, sie hat weniger von Gloria als du vermutest!", fuhr Albus fort, und mit einem Zwinkern wandte er sich wieder von Severus ab.
Was wollte er damit sagen? Wusste Albus wirklich alles, was damals vorgefallen war?

* * * * *

"Und heute versuchen wir mal eine sanfte Landung!", lachte Oliver, als er wieder neben Maia flog. "Lehn dich einfach leicht nach vorne!"
Maia tat, was er ihr aufgetragen hatte. Tatsächlich, sie verlor langsam an Höhe und schließlich stand sie mit beiden Beinen wieder auf dem Boden.
"Ich hab's geschafft! Ich hab's wirklich geschafft, ohne abzustürzen!", rief sie und fiel Oliver glücklich um den Hals, nachdem dieser ebenfalls gelandet war.
"Ja, ich hab's gesehen", antwortete Oliver, "hast du großartig gemacht!" Er schien sich genauso zu freuen wie Maia. "Aber um ehrlich zu sein, hätte ich jetzt nichts dagegen, wenn wir reingehen und etwas essen könnten."
Maia nickte zustimmend, schließlich hatte zum Frühstück auch nicht viel gegessen. Auf dem Weg ins Schloss schwärmte Maia noch immer davon, wie gut sie sich nach diesem Flug fühlte. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass ihr die Landung gelungen war.

In der großen Halle waren bereits einige Plätze besetzt, schließlich ging es langsam auf die Mittagszeit zu. Maia und Oliver verabschiedeten sich voneinander und gingen zu ihren jeweiligen Tischen. Am Slytherin-Tisch wurde Maia bereits ungeduldig von ihrer Freundin Sam erwartet, die sie fragend ansah.
"Du warst mit Oliver unterwegs?", fragte sie ungläubig. Maia nickte. "Mit einem Gryffindor?" Sam's Entsetzen über diese Tatsache war kaum zu überhören.
"Ja, und?", meinte Maia nur. "Es ist doch egal, in welchem Haus jemand ist! Ich halte von dieser Einteilung sowieso nicht besonders viel!" Maia hatte die Einteilung noch nie verstanden. Sie hielt es einfach für unlogisch, dass die einzelnen Häuser untereinander so rivalisierten, obwohl es doch eigentlich viel besser wäre, wenn alle zusammenhalten würden. Vor allem, da der Fall des Dunklen Lords erst wenige Jahre zurücklag und jederzeit wieder etwas Ähnliches passieren konnte. Umso schlimmer fand sie es, dass diese Rivalität durch die Vergabe des Hauspokals sogar noch unterstützt wurde. Aber wenn sie das jemandem sagte, stieß sie immer nur auf Unverständnis.

"Ich bin schon gespannt, wie ich bei den Prüfungen abgeschnitten habe", wechselte Maia schließlich das Thema. Sie hatte keine Lust darauf, wegen irgend einer Kleinigkeit mit ihrer Freundin zu streiten.
"Ja, ich auch", antwortete Sam, die über den Themenwechsel scheinbar auch glücklich war. "Vor allem bei Flitwick hab ich ein komisches Gefühl. Aber ich denke schon, dass ich alles bestanden habe."
"Ach, natürlich haben wir alles bestanden!", lachte Maia. "Wir sind doch nicht dumm, oder?"
Auch Sam brach nun in schallendes Gelächter aus, wobei weniger das ausschlaggebend war, WAS Maia sagte, sondern WIE sie es sagte.

* * * * *

Als der erste Ansturm von Schülern in die große Halle stürmte, saß Severus noch immer an seinem Tisch. Er überlegte kurz, ob er sich in den Kerker zurückziehen und erst nach dem größten Andrang zurückkommen sollte. Aber da er bereits das Frühstück hatte ausfallen lassen, entschied er sich schließlich doch dafür, zu bleiben. Als sich die Tür erneut öffnete, wusste Severus auch ohne hinzusehen, dass Maia die Halle betreten hatte. Die Atmosphäre hatte sich schlagartig verändert. Genauso wie damals, wenn ...

Severus blickte nun doch auf, gerade in dem Moment, als Maia sich von Oliver verabschiedete. Ein Gryffindor! Und dann auch noch ausgerechnet Wood!

Er beobachtete Maia, wie sie auf ihren Platz zuging und sich setzte. Sie winkte Oliver noch einmal zu und wandte sich dann ihrer Freundin zu, die nun wieder gesprächig war wie eh und je. Albus hatte Recht gehabt. Die Art, wie Maia sich bewegte, wie sie ging, lachte, sich die Haare aus dem Gesicht strich - all das kannte er nicht von ihrer Mutter. Gloria hätte sich nie so ungezwungen verhalten. Maia hatte wirklich weniger von ihrer Mutter, als Severus vermutet hatte. Dennoch war ihm ihre Art nicht unbekannt.

Die Halle füllte sich immer mehr. Das Gemurmel der Schüler wurde immer lauter und Severus beschloss, nun doch in den Kerker zu gehen. Er stand auf und ging langsam an den Tischen vorbei in Richtung Tür. Er war schon an Maia vorbeigegangen, als er noch einmal stehen blieb und sich zu ihr umdrehte. Er beugte sich zu ihr hinunter und zog eine Augenbraue hoch.
"Miss Tennon, ich hoffe, Sie nehmen sich Mr. Wood nicht in allem als Vorbild!" Ein leichtes Grinsen umspielte seine Lippen, als er sich wieder aufrichtete und seinen Weg aus der Halle fortsetzte. Er drehte sich nicht mehr um und konnte nur erahnen, mit welchem Blick Maia ihm hinterher blickte.
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Kapitel 13

Fragen


In den letzten Tagen des Schuljahres waren Maia und ihre Freundinnen die meiste Zeit im Freien und freuten sich über das herrliche Wetter. Maia genoss jede einzelne Minute, denn ihr war klar, dass mit jeder Stunde der Tag, an dem sie wieder nach Hause fahren würde, näher kam. Sie hatte Angst davor, ihrer Mutter wieder gegenüber zu treten. Das Zusammentreffen zu Weihnachten war alles andere als harmonisch verlaufen und es hatte damit geendet, dass Maia ihre Mutter angeschrieen und den Rest der Ferien bei ihrem Onkel verbracht hatte. Und sie befürchtete, dass die Sommerferien auch nicht besser werden würden.

Aber trotz allem ließ es sich natürlich nicht vermeiden, dass der Tag der Heimreise kam und Maia sich zusammen mit Sam, Mel und Nicci in einem Abteil des Hogwarts-Express wiederfand.
"Deine Eltern werden sicher stolz auf dich sein!", versuchte Mel ein Gespräch zu beginnen.
Maia lächelte schwach. Aber Mel hatte Recht. Sie mussten einfach stolz sein, schließlich hatte sie das erste Jahr recht gut abgeschlossen. Bei den Zaubertränken war sie sogar die Beste des Jahrganges. Ein leichter Hoffnungsschimmer erfüllte sie, dass es diesmal vielleicht doch besser werden würde als zu Weihnachten. Maia schaffte es schließlich sogar, die gesamte Zugfahrt über fröhlich zu sein. Und auch, als der Zug schließlich in London anhielt, ließ sie sich ihre gute Laune nicht vermiesen.

"Ich wünsch dir ganz schöne Ferien! Und wehe, du schreibst mir nicht!", verabschiedete sich Maia von Sam. Sie schlang die Arme um ihre Freundin und drückte sie fest an sich.
"Natürlich schreibe ich dir! Jeden Tag, mindestens! Ich hab dir bestimmt viel zu erzählen, schließlich besuche ich mit meinen Eltern ja auch meine Tante in Kanada. Von dort schreib ich dir natürlich auch, also wundere dich nicht, wenn plötzlich eine vollkommen fremde Eule an dein Fenster klopft. Und natürlich will ich doch hoffen, dass du mir auch ab und zu schreibst!", meinte Sam mit gespielter Empörung.
Maia lachte. Sie musste gerade daran denken, dass sie in den Ferien wohl zu nichts anderem als Lesen kommen würde, wenn Sam genauso viel schrieb wie sie sprach. Aber das behielt sie lieber für sich.
"Also dann, wir sehen uns spätestens im September, außer wir treffen uns in der Winkelgasse!" Mit diesen Worten drehte sich Sam um und lief zu ihren Eltern, die Maia freundlich zuwinkten. Maia wollte sich auch gerade aus dem Menschengewühl schlängeln und sich Richtung Ausgang bewegen, wo sie bestimmt schon erwartet wurde, als sie jemanden ihren Namen rufen hörte. Sie drehte sich noch einmal um und sah in einigen Metern Entfernung, wie Oliver wild herumfuchtelte. Sie erkannte, dass ihm offenbar der Weg versperrt war, also ging sie auf ihn zu.
"Ich wollte mich nur noch von dir verabschieden. Schließlich sehen wir uns jetzt zwei Monate nicht!", grinste er.
"Stimmt! Also, ich wünsch dir auch schöne Ferien! Und schreib doch mal!" Maia blieb noch einige Augenblicke stehen und lächelte ihn an, bevor sie sich wieder umdrehte und sich erneut einen Weg aus der Menschenmenge bahnte.

Kurz, bevor sie den Ausgang erreicht hatte, erblickte sie schon den schwarzen Wuschelkopf ihres jüngeren Bruders. Voller Freude stürmte er auf sie zu.
"Maia, wo bleibst du denn so lange? Mama und Papa warten doch schon ewig!", rief er ihr entgegen.
Maia's Herz machte einen kleinen Hüpfer. Ihre Eltern holten sie vom Bahnhof ab, nicht Jacob. Vielleicht hatte sich ihre Mutter nun doch damit abgefunden, dass Maia eine Slytherin war.

Während ihr Vater ihren Koffer verstaute, stieg sie bereits in das Auto. Maia liebte es, sich wie Muggel fortzubewegen, auch wenn sie sich mit dem Fliegen immer mehr anfreundete. Und im nächsten Schuljahr dürfte sie dann auch den neuen Besen mit in die Schule nehmen, den ihr ihr Vater zu Weihnachten geschenkt hatte. Maia war schon neugierig, was Oliver wohl dazu sagen würde.

Während der gesamten Fahrt löcherte Craig seine Schwester mit Fragen über die Schule. Maia konnte das gut verstehen, schließlich würde er in zwei Monaten vermutlich ebenfalls als Schüler nach Hogwarts gehen.
"Lass deiner Schwester doch mal ein paar Minuten Ruhe!", versuchte Gloria, den Fragenschwall zu unterbrechen. Aber schließlich konnte auch sie ihre Frage nicht mehr länger zurückhalten und erkundigte sich nach Maia's Abschneiden bei den Prüfungen. Stolz berichtete Maia, dass sie in einem Fach sogar Jahrgangsbeste war. Ihre Mutter schien sich darüber zu freuen, auch wenn es ihr wohl lieber gewesen wäre, wenn Maia nicht ausgerechnet Snape's Fach zu ihrem Lieblingsfach auserkoren hätte.

Als Maia nach der langen Zugfahrt und einer kürzeren Autofahrt endlich zu Hause ankam, bemerkte sie, wie müde sie eigentlich war. Sie wünschte sich nur noch, endlich in ihr Zimmer gehen und ins Bett fallen zu können. Zum Glück bestand ihre Mutter heute nicht wie üblich darauf, dass Maia vor dem Schlafengehen noch etwas essen sollte. Ihr war wohl auch aufgefallen, wie erschöpft Maia war.

Gemächlich stieg Maia die Treppen hoch. Ihr Vater hatte ihren Koffer bereits in ihr Zimmer gebracht. Auspacken würde sie ihn wohl morgen. Sie schaffte es gerade noch, sich die Schuhe auszuziehen, bevor sie auf ihr Bett fiel und einschlief.

Der Traum, den Maia in dieser Nacht hatte, war mehr als verrückt. Sie war wieder in Hogwarts, aber außer ihr waren keine Schüler anwesend. Sie saß in einem großen dunklen Raum, den sie vorher noch nie gesehen hatte. Sie wusste auch nicht, wie sie hierher gekommen war. Als sie Schritte hörte, versteckte sie sich instinktiv, da sie das Gefühl hatte, dass sie eigentlich nicht hier sein dürfte. Sie hörte, wie sich die Tür öffnete, und zwei andere Schüler kamen herein. Maia erkannte die beiden sofort, sie hatte sie auf dem Bild in Snape's Schreibtisch gesehen. Damals hatte sie gedacht, dass das Mädchen ihre Mutter sei, aber bei näherem Hinsehen erkannte sie, dass sie sich geirrt hatte. Aber der Junge war ganz sicher Snape.
"Severus, bist du sicher, dass uns niemand gesehen hat?", fragte das Mädchen ängstlich.
"Lania, wer soll uns um diese Zeit gesehen haben?", antwortete er beruhigend.
"Du weißt, wie meine Schwester reagiert, wenn sie erfährt, dass ich mich wieder mit dir getroffen habe", sprach Lania weiter.
"Lania, Gloria hat vor zwei Jahren ihren Abschluss gemacht, wie soll sie es erfahren?"
Hatte Maia richtig gehört? Gloria? Das war doch ihre Mutter! Aber die hatte doch gar keine Schwester, oder?
"Severus, irgendwie habe ich ein komisches Gefühl. Ich weiß einfach, dass sie es erfahren wird!" Angst schwang in der Stimme des Mädchens mit. Der junge Snape nahm sie in den Arm und küsste sie.

Maia schreckte in ihrem Bett hoch. Ein kurzer Blick aus dem Fenster verriet ihr, dass die Sonne bereits aufgegangen war. Dennoch blieb sie in ihrem Bett sitzen und dachte über den Traum nach. War Lania wirklich die Schwester ihrer Mutter? Aber warum kannte sie sie dann nicht? Dann begann sie, über sich selbst zu lachen. Es war doch nur ein Traum, in dem ihr die Tatsache, dass Snape's Freundin eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrer Mutter hatte, in die Quere gekommen war. Vermutlich hatte es absolut nichts zu bedeuten.
"So ein Blödsinn", sagte sie leise zu sich selbst, als sie sich anzog. Mittlerweile bereute sie es, dass sie am Vorabend nichts mehr gegessen hatte. In der Hoffnung, dass ihre Mutter schon ein Frühstück zubereitet hatte, ging sie in die Küche hinunter. Tatsächlich saßen ihre Eltern bereits am Tisch und aßen.
"Guten Morgen, mein Engel!", hörte sie die Stimme ihres Vaters. "Gut geschlafen?"
"Ja, hab nur etwas Kopfweh", nickte Maia und setzte sich ebenfalls an den Tisch. Über ihren eigenartigen Traum wollte sie nicht sprechen, sie hielt es für besser, ihn für sich zu behalten.

"Guten Morgeeen!" Die gute Laune ihres Bruders war nicht zu übersehen, als er in die Küche gelaufen kam. Maia wusste zwar nicht, warum er so fröhlich war, aber sie ließ sich von seiner Fröhlichkeit anstecken.
"Mama, ist mein Hogwarts-Brief eigentlich schon angekommen?", fragte Craig, wobei ihm sein Frühstück beinahe aus dem Mund fiel.
"Craig, erstens spricht man nicht mit vollem Mund, und zweitens wird dein Brief schon noch rechtzeitig kommen. Es sind ja noch zwei Monate bis das nächste Schuljahr beginnt. Und außerdem bist du noch nicht mal elf!", erklärte Gloria.
"Aber bald werde ich elf! Und die könnten die Briefe doch auch mal früher verschicken!", schmollte Craig. Den restlichen Morgen sagte er nichts mehr und Maia dachte schon, dass seine gute Laune nun weg wäre. Aber nach dem Frühstück war der Vorfall scheinbar wieder vergessen.

Am Nachmittag begann es zu regnen, sodass Maia und Craig im Haus bleiben mussten. Maia nutzte die Zeit, um ihren Koffer auszupacken. In Hogwarts war ihr nie aufgefallen, wie viele Sachen sie dabeihatte. Ihre Bücher, die sie vermutlich in der Schule nicht mehr brauchen würde, verstaute sie in ihrem Regal, das sie wohl nie mehr verlassen würden, Craig würde bestimmt neue Bücher bekommen.

Sie wollte gerade ihren Umhang über einen Kleiderbügel hängen, als sie ein energisches Klopfen vernahm. Maia blickte zum Fenster und erkannte Ikarus, Sam's Waldkauz. Sie ließ ihn herein und kaum hatte sie ihm den Brief abgenommen, flog er auch schon wieder nach draußen. Maia hatte noch keinen Brief erwartet, schließlich waren sie und Sam noch nicht einmal 24 Stunden getrennt. Dennoch setzte sie sich gleich auf ihr Bett und begann zu lesen.

Liebe Maia!

Ich hoffe, du bist gestern Abend noch gut nach Hause gekommen. Hat Oliver dich am Bahnhof eigentlich noch erwischt? Er hat mich nämlich gefragt, wo du bist und ich hab ihm dann gesagt, du wärst Richtung Ausgang gelaufen. Na ja, ist ja egal.

Wie geht's dir so? Vermisst du die Schule auch schon so wie ich? Also, nicht dass mir der Unterricht fehlen würde, aber als ich heute Morgen wach geworden bin, wollte ich schon in die große Halle laufen, als ich festgestellt habe, dass ich ja zu Hause bin! Außerdem vermisse ich dich, Nicci und Mel jetzt schon. Ich weiß gar nicht, wie ich das zwei Monate ohne euch aushalten soll!

Ich freue mich auf jeden Fall schon wieder darauf, dass wir uns wieder sehen. Und vielleicht treffen wir uns ja wirklich in der Winkelgasse! Bin ja schon neugierig, wann der Brief aus Hogwarts kommt. Vermutlich kommt die Eule genau zu dem Zeitpunkt, wenn ich in Kanada bin, sodass ich nicht gleich meine Sachen kaufen gehen kann! Aber wir werden ja sehen.

So, ich muss jetzt leider schon wieder aufhören. Hab nämlich nicht viel Zeit, weil meine Schwester mit ihren Kindern gleich zu uns kommt!

Ich hoffe, du schreibst mir auch bald zurück!

Alles Liebe

Sam


Maia lächelte, als sie den Brief las. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass Sam ihn genauso schnell geschrieben hatte, wie sie die Worte ausgesprochen hätte. Eigentlich hatte Maia einen längeren Brief erwartet, aber es war ja immerhin erst ein paar Stunden her, dass sie sich voneinander verabschiedet hatten und es war doch erstaunlich, dass Sam bereits einen Grund zu schreiben gefunden hatte.

Maia legte den Brief auf ihr Nachtkästchen und widmete sich wieder ihrem Koffer. Ihre Kleider hängte sie in den Schrank und verstaute den Koffer anschließend unter ihrem Bett. Der Regen hatte inzwischen aufgehört und sie konnte hören, dass ihr Bruder bereits wieder draußen war, obwohl es bald dunkel werden würde.

Sie setzte sich auf die Fensterbank und blickte verträumt nach draußen. Die untergehende Sonne tauchte die Umgebung in ein sanftes rotes Licht. Maia liebte diesen Anblick. Es war einfach nur schön
"Maia, das Abendessen ist fertig!", hörte sie die Stimme ihrer Mutter aus der Küche. Ein letztes Mal blickte sie in die Abendsonne, bevor sie nach unten ging. Craig war offenbar noch draußen, denn außer Gloria und Jacob saß niemand am Tisch.
"Ist Papa noch nicht da?", fragte Maia.
"Nein, er kommt etwas später. Aber wir können schon beginnen!", antwortete ihre Mutter. Kurz überlegte Maia, ob sie ihre Mutter vielleicht doch zu Lania befragen sollte, entschied sich aber dagegen, weil sie die Harmonie nicht zerstören wollte.
Inzwischen war auch Craig hereingekommen, aber Gloria schickte ihn erst ins Badezimmer, bevor er sich an den Tisch setzen durfte.

Nach dem Essen ging Maia wieder in ihr Zimmer, um Sam auf ihren Brief zu antworten. Sie setzte sich an den Tisch, nahm ein Stück Pergament und tauchte die Feder in die Tinte.

Liebe Sam!

Ja, ich bin gut nach Hause gekommen. Ja, Oliver hat mich noch erwischt. Ja, mir geht's soweit ganz gut, und ja, ich vermisse die Schule und natürlich euch auch sehr!

Ich muss dir unbedingt was erzählen! Letzte Nacht hatte ich einen sehr eigenartigen Traum. Ich hab von Snape und dieser Lania geträumt. Ich war in einem großen dunklen Raum und die beiden sind plötzlich hereingekommen und


Sollte sie Sam wirklich von ihrem Traum erzählen? Sie hatte sich doch schon selbst eingeredet, dass es nichts bedeutet, und Sam würde ihr wohl dasselbe sagen. Schließlich stimmte das ja auch! Maia zerknüllte das Pergament und nahm sich ein neues.

Liebe Sam!

Eigentlich hatte ich nicht so schnell mit einem Brief gerechnet, aber ich habe mich sehr darüber gefreut.

Ja, ich bin gut nach Hause gekommen. Meine Eltern haben mich abgeholt und als wir zu Hause waren, bin ich sofort schlafen gegangen. Oliver hat mich am Bahnhof auch noch erwischt.

Ich vermisse euch auch sehr! Und die Schule natürlich auch!

Ich hoffe, du hattest Spaß mit deiner Schwester und den Kindern.

Ganz liebe Grüße auch an deine Eltern!

Maia


Noch bevor sie zu Bett ging, schickte sie Barny mit dem Brief los. Nachdem er weggeflogen war, blickte sie ihm noch einige Minuten in die Nacht hinterher.

In den folgenden Wochen gab es keine besonderen Ereignisse. Sam schickte tatsächlich jeden Tag einen Brief (meist hatte sie kaum etwas zu erzählen und fragte nur nach Maia's Befinden), Craig fragte jeden Tag nach seinem Hogwarts-Brief und Maia's Nächte bleiben frei von wirren Träumen. Dennoch konnte sie diesen einen Traum nicht vergessen. Immer wieder hörte sie die Worte und sah die Bilder. Vielleicht sollte sie einfach Jacob fragen, der würde sich bestimmt nicht so aufregen, wenn die Geschichte denn stimmte.

"Maia, ich bin dann kurz weg. Wenn irgendetwas ist, Jacob ist draußen bei Craig!" Maia's Mutter hatte kurz den Kopf in ihr Zimmer gesteckt und sich verabschiedet. Noch bevor Maia fragen konnte, wohin sie denn wollte, war sie verschwunden. Noch etwas verwundert ging Maia in den Garten zu Craig und Jacob. Das war die Gelegenheit für sie, Jacob zu fragen, ohne dass ihre Mutter etwas mitbekam.

"Onkel Jacob, kann ich dich mal was fragen?" Ihre Stimme klang zaghaft, sie war sich nicht sicher, ob sie ihn wirklich fragen sollte.
"Natürlich kannst du mich was fragen!", lachte Jacob und grinste seine Nichte an.
Maia atmete noch einmal tief durch, bevor sie ihre Frage stellte: "Weißt du, wer Lania ist?"
Jacob setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf und wandte sich von Maia ab. "Nein!", antwortete er knapp. Maia blieb verdutzt stehen. Jacob konnte nicht ernsthaft glauben, dass diese Antwort überzeugend war! Aber sie fragte nicht nach. Scheinbar wollte er nicht darüber sprechen, warum auch immer. Sie war froh, dass sie nicht ihre Mutter gefragt hatte, denn wenn Jacob schon so komisch reagierte, was hätte sie dann wohl bei Gloria zu erwarten gehabt?

Am nächsten Morgen kam endlich Craig's Brief aus Hogwarts. Auch Maia's Liste hatte Barny dabei. Maia freute sich schon auf den Einkauf in der Winkelgasse. Es war herrlich, durch die ganzen Geschäfte zu bummeln. Sie hatte ihren ersten Ausflug vor einem Jahr schon sehr genossen, und seitdem hatte sie sich sehr verändert, war nicht mehr so schüchtern. Es würde diesmal bestimmt noch schöner werden.

Maia war schon ganz aufgeregt, als sie sich am folgenden Freitag zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in die Winkelgasse begab. Zuerst würden sie die Bücher kaufen, dann die Zaubertrankzutaten. Darauf freute Maia sich besonders. Zaubertränke war nun mal ihr Lieblingsfach und am liebsten hätte sie den ganzen Laden leergekauft.

Zuletzt machten sie sich auf den Weg zu Ollivander's, um einen Zauberstab für Craig zu besorgen. Maia wollte gerade durch die Tür gehen, als sie eine bekannte Stimme hörte.
"Maia! Das ist ja ein Zufall, dass du auch hier bist! Also, ich meine, dass du jetzt hier bist! Wir sind gerade aus Kanada zurückgekommen, und dann sind meine Mama und ich gleich hierher, um die Sachen zu kaufen! Aber jetzt haben wir schon alles, und als wir dich gesehen haben, hat meine Mama gemeint, dass wir doch noch ein Eis essen gehen könnten! Kommst du mit?" Auch wenn sie Sam's Stimme nicht erkannt hätte, der Redeschwall hätte ausgereicht, um zu wissen, wer hinter ihr stand.
"Hi, Sam!" Maia blieb in der Tür stehen und drehte sich zu ihrer Freundin um. "Mein Bruder braucht einen Zauberstab, das dauert wohl ne Weile. Ich frag kurz meine Mama, ob ich darf!" Mit diesen Worten verschwand sie für einen Augenblick im Geschäft und kam grinsend wieder zurück.

Sie waren bereit einige Zeit in dem kleinen Café gesessen, als Gloria und Craig sich zu ihnen gesellten.
"Hallo! Du bist bestimmt Craig, oder? Ich bin Sam! Du hast gerade einen Zauberstab bekommen, stimmt's?" Sam hielt ihm die Hand entgegen.
"Ja, Ebenholz mit der Feder eines Hippogreifs!", sagte Craig stolz. Er setzte sich zu den Mädchen und bestellte sich ebenfalls einen Einsbecher.
"Hallo, ich bin Gloria Tennon!", stellte sich Maia's Mutter Sam und deren Mutter vor.
"Lydia Adams. Freut mich! Aber, sagen Sie mal, kann es sein, dass ich Sie schon einmal gesehen habe? Sie kommen mir irgendwie bekannt vor!", meinte Lydia.
"Nicht, dass ich wüsste!", antwortete Lydia skeptisch.
"Doch, jetzt weiß ich es, Sie sind doch öfter im St. Mungos, oder? Sie besuchen doch wöchentlich eine Patientin!"
"Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen! Maia, Craig, ich glaube, wir müssen dann wieder los!"
Maia erkannte, dass ihre Mutter nicht ganz die Wahrheit sagte. Sam's Mutter arbeitete als Heilerin im St. Mungos, das wusste Maia. Aber was war so schlimm daran, dass Gloria jemanden besuchte?

Maia verabschiedete sich hastig von Sam. Sie konnte sich nicht erklären, was mit ihrer Mutter los war.
"Maia, ich möchte nicht, dass du länger mit dieser Sam befreundet bist!", forderte Gloria, als sie wieder zu Hause waren.
"Was? Aber wieso? Was ist denn?", fragte Maia aufgebracht, bekam aber keine ANtwort.
Maia ahnte, dass es etwas mit Sam's Mutter zu tun hatte. Offensichtlich verheimlichte Gloria etwas und sie hatte wohl Angst, dass Maia herausfinden könnte, was.
"Mama, darf ich dir eine Frage stellen?", fragte Maia nach kurzem Zögern.
"Natürlich, mein Schatz!", antwortete Gloria mit einem Tonfall, als ob nichts vorgefallen wäre.
"Wer ist Lania?"
Gloria drehte sich zu Maia um, ihr Gesicht hatte einen zornigen Ausdruck angenommen.
"Erwähne diesen Namen nie wieder!"
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Kapitel 14

Ravenclaw


Erschrocken blickte Maia ihre Mutter an. Sie wagte kaum zu atmen, geschweige denn, sich zu bewegen. Erst, als Gloria sich wieder von ihrer Tochter abwandte, ohne ein weiteres Wort zu sagen, wagte auch Maia, sich umzudrehen und in ihr Zimmer zu gehen. Stufe für Stufe stieg sie nach oben, immer wieder drehte sie sich um und blickte zurück zu ihrer Mutter. Doch diese zeigte keine weitere Reaktion.

Welches Geheimnis umgab nur diese Lania? Sogar Jacob hatte eigenartig reagiert. Mit ihm konnte Maia sonst immer über alles sprechen. Warum blockte selbst er jetzt so ab? Ob sie später vielleicht ihren Vater fragen sollte? Nein, sie wollte nicht noch jemanden verärgern. Irgendwann würde sie schon noch herausfinden, wer Lania war und was mit ihr geschehen war.

Als am Abend die gesamte Familie am Esstisch saß, verlor keiner mehr ein Wort über die Sache. Gloria verhielt sich, als ob nichts gewesen wäre. Auch Jacob sagte nichts dazu. Maia war zwar etwas irritiert, aber sie sah es auch als Zeichen, dass ihr offenbar niemand mehr böse war. Gut. Sie wollte sich nicht wieder im Streit von ihrer Familie verabschieden, wie zu Weihnachten.

Maia fiel auf, dass vor allem Craig äußerst ruhig war. Normalerweise konnte er kaum seinen Mund halten, aber heute sagte er kein Wort. Scheinbar war er doch nervöser, als er je zugeben würde. Aber Maia konnte ihn verstehen, immerhin würde er am nächsten Morgen zum ersten Mal nach Hogwarts fahren.
"Und, alles schon gepackt?", fragte sie ihn, um ihn zum Sprechen zu animieren.
Er hob seinen Kopf und sah Maia an.
"Ähm, ja, ich, ähm, denke schon!", stotterte er. "Aber ich sehe besser nochmal nach", meinte Craig, stand auf und lief in sein Zimmer.
Lachend blickten ihm alle hinterher.
"War ich letztes Jahr auch so nervös?", fragte Maia irritiert.
"Nein", antwortete ihr Vater und Maia wollte schon gespielt erleichtert aufatmen, als William weitersprach: "Du warst viel schlimmer!"
Wieder brachen alle in Gelächter aus. Nachdem Jacob nach Hause gegangen war, ging auch Maia in ihr Zimmer. Kaum lag sie in ihrem Bett, schlief sie ein.

Am nächsten Morgen wurde Maia unsanft von ihrem Bruder geweckt.
"Maia, steh auf, wir kommen noch zu spät!", rief er durch das ganze Haus.
Maia öffnete schwerfällig die Augen und blickte müde aus dem Fenster. Die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen, aber Craig schien schon hellwach zu sein. Wieder schallte seine Stimme durch die Räume, an schlafen war wohl nicht mehr zu denken. Mühsam quälte Maia sich aus dem Bett und tauschte ihren Schlafanzug gegen einen schwarzen Rock und ein schwarzes Shirt. Ihre Schulrobe würde sie erst im Zug anziehen.

Maia freute sich schon darauf, endlich wieder in die Schule zu kommen. Die Ferien waren zwar schöner als erwartet, aber sie hatte dennoch alles sehr vermisst, das Schloss, den Unterricht, und natürlich ihre Freunde. Außerdem wollte sie schon unbedingt wissen, was Oliver wohl so alles gemacht hätte.

Als sie die Küche betrat, saß Craig schon am Tisch und stocherte in seinem Frühstück herum. Die Aufregung hatte ihm den Appetit genommen. Maia hingegen begann sofort zu essen, schließlich hatte sie eine lange Zugfahrt vor sich und würde vor dem Abendessen nicht in Hogwarts sein. Und Süßigkeiten konnte sie auch nicht so viele essen, dass ihr Hunger gestillt werden konnte.

Als William die beiden nach dem Frühstück zum Bahnhof brachte, hätte Maia beinahe ihren Besen vergessen. Sie hatte nicht mehr daran gedacht, dass sie ja jetzt eine Zweitklässlerin war und somit einen eigenen Besen mitnehmen durfte. Sie fragte sich, was Oliver wohl dazu sagen würde.

Maia und Craig verabschiedeten sich von ihrem Vater und stiegen in den Zug. Auf der Suche nach Sam durchstreifte Maia Waggon für Waggon, doch als sie sie nicht entdeckte, ließ sie sich in einem leeren Abteil nieder, immer dicht gefolgt von ihrem Bruder. Erst kurz bevor der Zug abfuhr, kam Sam völlig außer Atem in das Abteil und ließ sich auf den Sitz fallen. Als sie wieder halbwegs ruhig atmen konnte, begrüßte sie Maia erst einmal mit ihrem üblichen, nicht enden wollenden Redeschwall. Craig, der ihr gegenüber saß, zog die Augenbrauen hoch und starrte Sam mit offenem Mund an.
"Sam, du erinnerst dich sicher noch an Craig", unterbrach Maia Sam's Redefluss.
"Oh, hi Craig. Ich hab dich gar nicht gleich gesehen. Natürlich erinnere ich mich an dich. Wir haben uns doch in der Winkelgasse getroffen, stimmt's? Du hast ganz stolz deinen Zauberstab vorgeführt. Und, freust du dich schon auf die Schule? Ich war ja ziemlich nervös, als ich letztes Jahr das erste Mal nach Hogwarts gefahren bin. Bist du auch nervös? ..."
"Ähm, ich werd dann mal schauen, ob ich irgendwo noch andere Erstklässler finde!", meinte Craig und verschwand aus dem Abteil. Maia wusste, warum er gegangen war, er hielt Sam's Gerede wohl nicht aus. Sam sah ihm zwar etwas verdutzt nach, sagte aber nichts mehr.
"Was war eigentlich in der Winkelgasse mit deiner Mutter los? Warum hatte sie es plötzlich so eilig, nach Hause zu kommen?", fragte Sam schließlich, als sie alleine waren.
"Ich habe keine Ahnung. Aber ich glaube, dass es irgendwas mit Lania zu tun hat. Ich hab sie daheim dann darauf angesprochen und da ist sie irgendwie noch eigenartiger geworden und meinte, ich solle diesen Namen nie wieder erwähnen", antwortete Maia.
"Übrigens wollte ich dir noch was erzählen, Sam. Auch wenn es wohl absolut nichts zu bedeuten hat, aber ich habe..."
"Hier seid ihr!", wurde sie jedoch von Nicci unterbrochen. "Wir haben schon den ganzen Zug nach euch abgesucht!"
Nachdem sich Nicci und Mel zu ihnen ins Abteil gesetzt hatten, war für Maia nicht mehr daran zu denken, Sam von ihrem Traum zu erzählen. Sie wollte nicht, dass die anderen es hörten.

* * * * *

Langsam näherte sich der Abend und somit auch der Zeitpunkt, an dem die nervenden Schüler wieder das Schloss bevölkern würden. Gerade erst hatte Severus es geschafft, den unwissenden Erstklässlern die Grundlagen des Tränkebrauens beizubringen, da kamen schon wieder die nächsten, die von nichts eine Ahnung hatten. Aber es waren immerhin noch ein paar Stunden bis zur Ankunft der Schüler.

Severus saß an seinem Schreibtisch. Bereits am nächsten Morgen würde dieser Klassenraum wieder mit Schülern gefüllt sein. Er öffnete die unterste Schublade und nahm das Bild heraus. Er hatte es in den Ferien hier gelassen. In seinem Haus in Spinner's End, in dem er nicht nur einsam, sondern wirklich allein war, wollte er nicht auch noch durch das Bild an seine Einsamkeit erinnert werden.

Lania. Wie ein Gespenst geisterte ihm der Name durch den Kopf. Immer wieder fragte er sich, wie es ihr wohl ginge und ob sie noch am Leben wäre. Vielleicht hätte er sie damals doch einmal besuchen sollen, als sie ... Nein, es gab andere Dinge, die im Moment wichtiger für ihn sein sollten. Schließlich war der Anfang eines neuen Schuljahres und es galt, noch einiges vorzubereiten, bevor der Unterricht wieder beginnen konnte. Severus legte das Bild wieder in die Schublade zurück und schloss diese.

* * * * *

"Mir kommt es vor, als wäre ich ewig nicht hier gewesen!", rief Sam, als die Schüler aus der Kutsche stiegen und zum Schloss gingen. Die Erstklässler waren wohl noch irgendwo mitten auf dem See und würden vermutlich etwas später kommen. Maia konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie sie mit Hagrid und den anderen Erstklässlern in diesem Boot saß. Kaum einer kam trocken ans andere Ufer. Aber diesmal durfte sie in einer Kutsche fahren.

Als sie die Eingangshalle betraten, war Maia genauso beeindruckt wie vor einem Jahr. Auch wenn sie mittlerweile schon alles kannte, war es doch immer wieder anders. Die Tische in der großen Halle waren noch vollkommen leer, nur die Lehrer saßen an ihren Plätzen. Vor dem Lehrertisch konnte Maia den Hocker mit dem Hut sehen, der die Schüler einteilte. Davor hatte sie im Vorjahr die größte Angst. Aber inzwischen war sie über die Entscheidung des Hutes froh, denn sonst hätte sie wohl nie eine Freundin wie Sam kennen gelernt. Langsam ging sie mit den anderen auf den Slytherin-Tisch zu und setzte sich.

Während die Schüler ihre Plätze in der große Halle einnahmen und dadurch einen solchen Lärm verursachten, dass eine Unterhaltung unmöglich war, ließ Maia - wie so oft bereits - ihren Blick durch den Raum schweifen. Am Gryffindor-Tisch entdeckte sie sofort Oliver, der ihr energisch zuwinkte. Sie erwiderte sein Winken und ihre Augen wanderten weiter zum Lehrertisch. In Dumbledore's Gesicht war sein stets freundliches Lächeln zu sehen, Professor Sprout schien wie immer gut gelaunt und Snape wies die typische unfreundliche Miene auf.

Als es schließlich ruhiger wurde, öffnete sich die Tür und Professor McGonagall führte die Erstklässler in die Halle. Maia's Augen suchten sofort nach Craig. Lachend erkannte sie, dass auch er Bekanntschaft mit dem nassen Element geschlossen hatte. Grinsend winkte sie ihm zu, doch er schien sie nicht zu bemerken. Er folgte McGonagall und den anderen neuen Schülern an den Tischen vorbei bis zu dem Hocker mit dem Hut. Nachdem dieser sein Lied gesungen und die Schüler der einzelnen Häuser einmal mehr zu Zusammenhalt aufgefordert hatte, wurden die Schüler alphabetisch aufgerufen, um sich einem Haus zuteilen zu lassen. Maia hätte vor einem Jahr nie daran geglaubt, dass es eigentlich gar nicht so aufregend war, wenn man bereits auf der anderen Seite steht und nicht mehr darauf warten muss, wie der Hut entscheidet.

* * * * *

Nachdem der Lärm in der großen Halle sich endlich gelegt hatte, wurde die Tür geöffnet und die neuen Schüler hereingeführt. Sofort fiel Severus der dunkelhaarige Junge ganz hinten auf. Seine Augen machten einen kurzen Abstecher zum Slytherin-Tisch, an dem Maia saß, blieben dann wieder an dem Jungen haften. Es bestand kein Zweifel, er musste mit Maia verwandt sein. Die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen.

Severus beobachtete jeden Schritt von ihm. Und je näher er kam, umso mehr fielen ihm die Unterschiede zu Maia ins Auge. Sie war damals, als sie nach Hogwarts kam, ängstlich und unsicher. Dieser Junge schien entschlossen und selbstbewusst zu sein. Auch seine Bewegungen waren vollkommen anders.

Schließlich standen die neuen Schüler direkt vor dem Lehrertisch und der Hut begann mit seinem Lied. Severus fragte sich jedes Jahr aufs Neue, wozu diese ganze Prozedur gut war, die Einteilung würde auch ohne dieses Gesinge machbar sein und so auch um einiges kürzer werden. Aber wie immer sagte er nichts dazu.

Gelangweilt beobachtete er die Einteilung, nur wenn ein Schüler nach Slytherin kam - mittlerweile waren es schon fünf - , klatschte er. Als Minerva McGonagall jedoch den Namen "Tennon, Craig" aussprach, wurde er aufmerksam. Craig musste also Maia's Bruder sein. Wieder beobachtete er den Jungen, der mit erhobenem Kopf nach vorne ging und sich auf den Hocker setzte.
"Oh, ja, diese Entscheidung fällt mir nicht schwer", sagte der Hut, als er auf Craig's Kopf gesetzt wurde. "Ravenclaw!"
Ravenclaw! Nicht Slytherin. Zufrieden schloss Severus kurz die Augen. Zwar war es für ihn auch eine Genugtuung, dass Maia in sein Haus gekommen war, aber Craig, der nun in einem anderen Haus war, konnte er ganz anders behandeln, ohne befürchten zu müssen, den Hauspokal zu verlieren.

* * * * *

Maia beobachtete ihren Bruder, als er nach vorne ging, nachdem sein Name aufgerufen wurde. McGonagall setzte ihm den Hut auf den Kopf und nach kurzem Gemurmel, das Maia aus der Entfernung nicht hören konnte, rief der Hut seine Entscheidung in die Halle: "Ravenclaw!"
Maia hatte das Gefühl, als würde ihr Herz für einen Moment stehen bleiben. Craig war in Ravenclaw. Er hatte es geschafft, die Hoffnungen ihrer Eltern zu erfüllen. Noch immer hafteten ihre Augen an ihrem Bruder, der auf die jubelnde Menge am Ravenclaw-Tisch zulief.

Die restlichen Ereignisse des Abends schienen in weiter Ferne abzulaufen. Maia bekam nicht mit, wie Dumbledore seine jährliche Begrüßungsrede hielt und die Schüler einmal mehr darauf aufmerksam machte, dass der verbotene Wald tatsächlich verboten war, sie merkte nicht, wie die Erstklässler nach dem Essen von den Vertrauensschülern in die Schlafräume gebracht wurden, und auch als sie selbst mit ihren Freundinnen die Halle verließ, war es, als würden ihre Füße sich von allein bewegen, ohne dass sie ihnen den Befehl dazu gab.

Ravenclaw. Dasselbe Gefühl wie im Vorjahr beschlich sie. Und genau wie damals verkroch sie sich in ihrem Bett, schloss die Vorhänge und weinte in ihr Kissen, bis schließlich die Müdigkeit siegte.
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Kapitel 15

Maia's Bitte


Mit wehendem Umhang ging Severus durch den Klassenraum auf seinen Schreibtisch zu. Dort angekommen, drehte er sich abrupt um und musterte die Schüler. Sein Blick blieb einen Moment an diesen leuchtend blauen Augen haften. Wie im letzten Jahr beschlich ihn ein Gefühl des Hasses auf Gloria, als er sie in diesen Augen wieder erkannte. Einen kurzen Augenblick lang starrte er Craig an, bevor er mit seiner üblichen kleinen Rede, die er für die Erstklässler vorbereitet hatte, begann. Wie üblich waren diese sehr beeindruckt.

Immer wieder fiel sein Blick auf den jungen Ravenclaw, der dadurch etwas verunsichert zu sein schien. Auch bei jeder Frage, die er stellte, sah er Craig mit hochgezogener Augenbraue an.
"Scheinbar hat sich die Begabung für Zaubertränke in Ihrer Familie auf Ihre Schwester konzentriert, nicht wahr, Mr. Tennon?", meinte Severus, nachdem Craig erneut eine Frage nicht beantworten konnte.
Craig zuckte kurz zusammen, als er seinen Namen hörte, und blickte den vor ihm stehenden Lehrer mit großen Augen an. Severus erkannte, dass er den Jungen ziemlich eingeschüchtert hatte und wandte sich zufrieden von ihm ab.

Als der Unterricht zu Ende war und die Schüler den Raum verlassen hatten, lehnte sich Severus in seinem Stuhl zurück. Er war sehr zufrieden mit sich. Die Erstklässler waren doch immer wieder leicht einzuschüchtern. Und mit diesem jungen Tennon würde er bestimmt noch viel Spaß haben. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, als er aufstand und sich der Tür näherte. Er wollte gerade den Raum verlassen und in sein Büro gehen, als er vom Gang Stimmen hörte.
"Hat der irgendwas gegen dich?", fragte ein Schüler.
"Ich wüsste nicht, was! Ich kenne ihn doch gar nicht. Aber der hat wohl gegen jeden was, vermutlich kann er sich selbst nicht ausstehen. Ist ja auch kein Wunder, wie der aussieht", antwortete ein zweiter Schüler.

Severus wusste genau, wen er sprechen gehört hatte. Langsam und beinahe lautlos folgte er den beiden Jungen.
"Mr. Tennon?", sprach er schließlich fragend einen der beiden an.
Craig blieb stehen, drehte sich um und sah erschrocken in die schwarzen Augen des Tränkemeisters. Severus hob eine Augenbraue und seine Lippen kräuselten sich. Er wusste, dass Craig in diesem Moment nicht fähig war, etwas zu sagen, dennoch sah er ihn an, als würde er eine Antwort erwarten. Als der Junge nach mehreren Augenblicke noch immer nichts sagte, beugte sich Severus leicht zu ihm hinunter.
"Zehn Punkte von Ravenclaw!"

Craig's Unterkiefer fiel herunter und es schien, als wollte er etwas sagen. Doch Severus drehte sich um und ging grinsend und mit wehendem Umhang in sein Büro.

* * * * *

"Zehn Punkte von Ravenclaw!", war aus einiger Entfernung Snape's Stimme zu hören.
"Der erste Schultag ist gerade mal zwei Stunden alt, und schon ist Snape wieder vollkommen in seinem Element!", meinte Sam lachend zu Maia, als die beiden auf dem Weg in den Kerker waren.
"Ja, ich möchte ja nur wissen, was ihn jetzt schon dazu bewogen hat, jemandem zehn Punkte abzuziehen", antwortete Maia.

"Der kann mir doch nicht so einfach zehn Punkte abziehen, oder?", schimpfte ein Junge, der dich den Mädchen immer mehr näherte. Maia erkannte die Stimme sofort als die ihres Bruders. Also ihm hatte Snape die Punkte abgezogen!
"Craig! Was ist denn passiert?", fragte Maia ihren Bruder. Doch dieser ging, anstatt ihr eine Antwort zu geben, schimpfend weiter. Maia blickte ihm etwas verwirrt noch eine Weile hinterher, bevor sie und Sam ihren Weg in den Kerker fortsetzten.

Als erste betraten sie den Klassenraum und setzten sich wie immer auf ihre Plätze in der dunklen Ecke. Vor einem Jahr hatte Maia sich diesen Platz ausgesucht, um niemandem aufzufallen. Sie wollte einfach ihre Ruhe haben und sie hatte befürchtet, dass sie hier keine Freunde finden würde. Doch dann hat sich Sam einfach neben sie gesetzt und nun waren sie die besten Freundinnen. Maia grinste Sam bei dem Gedanken an diesen Moment an.

Vom Gang waren immer lauter werdende Stimmen zu hören. Scheinbar hatten nun auch die anderen Schüler den Weg in den Kerker gefunden. Nicci und Mel setzten sich ebenfalls in die dunkle Ecke, die Gryffindors, mit denen die Schüler aus Slytherin den Zaubertränke-Unterricht genießen durften, fanden ihre Plätze auf der anderen Seite des Raumes. Es war kein Geheimnis, dass zwischen Gryffindor und Slytherin eine gewisse Rivalität herrschte. Wie schon so oft, verurteilte Maia diese Feindschaft bei dem Gedanken daran. Es schien, als würden die Schüler, sobald sie in eines der Häuser eingeteilt wurden, den Hass auf das jeweils andere Haus in sich aufsaugen. Nur sie nicht. Sie ließ ihren Blick durch den Raum gleiten und blieb an Oliver hängen. Sie und Oliver.

Als Oliver merkte, dass Maia ihn ansah, winkte er zu ihr herüber und öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
"Mr. Wood, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie ihre Privatgespräche in ihrer Freizeit tätigen würden. Vielen Dank!" Snape's Stimme schnitt wie ein scharfes Messer durch die Luft.
Maia sah Oliver entschuldigend an und zuckte mit den Schultern.

* * * * *

Severus stand an seinem Schreibtisch und beobachtete die Schüler, während sie den aufgetragenen Trank brauten. Manche von ihnen schienen regelrecht zu verzweifeln, andere hatten fast keine Schwierigkeiten. Nur einer Schülerin gelang er vollkommen ohne Probleme.
Scheinbar hat sich das Talent für Zaubertränke in dieser Familie wirklich auf Maia konzentriert, dachte Severus, als er sich dabei ertappte, dass er sie viel zu lange angestarrt hatte.

Maia hob den Kopf, um auf der Tafel die letzten Anweisungen zu lesen. Dabei traf sie Severus' Blick, der seine Augen sofort von ihr abwandte. Er war heute schon genug an Gloria erinnert worden, als er die Erstklässler unterrichtet hatte. Er musste nicht noch jemandem aus dieser Familie in die Augen sehen. Wieder kehrte das Hassgefühl auf Maia's Mutter zurück. Und die Erinnerung an damals.

Nachdem die zwei Stunden vergangen waren und die Schüler ihre Plätze gesäubert hatten, entließ Severus sie aus dem Kerker. Unwillkürlich wanderte sein Blick wieder zu Maia, die wie immer die letzte war, die den Raum verließ. Sie war Gloria so ähnlich, und doch vollkommen anders.

* * * * *

"Maia, hast du kurz Zeit?" Oliver hatte vor der Tür auf sie gewartet. "Ich wollte nur fragen, ob du nach dem Mittagessen Lust hast, mit mir zum See zu gehen. Heute ist so ein schöner Tag und wer weiß, wie lange das Wetter noch so bleibt. Und nach dem Mittagessen ist noch genug Zeit, bevor der Unterricht wieder weitergeht, oder?"
"Ja, gern!", antwortete Maia lächelnd. Gemeinsam gingen sie in die große Halle, wo sich Maia mit einem freundlichen "Bis später, also!" von Oliver verabschiedete und sich an den Slytherin-Tisch zu Sam setzte, die sie wie immer, wenn Maia mit Oliver sprach, komisch ansah. Maia wusste, dass Sam nicht unbedingt begeistert davon war, dass sie sich mit einem Gryffindor gut verstand.

Als Maia gerade zu essen beginnen wollte, entdeckte sie Craig, der sich einen freien Platz am Ravenclaw-Tisch suchte. Seit er im Zug das Abteil verlassen hatte, hatte er nichts mehr zu seiner Schwester gesagt. Und auch jetzt erwiderte er ihr Winken nicht. Konnte er wirklich nach so kurzer Zeit schon ein überheblicher Ravenclaw geworden sein? Ach, vermutlich hatte er sie nur nicht gesehen. Maia dachte nicht weiter darüber nach und aß weiter. Nachdem sie ihren Hunger gestillt hatte, stand sie auf und verließ den Tisch.
"Wo willst du denn hin?", rief ihr Sam hinterher und Maia blieb stehen.
"Ich treffe mich mit Oliver am See. Willst du mitkommen?" antwortete Maia fröhlich, wohlwissend dass Sam ablehnen würde.

Oliver wartete bereits auf Maia, als sie auf den See zulief. Schon von weitem winkte er ihr energisch zu. Völlig außer Atem ließ sie sich schließlich neben ihn auf das weiche Gras fallen. Der Boden war warm, obwohl schon September war, hatte die Sonne noch eine außerordentliche Kraft. Maia schloss die Augen und genoss die angenehmen Strahlen.

Sie erzählten sich gegenseitig von ihren Ferien, lachten und alberten herum, bis es an der Zeit war, wieder ins Schloss zu gehen.
"Ach, ich wollte dir ja noch was erzählen!", fiel Oliver plötzlich wieder ein, als Maia schon aufgestanden war und gerade gehen wollte.
Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um.
"Was denn?", fragte sie schließlich nach.
"Ich werde mich dieses Jahr für das Gryffindor-Quidditch-Team als Hüter bewerben", erklärte Oliver stolz.
"Das ist ja großartig!", antwortete Maia lachend. "Aber das wird eurem Team auch nichts mehr nützen!", ergänzte sie und lief ins Schloss.
"Haha!", lachte Oliver und folgte ihr.

* * * * *

"Warte nur, bis ich dich erwische!" Oliver Wood's fröhliche Stimme drang in die Eingangshalle. Kurz darauf lief er, dicht gefolgt von Maia - er musste sie also erwischt haben - , durch die Tür. Severus sah die beiden skeptisch an. Es war ihm alles andere als recht, dass eine der besten Schülerinnen aus seinem Haus ihre Freizeit mit einem Gryffindor verbrachte. Noch dazu mit diesem Gryffindor! Maia und Oliver schienen ihn jedoch nicht zu beachten, sie liefen einfach an ihm vorbei.

Severus wollte schon den Mund aufmachen und Oliver ein paar Punkte abziehen, als er sich daran erinnerte, dass er in diesem Alter auch nicht viel anders war. Lania war zwar ein Jahr jünger als er, dennoch waren sie seit ihrem ersten Schultag beinahe unzertrennlich. Bereits als sie damals mit den anderen Erstklässlern durch die große Halle geführt worden war, war sie ihm aufgefallen. Sie hatte ihn angesehen und ihm zugelächelt, obwohl sie ihn gar nicht kannte. Auch wenn sie ihrer Schwester doch sehr ähnlich sah, war sie vollkommen anders. Nicht die Überheblichkeit, die Gloria an den Tag legte, strahlte sie aus, sondern eine Wärme und Freundlichkeit, die Severus nie in einem Menschen vermutet hätte. Als der Hut sie dann auch noch nach Slytherin geschickt hatte, war es nicht die Tatsache, dass Gloria so entsetzt darüber war, die ihn glücklich gemacht hatte, sondern, dass nun jemand da war, bei dem er sich von Anfang an sicher war, dass sei sich gut verstehen würden. Er hatte sich nicht getäuscht. Zum ersten Mal in seinem Leben verband ihn mit einem Menschen eine Freundschaft. Und mit der Zeit war aus dieser Freundschaft mehr geworden.

Er sah den beiden noch einen Moment lang hinterher, bevor er in den Kerker ging, um den nächsten Unterricht vorzubereiten.

* * * * *

Nach einem anstrengenden Nachmittag - eine Doppelstunde bei Binns konnte man nicht anders beschreiben, ohne das Wort langweilig zu benutzen - gingen Maia und Sam in den Gemeinschaftsraum der Slytherins, da Maia ihre Freundin gebeten hatte, noch vor dem Abendessen in Ruhe mit ihr sprechen zu können. Und da das Wetter draußen noch immer unverändert schön und deshalb die meisten Schüler im Freien waren, schien der Gemeinschaftsraum geeignet zu sein.

"Also, was ist? Was gibt's denn Wichtiges?", fragte Sam mit übertrieben gespielter Ungeduld.
"Puh, ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll", antwortete Maia. "Aber ich denke, es ist am besten, wenn ich einfach damit beginne, was als erstes vorgefallen ist."
Sam nickte und hörte ihrer Freundin aufmerksam zu.
"In der ersten Nacht in den Ferien hatte ich diesen eigenartigen Traum. Ich wollte dir das eigentlich in einem Brief schreiben, aber ich dachte, dass es nichts Besonderes ist, deshalb habe ich es dann doch nicht gemacht. Aber jetzt muss ich dauernd daran denken.
Ich hab geträumt, dass ich allein in einem Raum hier im Schloss bin. Plötzlich ging die Tür auf und Snape und ein Mädchen kamen herein. Also, es war nicht Snape, wie wir ihn kennen, sondern er war viel jünger und schien selbst noch ein Schüler zu sein. Und das Mädchen bei ihm - anfangs dachte ich, es sei meine Mutter als Schülerin. Aber dann habe ich gemerkt, dass es das Mädchen von dem Bild ist, das ich damals in Snape's Schreibtisch gefunden habe. Und das Mädchen meinte dann, dass ihre Schwester nicht erfahren dürfe, dass sie sich heimlich treffen. Und ich bin mir sicher, dass dieses Mädchen diese Lania war. Und ich bin mir auch sicher, dass die Schwester, von der sie gesprochen hat, meine Mutter ist."
Sam starrte Maia mit offenem Mund an. Nie hätte sie gedacht, dass es noch jemanden gab, der in dieser Geschwindigkeit sprechen konnte.
Nach kurzem Luftholen sprach Maia weiter: "Ich hab dann auch meinen Onkel Jacob gefragt, ob er weiß, wer Lania ist, aber er hat ziemlich abweisend reagiert. Dabei ist er sonst nie so. Und später, als meine Mutter, Craig und ich von der Winkelgasse nach Hause gekommen sind, habe ich meine Mutter auch nach Lania gefragt, und sie meinte, ich solle diesen Namen nie wieder erwähnen."
"Und ... ähm ... ich versteh nicht ganz!", meinte Sam, "Was denkst du, hat das zu bedeuten?"
"Ich will vorher noch weitererzählen, dann sag ich dir, was ich denke. Also, in der Winkelgasse haben wir ja dich und deine Mutter getroffen. Deine Mutter hat meine Mutter dann darauf angesprochen, dass sie sie schon öfter im St. Mungo gesehen hätte, und meine Mutter hat das vehement bestritten. Als wir dann daheim waren, hat meine Mutter gesagt, sie will nicht, dass ich länger mit dir befreundet bin."
"Nur, weil meine Mama sie gefragt hat, ob sie nicht jede Woche jemanden besucht?", fragte Sam nach.
Maia nickte. "Und ich denke, dass meine Mutter befürchtet, ich könnte durch dich und deine Mutter etwas herausfinden."
"Und lass mich raten, genau das hast du jetzt vor, oder?", stellte Sam fest.
"Ja!", sagte Maia entschlossen. "Ich wollte dich bitten, deine Mutter zu der Patientin zu befragen, die meine Mutter so oft besucht."
"If velvet had a voice, it would sound like Alan Rickman!"

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Beitragvon Krone » Di 08 Aug, 2006 13:20

Ja, ein schöner neuer Teil, auch wenn ich ihn etwas zu lang gezogen empfinde und dass die mysteriöse Person, die Gloria im St. Mungos besucht Lania ist, war mir schon lange klar... Aber trotzdem bin ich jetzt gespannt, was da jetzt genau ist...
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Beitragvon Shiver » Mo 06 Jul, 2009 11:37

Kapitel 16

Träume


Sam schien von dieser Idee nicht besonders begeistert zu sein, aber schließlich stimmte sie doch zu.
"Ich werde sie aber erst zu Weihnachten fragen können, ich glaube nämlich nicht, dass es besonders schlau wäre, das in einem Brief zu schreiben!", ergänzte sie noch.
Maia grinste ihre Freundin dankend an, bevor sie sie an der Hand nahm und mit ihr in die große Halle lief.

Sie erinnerte sich nur zu gut daran, wie sie zum ersten Mal den Weg dorthin gesucht und nicht gefunden hatte. Sie hatte sich an ihrem ersten Schultag ziemlich verlaufen, und hätte Snape sie damals nicht gefunden, würde sie wohl noch immer in den Gängen des Schlosses umherirren. Die erste Begegnung mit ihrem Lehrer für Zaubertränke verlief also alles andere als wünschenswert. War das vielleicht der Grund, weshalb er sie nicht besonders leiden konnte? Weil er sie einfach für dumm hielt? Nein, das war es bestimmt nicht. Maia wusste, dass etwas Anderes dahinter stecken musste. Und vielleicht würde die Patientin im St. Mungo's etwas mehr Wahrheit ans Licht bringen.

Die große Halle war bereits voll, als Maia und Sam durch die Tür traten. Sowohl Schüler als auch die meisten Lehrer hatten ihre Plätze an den Tischen eingenommen und mit dem Essen begonnen. Und auch die beiden Mädchen warteten keinen Augenblick zu lang, als die köstlichen Speisen vor ihnen auf dem Tisch erschienen. Als Maia mit dem Essen fertig war, merkte sie erst, wie müde sie eigentlich schon war. Sie stand auf und ging Richtung Slytherin-Schlafraum. Nach nur wenigen Metern hörte sie Schritte hinter sich. Sie drehte sich um und sah Sam, die unmittelbar nach ihr die große Halle verlassen haben musste. Auch sie schien ziemlich müde zu sein, denn auf dem ganzen Weg sagte sie kein Wort. Erst als sie sich in ihre Betten fallen ließen, war von beiden Seiten ein leises "Schlaf gut" zu hören. Es dauerte nicht lange, bis Maia fest schlief.

* * * * *

In dieser Nacht hatte Severus einen sehr unruhigen Schlaf. Der Traum, der diesen Schlaf begleitete, entführte ihn in seine Vergangenheit, eine Vergangenheit, die er bis vor einem Jahr vergessen gehabt hatte. Er stieg die beinahe endlose Treppe zu dem Turm hinauf, auf dem er sich immer mit Lania getroffen hatte. Es war der erste Schultag seines siebten Jahres. Stufe für Stufe brachte er hinter sich. In den vergangenen Jahren waren er und Lania am Abend des ersten Schultages immer hier oben gesessen und hatten sich von ihren Ferien erzählt, auch wenn Lania ihm in ihren Briefen schon beinahe alles geschrieben hatte. Aber schließlich hatte Severus ihr nie schreiben können, weil sonst ihr Familie alles erfahren hätte. Je weiter Severus sich dem Ende der Treppe näherte, desto schneller wurden seine Schritte. Er konnte kaum noch erwarten, seine Freundin in die Arme zu schließen. Die letzten paar Stufen überflog er regelrecht, so sehr freute er sich auf das Wiedersehen mit Lania. Endlich war die letzte Stufe erreicht, nur noch wenige Meter trennten ihn von seiner großen Liebe. Da stand sie, mit dem Rücken zu ihm. Lania hatte den Ausblick hier oben schon immer geliebt. Ihre schwarzen Haare wehten im Wind. Langsam ging er auf sie zu und hob die Hand, um sie auf ihrer Schulter zu platzieren. Doch bevor er sie berühren konnte, drehte sie sich um und Severus blickte in das Gesicht von Gloria. Fragend blickte er sie an, hatte er doch Lania erwartet, während sie ihn aus ihren blauen Augen böse anfunkelte. Er öffnete den Mund, um nach Lania zu fragen, doch Gloria ließ ihm keine Gelegenheit, um zu sprechen. Stattdessen ging sie auf ihn zu und fauchte ihn mit zusammengebissenen Zähnen an: "Es ist alles deine Schuld!"

Severus schreckte hoch. Es war nur ein Traum, er hatte es nicht noch einmal erlebt, versuchte er sich einzureden. Doch die Worte, die Gloria zu ihm gesprochen hatte, spukten weiterhin in seinem Kopf. Es war alles seine Schuld!

* * * * *

Auch Maia schlief in dieser Nacht nicht besonders gut. Es war ebenfalls ein Traum, der sie quälte. Wie bei ihrem ersten Traum dieser Art saß sie in einem leeren Klassenzimmer. Sie sah sich alles genau an, jeden noch so kleinen Riss in der Wand bemerkte sie. Es war ein anderer Raum als damals. Maia wusste, dass sie noch nie hier gewesen war, dennoch kam ihr alles sehr vertraut vor. Sie hatte das Gefühl, schon sehr viel Zeit hier verbracht zu haben. Sie stand auf und ging Richtung Tür. Sie wollte auf den Gang sehen, um so herauszufinden, wo im Schloss sich dieser Raum befand. Etwa auf halbem Weg zur Tür hörte sie Schritte, die von draußen durch einen kleinen Spalt in den Raum drangen. Sie überlegte kurz, ob sie sich wieder verstecken sollte, fand aber keine passendes Möbelstück oder etwas anderes, das ihr genügend Schutz geboten hätte. Also blieb sie stehen, in der Hoffnung, dass die Person einfach weitergehen würde. Doch die Person ging nicht weiter. Die Tür öffnete sich langsam und leise quietschend. Maia wagte nicht, hinzusehen. Sie hatte sich an eine Wand gelehnt und die Augen geschlossen und hoffte, dass sie unbemerkt blieb.
"Bist du schon lange hier?", fragte die Person, die soeben den Raum betreten hatte, in einem freudigen Tonfall. Die Augen noch immer geschlossen, überlegte Maia, woher sie diese Stimme kannte. Doch bevor sie eine Erklärung dafür fand, fühlte sie, wie sich zwei Arme um sie legten und sie sanft an diese Person gedrückt wurde. Als sie wieder losgelassen wurde, wagte sie schließlich doch einen Blick und traf auf zwei tiefschwarze Augen, die sie ohne jeglichen Ausdruck von Kälte anblickten. Im Gegenteil, Maia glaubte sogar, etwas wie Wärme in Snape's Augen ausmachen zu können.
Einen Moment lang hatte sie ihn nur angestarrt. Es dauerte einige Zeit, bis sie feststellte, dass es sich um einen sehr viel jüngeren Snape handelte, als der, den sie kannte. Dennoch konnte sie sich keinen Reim darauf machen, warum er sie umarmt hatte und sich so freute, sie zu sehen.
Maia lehnte noch immer an der Wand. Schließlich waren auf dem Gang wieder Schritte zu hören und die junge Version des Tränkemeisters meinte, dass sie wohl nicht hier sein dürften und es besser wäre, den Raum zu verlassen. Er nahm Maia an der Hand und zog sie Richtung Tür. Erst jetzt fiel ihr auf, dass neben der Tür ein Spiegel hängte. Unbeabsichtigt blickte sie hinein und sah nicht ihr eigenes Gesicht, sondern erkannte das Mädchen, das sie auf dem Bild und in diesem Traum im Sommer gesehen hatte.

Maia schreckte hoch. Es war nur ein Traum, der vermutlich genauso wenig zu bedeuten hatte, wie der, den sie in den Ferien hatte. Doch das Bild, dass sie in diesem Spiegel gesehen hatte, spukte weiterhin in ihrem Kopf. Was das zu bedeuten hatte, konnte sie sich nicht vorstellen.

* * * * *

Dieselbe Nacht an einem weit entfernten Ort. Eine junge Frau wälzte sich unruhig in ihrem Bett, drehte sich von einer Seite auf die andere. Auch sie wurde von einem Traum geplagt. Es war die letzte Woche der Sommerferien. Sie freute sich schon darauf, wieder nach Hogwarts zu ihren Freunden und vor allem zu ihrer großen Liebe fahren zu können. Sie wusste, dass niemand in ihrer Familie etwas von dieser Beziehung erfahren durfte, denn er war nicht unbedingt der perfekte Schwiegersohn. Aber sie liebte ihn. In den Ferien hatte sie ihm beinahe jede Woche einen Brief geschrieben, damit er wusste, dass sie dauernd an ihn dachte. Ihr war klar, dass er nicht zurückschreiben konnte, denn sonst hätten ihre Eltern und ihre Schwester etwas von dieser Verbindung gemerkt.
Den letzten Brief hatte sie heute Morgen weggeschickt. Nun saß sie in ihrem Zimmer und packte den Koffer. Schließlich würde sie am nächsten Tag wieder in die Schule fahren und sie wollte nichts zu Hause vergessen. Immer wieder legte sie eine Pause ein und fragte sich, ob er den Brief wohl schon gelesen hätte. Und immer wieder kam sie zu dem Entschluss, dass es bestimmt so war.
Als sie all ihre Sachen sorgfältig in den Koffer gelegt hatte, holte sie noch aus der hintersten Ecke der untersten Schublade ihres Nachtkästchens ein Bild hervor. Es zeigte ein junges Mädchen mit schwarzen Haaren und strahlend blauen Augen, das sich an einen Jungen mit tiefschwarzen Augen schmiegte. In ihrem Bauch flatterten Millionen von Schmetterlingen, bei dem Gedanken daran, dass sie ihn in weniger als 24 Stunden wieder sehen würde. Sie betrachtete das Bild eine Weile, bevor sie es ebenfalls in den Koffer legte und diesen anschließend fest verschloss.
Plötzlich klopfte jemand energisch an der Tür. Noch bevor sie die Person hereinbitten konnte, wurde die Tür aufgestoßen und ihre Schwester stand im Zimmer, in der Hand hielt sie einen Brief. Sofort begann sie, wie eine Furie auf ihre jüngere Schwester loszugehen und schrie sie an, was ihr denn nur eingefallen wäre, mit dieser unmöglichen Person in Kontakt zu stehen und ihm dann auch noch solche Liebesschwüre zu schreiben. In ihrer Wut zog sie schließlich auch noch ihren Zauberstab und richtete ihn auf das junge Mädchen.

Die junge Frau schreckte hoch. Es war nur ein Traum, der ihr ebenso wenig sagte wie die Personen, die darin vorkamen. Doch die Szene, die sie erlebt hatte, spukte weiterhin in ihrem Kopf. Hätte sie sprechen können, würde sie wohl jemanden fragen, der sich mit Träumen auskennt.

* * * * *

Langsam ging die Sonne über Großbritannien auf. Die meisten Menschen lagen noch in ihren Betten und verabschiedeten sich von der Traumwelt, die einen an die schönsten, aber auch an die grausamsten Orte entführen kann.

Doch drei Menschen waren bereits wach. Jeder von ihnen stand am Fenster, ohne zu ahnen, was die anderen machen. Jeder von ihnen dachte nach. Über einen Traum und die dadurch aufgeworfenen Fragen.

War es wirklich Severus' Schuld, dass damals geschehen ist, was nun einmal geschehen ist?

Warum sah sich Maia in ihrem Traum als Lania in dem Spiegel?

Warum träumte eine junge Frau von Personen, von denen sie nicht wusste, wer sie waren?

* * * * *

"Severus! Schon so früh wach?", hörte Severus eine sanfte Stimme hinter sich, die zu niemand anderem als dem Schulleiter gehörte. Als Antwort verzog er die Lippen nur zu einem angedeuteten Lächeln, wobei er versuchte, nicht allzu gequält zu wirken.

* * * * *

"Maia! Bist du schon lange wach?", war Sam's noch sehr verschlafen wirkende Stimme aus der Richtung ihres Bettes zu hören.
"Nein, ich bin gerade erst aufgestanden", antwortete sie und lächelte leicht, wobei sie versuchte, nicht allzu gequält zu wirken.

* * * * *

"Miss Holder, wie geht es ihnen denn heute?", hörte die junge Frau und drehte sich um, um der Heilerin mit einem Lächeln zu verstehen zu geben, dass es ihr verhältnismäßig gut ging, auch wenn sie nicht wusste, warum sie hier immer mit Miss Holder angesprochen wurde, warum sie überhaupt hier war.

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Kapitel 17

Wissen


Die folgenden Tage und vor allem die Nächte waren eher ereignislos. Maia hatte keinen weiteren Traum dieser Art und war auch die meiste Zeit in der Lage, den letzten zu verdrängen und für bedeutungslos zu halten. Sie sah keinen Sinn darin, irgendjemandem davon zu erzählen. Nur im Zaubertränkeunterricht wurde sie wieder daran erinnert. Immer wieder starrte sie Snape an und fragte sich, wie es sein konnte, dass er diesen vollkommen anderen Ausdruck in den Augen hatte und was dazu geführt hatte, dass er jetzt nur noch Kälte ausstrahlte und sich selbst und den Rest der Welt zu hassen schien.

"Miss Tennon, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie nun auch mit Ihrem Trank beginnen und nicht noch mehr Löcher in die Luft starren würden! Vielen Dank!" Snape's Stimme ließ sie hochschrecken. Maia fühlte, wie sich ihre Wangen rot färbten und blickte verlegen auf ihren Tisch.
"Entschuldigung, ich werde sofort anfangen", murmelte sie kaum hörbar und begann mit dem Zerkleinern und Mischen der Zutaten.
Dennoch musst sie weiter darüber nachdenken. Auch seine Stimme war anders als in ihrem Traum, und doch war es eindeutig seine Stimme gewesen. Während der gesamten Doppelstunde waren ihre Gedanken von dem Traum dominiert, sodass sogar der Trank, den sie brauen sollte, alles andere als perfekt wurde und Snape sie skeptisch mit hochgezogener Braue ansah, als sie ihm das Fläschchen mit der Probe überreichte.

Umso erleichterter war sie, als sie den Kerker verlassen und in Richtung des nächsten Klassenzimmers gehen konnte.
"Maia, warte mal! Hast du kurz Zeit?"
Maia blieb stehen und drehte sich zu Oliver um. "Sicher! Was gibt's?"

* * * * *

Bereits als Maia den düsteren Raum im Kerker betrat, fiel Severus auf, dass sie mit ihren Gedanken woanders war. Normalerweise war sie in seinem Unterricht immer sehr konzentriert, bis auf die obligatorischen Schwätzereien mit Sam, wegen der beide regelmäßig ermahnt wurden. Aber an diesem Tag schien sie vollkommen abwesend zu sein. Ihre Augen waren zwar auf Severus gerichtet, aber es war, als würde sie durch ihn durchblicken.
"Miss Tennon, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie nun auch mit ihrem Trank beginnen und nicht noch mehr Löcher in die Luft starren würden. Vielen Dank!", versuchte er, Maia's Konzentration auf den Unterricht zu lenken. Ihre Antwort konnte er nicht verstehen, er sah nur, wie sich ihr Mund bewegte. Aber als sie mit dem Zerkleinern begann, gab er sich zufrieden.

Severus ging an seinen Schreibtisch und setzte sich auf den Stuhl. Er beobachtete die Schüler beim Brauen des Trankes, ertappte sich aber immer wieder dabei, dass seine Augen immer etwas länger an Maia haften blieben. Unwillkürlich musste er an eine Frage denken, die sie ihm vor einiger Zeit gestellt hatte: Warum war sie in Slytherin? Ihre Eltern waren beide in Ravenclaw, wie auch ihr jüngerer Bruder. Die einzige Person der Familie, von der Severus wusste, dass sie in Slytherin war, war Lania, Gloria's jüngere Schwester. Lania war damals nach Slytherin gekommen, weil sie, wie sie Severus einmal erzählt hatte, nur Gloria's Halbschwester war und ein Slytherin ihr leiblicher Vater war. Aber Gloria hatte davon nie etwas erfahren.

Aber warum war Maia in Slytherin? Sie stammt immerhin aus einer reinen Ravenclaw-Familie, es sei denn ... Vielleicht war das der Grund, warum sie nicht mehr nach Hogwarts gekommen war? Nein, das war unmöglich, sie hätte es ihm bestimmt gesagt, wenn es so gewesen wäre. Außerdem hätte er es merken müssen. Severus schüttelte bei diesem absurden Gedanken den Kopf. Es musste eine andere Erklärung geben. Und genauso schnell, wie ihm diese Idee in den Sinn gekommen war, verschwand sie auch wieder.

Als die ersten Schüler damit begannen, Proben ihrer Tränke in kleine Fläschchen abzufüllen und ihre Plätze zu säubern, stellte Severus mit Schrecken fest, dass die Doppelstunde schon fast zu Ende war und er es beinahe übersehen hätte, da er zu sehr in seine Gedanken vertieft war. Als eine der letzten brachte Maia ihr Fläschchen nach vorne und bereits auf den ersten Blick erkannte Severus, dass selbst seine Aufforderung an ihrer Konzentration nichts geändert hatte. Dabei war sie doch fast immer die einzige, die akzeptable Tränke ablieferte.

Kaum hatte Severus ihr das Fläschchen abgenommen und ihr wortlos seine Meinung dazu mitgeteilt, drehte sich das Mädchen um und ging Richtung Tür, wo Sam schon auf sie wartete. Im nächsten Augenblick waren die beiden auch schon aus dem Raum verschwunden und von draußen war die Stimme von Oliver Wood zu hören: "Maia, warte mal! Hast du kurz Zeit?"

* * * * *

"Ich wollte dich was fragen. Na ja, eigentlich will ich dich um etwas bitten. Du kannst aber ruhig nein sagen, ich würd's verstehen, wegen Snape und so!"
"Wenn du nicht sagst, was du willst, kann ich auch nicht nein sagen", lachte Maia.
"Ähm ja, klar. Also, ich wollte ... ähm ... du weißt ja, dass ich im Zaubertränke-Unterricht einige Schwierigkeiten habe. Und ich wollte fragen, ob du mir vielleicht bei den Hausübungen ein wenige helfen könntest. Du bist immerhin die einzige, die das ganze Zeug wirklich versteht, und mit meine Aufsätzen war Snape ja noch nie zufrieden."
"Sicher!", nickte Maia und grinste Oliver an. Ja, sie wusste nur zu gut, dass Zaubertränke nicht gerade sein Lieblingsfach war. Und sie wusste auch, was er mit der Bemerkung über Snape sagen wollte. Dieser wäre wohl nicht gerade begeistert davon, wenn sie, eine Slytherin, einem Gryffindor Nachhilfe geben würde. Aber das störte sie nicht. Schließlich mochte er sie sowieso nicht, also konnte es gar nicht schlimmer werden.

"Maia, kommst du endlich?" Sam klang ziemlich genervt, als sie ihre Freundin zu sich rief. Sie war eine richtige Slytherin, konnte die Gryffindors nicht leiden. Aber immerhin waren alle in ihrer Familie in Slytherin, da hat sie den Hass auf Gryffindor wohl geerbt. Maia hingegen kommt aus einer Ravenclaw-Familie, sie konnte diese Einstellung nicht in ihren Genen haben. Warum sie nach Slytherin gekommen war, wusste Maia noch immer nicht. Das gesamte erste Schuljahr hatte sie sich diese Frage gestellt und keine Antwort darauf gefunden. Aber sie hatte herausgefunden, dass sie nicht die erste aus der Familie ihrer Mutter war, die in dieses Haus eingeteilt wurde. Ob das vielleicht der Grund war? Konnte es sein, dass Lania ... Nein, das war doch absurd. Warum hätten ihre Eltern sie zwölf Jahre lang anlügen sollen? Es gab bestimmt eine andere Erklärung dafür.
"Ich komme gleich!", rief sie Sam als Antwort zurück und drehte sich wieder zu Oliver um. "Wie wär's mit Samstag, nach dem Frühstück in der Bibliothek?"
"Ähm, das geht nicht. Ich will mich nämlich als Hüter für das Quidditch-Team bewerben und das wäre am Samstag."
"Oh, du willst dich wirklich für's Team bewerben? Das ist ja toll! Ja, also dann wird es am Freitag wohl auch nicht gehen, da wirst du sicher noch ein wenig üben. Was hältst du von Sonntag?"
"Sonntag wäre großartig! Danke!"

"Was wollte der denn schon wieder von dir?", fragte Sam, als Maia schließlich aufgeholt hatte.
"Ach, er wollte mir nur erzählen, dass er sich für's Quidditch-Team bewerben will!" Maia dachte, dass es wohl besser wäre, Sam nichts von dem eigentlichen Grund zu erzählen.

* * * * *

"Der spinnt doch! Wie sollen wir den Aufsatz bis zum nächsten Mal fertig bekommen?"
Craig und sein Freund waren gerade aus dem Klassenzimmer im Kerker gekommen, nachdem sie den verhassten Zaubertrank-Unterricht hinter sich gebracht hatten. Und kaum wähnten sie sich außer Hörweite, begannen sie auch schon wieder mit dem Schimpfen über den Tränkemeister. Vor allem Craig ließ mal wieder kein gutes Haar an ihm.

"Mister Tennon?"
Craig zuckte kurz zusammen, bevor er sich langsam umdrehte.
"Ich nehme an, Sie wissen, was Sie erwartet?", fragte Severus mit überheblicher Stimme, kräuselte die Lippen und zog eine Augenbraue hoch. Doch bevor Craig auch nur zu einer Antwort ansetzen konnte, fuhr er fort: "Ich erwarte Sie heute Abend um Punkt 19:00 im Kerker. Und ich dulde keine Verspätung!"
Craig sah ihn noch einige Augenblicke erschrocken an, bevor er seinen Weg fortsetzte.
"Ach, und Mister Tennon?"
Craig drehte sich noch einmal zu Severus um.
"Zwanzig Punkte von Ravenclaw!"
Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen ging er zurück in sein Büro. Er wusste zwar, dass Craig beim Weggehen noch schimpfte, aber das störte ihn nicht weiter. Jetzt musste er sich nur noch eine geeignete Strafarbeit überlegen. Aber da würde sich bestimmt etwas finden.

* * * * *

"Jetzt ist er komplett übergeschnappt. Der kann mich doch nicht einfach grundlos nachsitzen lassen, oder?" Als Craig die große Halle zum Mittagessen betrat, schimpfte er noch immer. Maia ging zu ihm und fragte ihren Bruder, was denn passiert sei.
"Snape spinnt mal wieder. Ich hab gar nichts getan und er lässt mich nachsitzen!", antwortete Craig trotzig.
"Na, so ganz ohne Grund wird er das wohl auch nicht tun, oder?", fragte Maia zweifelnd nach.
"Ist ja klar, dass du deinen Hauslehrer verteidigst, so wie er dich immer bevorzugt", meinte Craig pampig und ging Richtung Ravenclaw-Tisch.
"Mich bevorzugen, klar", murmelte Maia, als sie an ihren Platz zurückging. "Wenn der mich bevorzugt, will ich nicht wissen, wie er Schüler behandelt, die er nicht bevorzugt!"
"Beruhig dich wieder, es kann dir doch egal sein, was dein Bruder von dir denkt, oder?" Nicci hatte inzwischen ebenfalls die Halle betreten und ging zusammen mit Maia zu den übrigen Slytherins.
"Na ja, im Grunde ist es mir ja auch egal, was er denkt, aber es ist so, dass er vorher vollkommen anders war. Wir haben uns immer gut verstanden. Aber seit er auch hier ist, hat er sich total verändert", erklärte Maia.
"Ach, der wird irgendwann schon wieder zur Vernunft kommen!"

Nicci hatte Recht. Es sollte ihr egal sein, was jemand über sie dachte, solange ihre Freunde für sie da waren. Und auf die konnte sie sich jederzeit verlassen, das wusste sie. Als sich die beiden zu Sam und Mel an den Tisch setzten, hatte sie den Zwischenfall auch beinahe schon wieder vergessen.

Beim Essen ließ sie wie üblich ihren Blick durch die Halle schweifen. Aber inzwischen gab es schon einige Fixpunkte, die sie auf keinen Fall auslassen wollte. Einer dieser Punkte war der Gryffindor-Tisch. Immer wieder suchte sie diesen ab, ob sie nicht irgendwo das Gesicht von Oliver entdeckte. Von Anfang an hatte sie sich gut mit ihm verstanden. Er hatte ihr gesagt, worauf sie beim Fliegen achten soll und ihr gezeigt, wie schön und befreiend der Ritt auf dem Besen sein konnte. Ihm war zwar die Rivalität zwischen den beiden Häusern nicht ganz so egal wie ihr, aber bei Maia machte er scheinbar eine Ausnahme. Wann immer sie sich irgendwo sahen, winkte er bereits von weitem energisch. Aber an diesem Mittag war er nicht in der großen Halle. Vermutlich war er mit seinem Besen draußen und trainierte noch ein wenig. Schließlich waren es nur noch drei Tage bis Samstag.

Ein zweiter Fixpunkt war der Lehrertisch. Maia wusste selbst nicht, warum sie immer wieder zu Snape blickte. Sie konnte nichts dagegen tun. Auch an diesem Tag wanderte ihr Blick unwillkürlich zu ihm. Er unterhielt sich gerade mit Dumbledore. Dumbledore war wohl die einzige Person in Hogwarts, der vollkommen egal war, in welchem Haus ein Schüler war. Er behandelte alle gleich. Darum war er wohl auch Schulleiter. Maia hätte wohl alles dafür gegeben, um zu erfahren, worüber die beiden sprachen. Sie wusste nicht warum, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es mit dem Rätsel um Lania zu tun hatte.

* * * * *

"Severus, fühlst du dich nicht wohl?" Dumbledore wirkte besorgt, als er Severus ansprach.
"Doch, es ist alles in Ordnung! Mir geht es gut", antwortete er. Doch scheinbar wirkte er wenig überzeugend, denn Dumbledore sah ihn zweifelnd über die Gläser seiner Halbmondbrille an.
"Mit mir ist wirklich alles in Ordnung. Es sind nur einige Gedanken, die in letzter Zeit in meinem Kopf spuken. Ich weiß einfach nicht..."
"Es hat mit Lania zu tun, nicht wahr? Ich weiß, dass die junge Maia Tennon dich an sie erinnert. Sie erinnert sogar mich an Lania. Und ich weiß auch, dass diese Erinnerung dich quält. Aber du musst endlich verstehen, dass du an den Geschehnissen von damals nichts mehr ändern kannst. Und du musst auch verstehen, dass es nicht deine Schuld war. Auch wenn dir das eingeredet wurde."
Severus sah Dumbledore fragend an. Er hatte ihm nie etwas davon erzählt.
"Ich weiß mehr als du denkst, Severus. Ja, ich weiß, dass du Lania geliebt hast. Und ich weiß, dass Gloria das nicht gerne gesehen hat. Aber was geschehen ist, war nicht deine Schuld." Dumbledore legte Severus väterlich die Hand auf die Schulter, bevor er an seinen eigenen Platz zurückging.
Woher konnte er von der Sache mit Lania wissen? Severus hatte nie mit jemandem darüber gesprochen. Es war zwar bekannt gewesen, dass er Probleme mit Gloria und William hatte, aber niemand hatte gewusst, dass er Gloria's Schwester liebte. Wie hatte es also Dumbledore erfahren können?

Weiter in seine Gedanken vertieft, ließ auch er seinen Blick durch die Halle schweifen. Für den Bruchteil eines Augenblicks traf er Maia's Augen und die Idee, die er an diesem Tag schon einmal hatte, kehrte in seinen Kopf zurück. Doch wieder verwarf er sie als absurd. Es konnte einfach nicht so sein.

* * * * *

Die Zeit bis Samstag verging beinahe wie im Flug. Heute war Oliver's großer Tag und als Maia beim Frühstück saß, war sie mindestens genauso nervös wie er. Natürlich wollte sie sich seinen Auftritt nicht entgehen lassen, auch wenn er sie gebeten hatte, nicht zu kommen, da ihn das nur noch nervöser machen würde. Aber Maia wusste ganz genau, von wo aus sie ihm unbemerkt zusehen konnte. Also ging sie direkt nach dem Frühstuck in Richtung des Turmes, auf dem sie im letzten Jahr den alten Umhang gefunden hatte. Von dort aus konnte man beinah das gesamte Gelände einsehen. Und Oliver würde sie dort bestimmt nicht bemerken.

Eilig lief sie die lange Treppe hinauf, schließlich wollte sie nichts versäumen. Doch als sie die letzte Stufe hinter sich gebracht hatte, stellte sie fest, dass sie nicht alleine hier oben war. Der schwarze Umhang flatterte leicht im sanften Herbstwind und bevor Maia sich wieder vom Turm schleichen konnte, hatte Snape sich zu ihr umgedreht.
"Miss Tennon! Ich frage mich, was Sie an einem solch herrlichen Tag alleine hier oben machen!"
Für einen Moment verkrampfte sich jeder Muskel in Maia's Körper. Als sie sich wieder entspannte, stotterte sie: "Ich... ähm ... ich wollte ... ähm ... wollte nur ..."
"Ihrem Freund, Mister Wood, zusehen, wie er sich blamiert, nehme ich an. Hab ich Recht?"
Maia antwortete nicht, sondern blickte verlegen in die Richtung, aus der die Stimmen der Gryffindors kamen. Auf die Szene konzentrieren konnte sie sich nicht. Nicht, wenn Snape so dicht hinter ihr stand.

Wieder schossen ihr alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Ob sie es wagen sollte, einfach ... Nein, das konnte sie nicht tun. Er war nicht nur ihr Lehrer, nein, schlimmer, er war Snape! Und nachdem ihre Mutter und sogar Jacob schon so eigenartig auf die Frage reagierten, wollte Maia gar nicht wissen, was Snape wohl tun würde, wenn sie ihn nach Lania befragte.

Aber schließlich siegte doch ihre Neugier. Und gerade als Snape gehen wollte, hörte sie sich selbst sagen: "Professor Snape?"
Der Tränkemeister blieb stehen und blickte zu Maia zurück.
"Was ist mit Lania passiert?"
Schlagartig veränderte sich Snape's Gesichtsausdruck, seine Augen verengten sich, bevor er wortlos den Turm verließ.
Maia wusste, dass sie wohl doch auf ihr Gefühl hätte hören sollen.

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Kapitel 18

Nachilfe


Verwundert blickte Maia ihm noch ein paar Minuten hinterher. War das eben tatsächlich passiert? War Snape wirklich einfach gegangen, nachdem sie ihn nach Lania gefragt hatte? Ohne irgendetwas zu sagen? In Maias Augen schien das so gar nicht zu ihm zu passen und sie war sich sicher, dass es noch ein Nachspiel geben würde.

Von unten drang fröhliches Lachen und Jubeln an Maias Ohr. Sie hatte beinahe vergessen, weshalb sie überhaupt auf den Turm gekommen war. Sie wollte eigentlich Oliver zusehen. Aber das schien im Augenblick völlig unwichtig. Langsam ging sie Stufe für Stufe wieder nach unten und dachte über Snapes Reaktion nach. Nach etwa der Hälfte der Strecke beschloss sie, dass sie mit Sam darüber reden musste. So schnell sie konnte, lief sie die restlichen Stufen hinunter und in Richtung des Slytherin-Gemeinschaftsraumes. Maia wusste, dass Sam heute den ganzen Vormittag dort verbringen wollte, um ihre Hausaufgaben zu machen. Ein kurzer Blick reichte aus, um Sam in der Ecke auszumachen. Maia ging auf sie zu, nahm sie an der Hand und zog sie hinter sich in den Schlafraum.
"He, was soll das?", protestierte Sam, aber Maia ließ ihre Hand nicht los. "Was machst du überhaupt hier? Wolltest du nicht den Gryffindors zusehen?"
Erst, als Maia die Tür hinter sich und Sam geschlossen hatte, antwortete sie: "Ja, ich wollte Oliver zusehen. Und deshalb bin ich auf den Turm gegangen, weil Oliver ja nicht wollte, dass ich ihm zusehe."
Sam nickte gelangweilt. Maia hatte ihr ja die ganzen letzten Tage damit in den Ohren gelegen, dass Oliver sie nicht dabei haben wollte, weil er sonst zu nervös gewesen wäre und sie ihm aber unbedingt zusehen wollte.
"Na ja, und auf dem Turm stand Snape. Ich hab ihn zu spät gesehen und konnte nicht mehr umdrehen, bevor er mich dann gesehen hat", erzählte Maia weiter. "Ich hab mich dann schon auf ein richtiges Donnerwetter eingestellt, weil er mir ja schon einmal gesagt hat, dass ich auf dem Turm nichts zu suchen hätte, aber es kam nichts. Er hat mich nur ganz normal gefragt, was ich dort oben wollte, an einem solchen Tag wie heute."
"Äh, und warum erzählst du mir das? So spannend, dass du mich damit vom Hausaufgabenmachen abhalten musst, ist das dann auch nicht", meinte Sam.
"Ähm, ja, das Schlimmste kommt ja noch. Ich hab dann irgendeine Antwort gestottert und Snape wollte gehen."
Skeptisch und mit einem Blick, mit dem sie Snape alle Ehre gemacht hätte, sah Sam ihre Freundin an. Sie wollte gerade den Mund öffnen und Maia dazu auffordern, doch endlich den Rest der Geschichte zu erzählen, als Maia weitersprach: "Und dann hab ich Snape gefragt, was damals mit Lania passiert ist."
Sams Unterkiefer fiel nach unten. Es dauerte einige Zeit, bis sie sich wieder gefasst hatte.
"Du hast WAS?", fragte sie schließlich. "Bist du jetzt vollkommen übergeschnappt?"
Das war genau die Reaktion, die Maia erwartet hatte. Verlegen starrte sie auf den Boden.
"Ich wollte das eigentlich gar nicht, es ist einfach so rausgerutscht!", versuchte sie sich zu rechtfertigen.
"Ob du das wolltest oder nicht, wird Snape wohl ziemlich egal sein. Was hat er dann eigentlich gesagt?"
"Nichts!", antwortete Maia leise, so, als würde sie es selbst nicht glauben.
"Wie, nichts? Er hat kein Wort gesagt?", fragte Sam nach.
"Nichts! Er ist nur kurz stehen geblieben, hat mich angesehen und ist gegangen."
Sam wusste nicht, wie sie reagieren sollte, ob sie Maia die Geschichte glauben sollte. Andererseits sah sie keinen Grund, warum ihre Freundin sie anlügen sollte.
"Denkst du, dass noch eine verspätete Reaktion von ihm kommt?", fragte sie nach einer kurzen Pause.
"Ich bin mir sogar sicher", nickte Maia und ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie sich davor fürchtete. "Ich glaub, ich geh am Montag einfach nicht in den Unterricht."
"Und du denkst, Snape glaubt dir dann nach diesem Vorfall, dass du wirklich krank bist?" Sams Stimme klang skeptisch.
"Da hast du auch wieder Recht. Na ja, dann werd ich mich wohl doch meinem Schicksal stellen müssen."
"Jetzt werd doch nicht gleich so melodramatisch! Den Kopf wird er dir schon nicht abreißen!" lachte Sam. "Kann ich dann weiter an meinem Aufsatz schreiben? Oder kommt da jetzt noch was?"
"Ja, ich meine nein, es kommt nichts mehr, das war alles. Natürlich kannst du jetzt wieder weiterschreiben", antwortete Maia.
Sam ging Richtung Tür. Doch bevor sie den Schlafraum verließ, drehte sie sich noch einmal zu Maia um und sagte: "Maia, ich möchte dass du mir etwas versprichst."
Maia sah sie fragend an und Sam ergänzte: "Versprich mir, dass du bis Weihnachten in Sachen Lania nichts mehr unternimmst, sonst musst du auf meine Hilfe verzichten!" Dann ging sie in den Gemeinschaftsraum zurück.

Maia blieb noch einige Zeit im Schlafraum und dachte über Sams Worte nach. Am Schulanfang hatte sie Maia versprochen, dass sie ihre Mutter zu der Patientin befragen würde, die Maias Mutter wöchentlich besuchte. Und auf diese Hilfe wollte sie nicht verzichten. Sie würde sich also von nun an zusammenreißen. Zumindest bis Weihnachten.

* * * * *

Severus war an diesem Morgen schon sehr früh auf den Turm gegangen. Vor genau vierzehn Jahren hatten sie sich zum ersten Mal hier oben getroffen. Heute wollte er sich ganz bewusst an die Zeit damals erinnern.

Schritte holten ihn in die Gegenwart zurück. Jemand lief die Stufen herauf und auch ohne hinzusehen, hätte Severus gewusst, dass es Maia war. Aus den Augenwinkeln konnte er den erschrockenen Gesichtsausdruck sehen und bevor sie sich umdrehen konnte, sagte er: "Miss Tennon! Ich frage mich, was Sie an einem solch herrlichen Tag alleine hier oben machen!"
Er merkte, dass sich ihr gesamter Körper verkrampfte, dann stotterte sie: "Ich... ähm ... ich wollte ... ähm ... wollte nur ..."
"Ihrem Freund, Mister Wood, zusehen, wie er sich blamiert, nehme ich an. Hab ich Recht?", ergänzte Severus.
Maia sah ihn nicht an, sondern starrte nach unten. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging Severus an Maia vorbei.
"Professor Snape?", war Maias Stimme zu hören. Severus blieb stehen und Maia fuhr fort: "Was ist mit Lania passiert?"
Severus sah Maia mit zusammengekniffenen Augen an, drehte sich um und verließ wortlos den Turm.

Wie konnte sie es nur wagen, ihm eine solche Frage zu stellen? Allein mit ihrer Anwesenheit in Hogwarts hatte sie doch schon genug in seinem Innersten angerichtet. Und wie kam sie auf die Idee, dass er ausgerechnet mit ihr darüber sprechen wollen würde? Wenn er wirklich das Bedürfnis gehabt hätte, sich jemandem anzuvertrauen, dann bestimmt nicht einem kleinen Mädchen.

Aber eine Tatsache verschaffte ihm auch in diesem Moment Genugtuung. Er wusste, dass er Maia mit seiner Reaktion sehr verunsichert hatte und sie nun wohl bei jedem Zusammentreffen mit ihm eine verspätete Bestrafung erwartete.

* * * * *

Den gesamten restlichen Tag versuchte Maia, Snape aus dem Weg zu gehen. Doch irgendwie schien er immer zu ahnen, wo sie als nächstes sein würde, denn egal, wohin Maia ging, Snape war schon da. Nachdem sie ihm in der Eingangshalle, in der Nähe des Sees und sogar auf dem Weg zum Waschraum begegnet war, kam Maia zu dem Entschluss, dass sie nun entweder paranoid wäre, oder Snape machte das mit Absicht, weil er genau wusste, was nach diesem Vorfall auf dem Turm in ihr vorging. Schließlich entschied sie sich dazu, den Rest des Tages im Gemeinschaftsraum zu verbringen und das Abendessen ausfallen zu lassen, nur um ihm nicht mehr über den Weg zu laufen.

Am nächsten Morgen wurde Maia sehr früh wach. Nachdem sie aufgestanden war, überlegte sie, ob sie vielleicht auch noch das Frühstück ausfallen lassen sollte. Die Entscheidung nahm ihr allerdings ihr knurrender Magen ab. Außerdem wollte sie danach mit Oliver in die Bibliothek gehen und wenn sie nicht zum Frühstück kam, könnte er denken, dass sie ihn vergessen hat. Also zog sie sich an und ging langsam in die große Halle, in der Hoffnung, Snape auf dem Weg dorthin nicht zu begegnen. Erleichtert atmete sie auf, als sie sich zu den anderen Slytherins an den Tisch setzte.

Wie immer wanderten ihre Augen durch die Halle, sie vermied es allerdings, zum Lehrertisch zu sehen. Deshalb konzentrierte sie sich auf die Gryffindors und vor allem Oliver. Maia wusste noch nicht, ob er es ins Team geschafft hatte oder nicht. Jetzt saß er mit dem Rücken zu ihr, so dass sie es auch nicht an seinem Blick ablesen konnte. Aber sie würde es ja bald erfahren. Außerdem war sie sich sicher, dass er es geschafft haben musste, schließlich kannte sie niemanden, der so gut fliegen konnte wie er.

Nachdem Maia auch noch kurz nach ihrem Bruder gesehen und sich versichert hatte, dass er sich nach der Sache vor wenigen Tagen wieder beruhigt hatte, blickte sie wieder zu den Gryffindors, aber Oliver war verschwunden. Er hatte sich auch nicht an einen anderen Platz gesetzt, er war einfach weg.
"Maia, du hast doch nicht vergessen, dass wir dann in die Bibliothek gehen, oder?"
Maia stieß einen kurzen quiekenden Schrei aus, was ihr die Aufmerksamkeit der näheren Slytherins einbrachte.
"Oliver! Mach das nie wieder!", schimpfte sie gespielt aufgebracht. "Natürlich hab ich das nicht vergessen. Ich muss nur noch meine Sachen holen, dann können wir los."
"Ich muss meine Sachen auch noch holen. Treffen wir uns nachher einfach in der Eingangshalle, dann können wir gemeinsam in die Bibliothek gehen!"
Maia nickte zustimmend, dann war Oliver auch schon wieder verschwunden. Auch Maia stand auf und verließ die Halle, um ihre Sachen zu holen.

Auf dem Weg begegnete sie Sam, die gerade unterwegs in die große Halle war.
"Maia, läufst du nicht in die falsche Richtung?", fragte sie verwundert.
"Ähm, nein, ich hab schon gegessen. Ich gehe dann in die Bibliothek, weil ich den Aufsatz für Snape noch fertig schreiben muss. Ich hole nur meine Sachen", erklärte Maia. Sie hielt es für klüger, Sam nicht zu erzählen, dass sie mit Oliver dort verabredet war.
"Oh, na dann viel Spaß dabei. Ich bin ja froh, dass ich den Aufsatz gestern noch fertig bekommen habe. Bei dem Wetter, das wir heute haben, muss ich nicht den ganzen Tag drinnen verbringen. Aber ich werd für dich ein bisschen Sonne mittanken! Wer weiß, wie lange uns das schöne Wetter noch erhalten bleibt."
Maia lachte, verabschiedete sich von Sam und lief weiter. Oliver würde wohl bestimmt schon warten.

Völlig außer Atem kam sie zurück in die Eingangshalle, wo Oliver tatsächlich schon auf sie wartete.
"Tut mir leid, dass ich jetzt erst komme, aber ich hab Sam getroffen und du kennst sie ja", entschuldigte sich Maia.
"Ist schon in Ordnung, ich bin ja auch erst seit ein paar Minuten hier."

Auf dem Weg in die Bibliothek sagten beide kaum etwas, Maia war viel zu sehr damit beschäftigt, darauf zu achten, Snape nicht zu begegnen. So kam es auch ein paar mal vor, dass sie einen sehr verdutzt schauenden Oliver in einen anderen Gang oder hinter einen Mauervorsprung zog, weil sie dachte, Snapes Umhang flattern gesehen zu haben, und als sie endlich ihr Ziel erreicht hatten, atmete nicht nur Maia erleichtert auf. Doch bevor sie mit ihrem eigentlich Vorhaben begannen, wollte Maia noch ihre Neugier stillen, vor allem, da sie diesmal bestimmt nicht in Schwierigkeiten kommen würde.
"Wie ist es eigentlich gestern gelaufen? Du hast noch gar nichts erzählt!"
Olivers Kinn hob sich merklich, als er stolz antwortete: "Ich bin der neue Hüter im Quidditch-Team von Gryffindor!"
"Ich hab mir gedacht, dass du es schaffst, aber...", Maia ging ein paar Schritte von ihm weg, bevor sie weitersprach, "... das wird Gryffindor auch nicht vor einer Niederlage gegen Slytherin bewahren!"
"Du wirst dich noch wundern!", antwortete Oliver empört und lief Maia hinterher.
Erst ein strenger Blick von Madam Pince sorgte dafür, dass sie sich wieder an den Tisch setzten und endlich mit dem Aufsatz begannen.

Nachdem Maia mit ihrem Aufsatz fertig war und sie Olivers ersten Entwurf gelesen und Notizen dazu geschrieben hatte, begann dieser noch einmal von vorne, wobei Maia hinter ihm stand und ihm immer wieder Verbesserungsvorschläge zu Inhalt und Ausdruck machte, die Oliver auch gerne annahm.

Sie wussten nicht, wie viele Stunden sie letztendlich in der Bibliothek verbracht hatten, aber schließlich hatte auch Oliver einen akzeptablen Aufsatz zustande gebracht und sie gingen zurück in die Eingangshalle.
"So, morgen werde ich nun endlich meinen ersten richtig guten Aufsatz abgeben", grinste Oliver.
"Snape wird sich wundern!", antwortete Maia lachend. "Wir sehen uns dann morgen im Unterricht!"
Oliver winkte Maia zu und ging weg. Nachwenigen Metern drehte er sich aber noch einmal um, ging zu Maia zurück und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
"Danke!"

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Kapitel 19

Konsequenzen


Maia blieb noch einige Zeit in der Eingangshalle stehen und sah Oliver hinterher. Er hatte sie tatsächlich geküsst, wenn auch nur auf die Wange. Sie legte die Hand auf die Stelle und lächelte. Sie wusste nicht, dass seit ein paar Minuten jemand hinter ihr stand.
"Guten Abend!"
Jeder Muskel in Maias Körper verkrampfte sich schlagartig. Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie überhaupt nicht mehr darauf geachtet hatte, Snape aus dem Weg zu gehen. Und nun war sie auch noch so dumm gewesen, alleine in der Eingangshalle stehen zu bleiben. Aber ... war das wirklich Snapes Stimme, die sie gerade gehört hatte? Irgendwie klang sie anders. Schließlich drehte sie sich langsam um. Dumbledore blickte sie über die Gläser seiner Halbmondbrille freundlich an.
"Es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt haben sollte", sagte er, als er sah, wie Maia erleichtert aufatmete.
"Ich war nur in Gedanken und ... ähm ...", versuchte Maia, ihre Reaktion zu erklären.
"Es freut mich, zu sehen, dass zwischen Gryffindor und Slytherin doch eine Freundschaft bestehen kann. Wenn es auch nur zwei Schüler sind!", unterbrach er sie freundlich. "Willst du ein Zitronenbonbon?"
"Ähm, nein danke, ich soll vor dem Essen keine Süßigkeiten naschen", antwortete Maia. Dumbledore nickte verständnisvoll, verabschiedete sich von Maia und verließ die Eingangshalle.

Auch Maia wollte gerade wieder gehen, als sie eine Idee hatte. Natürlich! Warum war sie nur nicht schon früher darauf gekommen? Sie drehte sich um und lief Dumbledore hinterher.
"Professor Dumbledore?"
Der Schulleiter blieb stehen und sah Maia fragend an.
"Darf ich Ihnen eine Frage stellen?"
Dumbledore lächelte wieder und meinte: "Nun, das hast du zwar soeben getan, aber du darfst gerne noch eine zweite Frage stellen."
Maie blickte etwas irritiert, bevor sie die Antwort verstand, und fragte dann: "Warum bin ich in Slytherin?"
Das Lächeln wich aus Dumbledores Gesicht, aber sein Blick wurde nicht weniger freundlich.
"Ich hatte mich schon gefragt, wann du mir diese Frage stellen würdest, aber ich hätte eigentlich erwartet, dass sie früher kommt!"
Maia wusste nicht genau, was sie darauf sagen sollte. Sie wollte nicht unbedingt erzählen, dass sie Snape diese Frage schon einmal gestellt hatte. Also sagte sie nichts, in der Hoffnung, dass Dumbledore auch so weitersprechen würde.
"Nun, Maia, es ist so, dass ich die Antwort auf diese Frage kenne. Aber ich kann sie dir nicht sagen. Den Grund für deine Einteilung musst du selbst herausfinden. Und ich weiß, dass du ein sehr intelligentes Mädchen bist, also wird es dir nicht besonders schwer fallen." Er zwinkerte Maia zu und wollte weitergehen.
"Und warum hasst Snape mich so sehr?"
Dumbledore blieb erneut stehen und meinte: "Das ist zwar jetzt schon die dritte Frage, aber ich will dir auch hier eine Antwort geben, auch wenn es nicht die Antwort ist, die du dir gewünscht hättest. Professor Snape" - das Wort Professor betonte er auffällig - "hasst dich nicht. Er hat mir sogar erzählt, dass er dich für eine sehr begabte Schülerin hält. Aber mir ist natürlich auch aufgefallen, dass er dir das Leben manchmal auch unnötig schwer macht. Warum das so ist, solltest du nicht von mir erfahren. Das sollte dir jemand erzählen, der die genauen Umstände kennt. Und glaube mir, wenn die Zeit gekommen ist, wirst du die richtigen Antworten auf deine Fragen bekommen. Aber hassen tut er dich bestimmt nicht!" Dumbledore lächelte sie noch einmal freundlich an und ließ eine verdutzt blickende Maia zurück.

* * * * *

"Miss Holder? Ich bringe Ihnen Ihr Frühstück!"
Die junge Frau stand wie jeden Morgen am Fenster ihres kleinen Zimmers und blickte hinaus. Als sie die Stimme der Heilerin hörte, drehte sie sich kurz um und nickte, ehe sie sich wieder dem Fenster zuwandte. Die Sonne hatte bereits an Kraft verloren, schien nicht mehr so kräftig wie in den vergangenen Wochen. Die junge Frau wünschte sich nichts sehnlicher, als die Sonnenstrahlen wieder auf ihrer Haut fühlen zu können. Aber sie war hier eingeschlossen. Sie durfte das Gebäude nicht verlassen. Sie wusste, dass sie nun schon viele Jahre hier war. Aber den Grund dafür kannte sie nicht.
"Miss Holder, geht es ihnen gut?"
Miss Holder! Sie wusste nicht, warum sie hier immer so genannt wurde. Vielleicht war es ihr richtiger Name. Sie lächelte der Heilerin kurz zu, um auszudrücken, dass sie keine Beschwerden hatte. Sprechen konnte sie nicht.
Langsam ging sie auf die Heilerin zu und nahm das Tablett entgegen. Sie stellte es auf dem kleinen Tisch, der neben dem Bett stand, ab und blickte wieder aus dem Fenster.

Irgendwo da draußen würde sie Antworten finden. Antworten auf die Fragen, die sie seit Jahren quälten. Und irgendwann würde sie die Antworten bekommen.

* * * * *

Maia hatte fast die ganze Nacht wach gelegen und über Dumbledores Worte nachgedacht. Wie sollte sie nur herausfinden, warum sie nach Slytherin gekommen war? Und wer sollte ihr etwas über die Begebenheiten von damals erzählen? Die einzigen, die sie kannte, die darüber Bescheid wussten, wollten nicht darüber sprechen.

Als langsam die Sonne aufging, kletterte sie aus dem Bett. Es hatte sowieso keinen Sinn mehr, noch länger liegen zu bleiben. Selbst wenn sie noch hätte einschlafen können, sie hätte nicht mehr genug Zeit gehabt, um vor dem Unterricht noch genug Schlaf zu bekommen, um dann zumindest halbwegs wach in McGonagalls Klassenzimmer zu sitzen. Nachdem sie sich im Waschraum noch das Gesicht mit eiskaltem Wasser gewaschen hatte, um wenigstens nicht sofort wieder einzuschlafen, ging sie in die große Halle. Ein anständiges Frühstück würde bestimmt auch dazu beitragen, dass sie etwas frischer wurde.

Nachdem Maia sich an den Tisch gesetzt hatte, wanderte ihr Blick wie automatisch zum Lehrertisch. Zu ihrem Glück stellte sie fest, dass Snape noch nicht da war. Es war früh genug, wenn sie ihn nach Verwandlung im Zaubertränke-Unterricht sah. Dumbledore, der bereits mit dem Frühstück begonnen hatte, lächelte freundlich und zwinkerte ihr zu. Maia erwiderte das Lächeln und begann schließlich selbst mit dem Essen.

* * * * *

Nach und nach kamen die Schüler in den Kerker. Stimmengewirr drang von draußen in den Klassenraum, aber Severus erkannte die Stimme von Craig sofort, als hätte er nur auf diese geachtet.
"Ich bin mir sicher, dass dem heute auch wieder was einfällt", hörte er Craig sagen.
Langsam stand Severus von seinem Stuhl auf und ging in Richtung Tür. Er wollte den jungen Tennon sofort beim Eintreten begrüßen.
"Das ist doch echt nicht mehr normal, oder? Ich meine, das Schuljahr hat doch gerade erst begonnen, und der bestraft mich bei jeder Gelegenheit!", motzte Craig weiter, als er und sein Freund das Klassenzimmer betraten und sie Severus nicht am Tisch sahen.
"Mister Tennon!"
Craig blieb mit offenem Mund stehen und drehte sich zu Severus um, der direkt neben der Tür stand.
"Sie betteln ja geradezu darum, nachsitzen zu dürfen! Aber ich werde es vorerst dabei belassen, Ihrem Haus 20 Punkte abzuziehen!" Severus ging zufrieden wieder an seinen Tisch zurück und wartete auf die restlichen Schüler von Ravenclaw und Hufflepuff.

Nachdem Severus das Rezept für einen Zaubertrank an der Tafel erscheinen lassen hatte, begannen die Schüler eifrig mit dem Zerkleinern und Ausquetschen von irgendwelchen Wurzeln, Samen und sonstigen undefinierbaren Zutaten. Es war der erste Trank, den die Erstklässler selbst brauten, und wie immer erwartete Severus nicht allzu viel von ihnen. Es würde wohl kaum einer eine akzeptable Probe abgeben. Seit er als Lehrer für Zaubertränke tätig war, hatte er erst eine Schülerin kennen gelernt, die die Kunst des Brauens von Anfang an beherrschte, und diese Schülerin war Maia. Auch wenn er ihr das niemals sagen würde.

Am Ende des Unterrichts fühlte Severus sich wieder einmal bestätigt, als tatsächlich niemand einen Trank zu seiner Zufriedenheit brauen konnte. Ein Hufflepuff schaffte es sogar, seinem Gebräu eine zartrosa Färbung zu geben. Auch Craigs Probe ging eher ins bräunlich-rote, aber auf keinen Fall war der Trank grün, wie er hätte sein sollen. Severus nahm die Fläschchen der Schüler kommentarlos entgegen, aber sein Blick sagte ihnen genau, was er von den Trankproben hielt.

Nachdem die Schüler ihre Plätze von den Überresten der Zutaten befreit hatten, strömten sie wieder aus dem Kerker. Niemand, der nicht in Slytherin war, hielt sich unnötig lange hier unten auf.
"Weißt du jetzt, was ich meine?", war Craigs Stimme wieder zu hören. "Der findet immer einen Grund!"

* * * * *

Maia versuchte wirklich, sich auf den Unterricht und Professor McGonagalls Worte zu konzentrieren. Doch immer wieder fielen ihre Augen zu und wenn Sam sie nicht ständig in die Seite gestoßen hätte, wäre sie wohl eingeschlafen. Als sie sah, dass die anderen Schüler ihren Zauberstab in die Hand nahmen, holte auch Maia ihren heraus und ohne zu wissen wie, versuchte auch sie, die vor ihr sitzende Ratte in einen Kelch zu verwandeln. Allerdings klappte dieses Vorhaben nicht so, wie es sollte, und als Maia einen Becher geschaffen hatte, der vom Tisch sprang und weglief, wurde auch Professor McGonagall aufmerksam.
"Miss Tennon, ich würde Sie bitten, sich wirklich auf die Verwandlung zu konzentrieren. Zum Schlafen sind schließlich die Nächte da!"

Maia war froh, als der Unterricht endlich vorbei war. Noch nie war ihr Verwandlung so lang vorgekommen. Auf dem Weg in den Kerker begegnete sie ihrem schimpfenden Bruder und sie wusste genau, dass Snape ihn wieder für irgendetwas bestraft hatte. Sie versuchte diesmal gar nicht, ihn zu grüßen, sie blickte ihm nur hinterher. Sie konnte sich nicht erklären, dass er sich von einem Tag auf den anderen so verändert hatte.

Als sie mit Sam den Klassenraum betrat, winkte Oliver ihr energisch zu.
"Wie kannst du nur mit dem befreundet sein?", meinte Sam abschätzig.
"Was ist denn so schlimm daran? Nur, weil er in Gryffindor ist! Er ist doch trotzdem nur ein Mensch, oder?", antwortete Maia genervt. Sie konnte Sams Einstellung einfach nicht verstehen und sie überlegte, wie Sam wohl reagieren würde, wenn sie wüsste, dass Oliver sie geküsst hatte. Bei dem Gedanken konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen und bemerkte nicht, dass Snape den Raum betrat.

* * * * *

Noch bevor Severus den Raum betrat, entschied er, dass er heute wieder einmal einen unfähigen Gryffindor seinen Aufsatz vorlesen lassen würde, um allen klar zu machen, dass die Schüler aus Slytherin in seinem Fach grundsätzlich besser waren. Und wer wäre da besser geeignet als Oliver Wood?

Auf dem Weg zu seinem Tisch blieb er für einen Augenblick hinter Maia stehen, beschloss aber, doch nichts zu sagen. Mit wehendem Umhang ging er schließlich weiter und als er direkt vor dem Tisch stand, drehte er sich um.
"Ich möchte Sie alle bitten, mir Ihre Elaborat auszuhändigen, mit Ausnahme von Ihnen, Mister Wood."
Oliver schaute den Lehrer irritiert an.
"Sie werden Ihren Aufsatz vor Ihren Mitschülern vortragen", setzte Severus fort.
Langsam stand Oliver auf und ging zu Severus nach vorne. Mit zitternden Händen hielt er das Pergament und begann zu lesen.

Severus' Blick wechselte während Olivers Vortrag von amüsiert über überrascht zu skeptisch und leicht verärgert. Als Oliver sich schließlich wieder an seinen Platz setzte, wandte Severus sich ihm zu und meinte: "Mister Wood, ich erwarte Sie heute Abend um Punkt 20 Uhr in meinem Büro!"

Oliver riss den Kopf hoch und blickte Severus entsetzt an. Auch Maia schien durch diese Aussage etwas irritiert.
"Ähm, Professor Snape, ich verstehe das nicht ganz!", meinte sie schließlich.
Severus sah sie an mit einem Blick, der ihr zu verstehen geben sollte, dass sie sich zurückhalten sollte.
"Wird Oliver jetzt bestraft, weil sein Aufsatz zu gut ist?" Maia ließ nicht locker.
"Nun, Miss Tennon, ich weiß zwar nicht, was Sie für ein Interesse daran haben könnten, aber ja, ich bestrafe ihn, weil sein Aufsatz nicht seinem Können entspricht. Nachdem ich diesen Aufsatz gehört habe, weiß ich, dass er ihn nicht alleine geschrieben hat!", antwortete Severus.
Maia wollte noch etwas sagen, aber Sam stieß ihr den Ellenbogen in die Seite.

Schließlich ließ Severus auch für die Zweitklässler ein Rezept an der Tafel erscheinen und setzte sich auf seinen Stuhl. Maia erinnerte ihn immer mehr an Lania. Sie hatte auch immer gesagt, was ihr gerade durch den Kopf ging. Gloria war vollkommen anders. Im Gegensatz zu ihrer Schwester hatte sie sich nie für andere eingesetzt. Maia hatte viel mehr von Lania als von Gloria.

Wieder kam ihm die Idee, dass Maia vielleicht gar nicht Glorias Tochter war, sondern Lanias. Nein, es konnte einfach nicht sein. Lania hätte es niemals vor ihm verheimlichen können. Auch wenn Maia ein außergewöhnliches Talent für Zaubertränke hatte, das er sich nicht erklären konnte.

* * * * *

Maia wusste, dass es ein Fehler war, Oliver zu verteidigen. Aber sie verstand einfach nicht, warum Snape ihn so unfair behandelte. Der Trank, den sie diesmal brauen sollten, war wieder einmal recht einfach, sodass Maia sich voll und ganz ihren Gedanken widmen konnte. Wieder dachte sie über Dumbledores Worte nach. Warum konnte er nicht einfach ihre Fragen beantworten? Dann wären alle Unklarheiten beseitigt und Maia könnte sich endlich vollkommen auf die Schule konzentrieren.

Am Ende der Doppelstunde füllte Maia einen Teil des Trankes in ein kleines Fläschchen und brachte es zu Snape an den Tisch. Dieser nickte zufrieden und Maia ging an ihren Platz zurück, um diesen zu reinigen. Nachdem sie auch das geschafft hatte und sie den Raum verlassen wollte, rief Snape sie noch einmal zurück.
"Miss Tennon? Ich dachte, ich hätte mich damals verständlich ausgedrückt!", sagte er, nachdem alle Schüler gegangen waren. "Sie haben kein Recht, auf diesem Turm zu sein! Wenn ich Sie noch ein einziges Mal dort oben sehe, werden Sie nicht mehr länger Schülerin von Hogwarts sein! Und ich hoffe, dass Sie sich diese Worte diesmal merken!"

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Kapitel 20

Geburtstagsüberraschung


Als Maia an diesem Freitagmorgen im Oktober wach wurde, hatte sie absolut keine Lust, aufzustehen. Nachdem in den vergangenen Tagen weder ihre Freundinnen aus Slytherin, noch Oliver Zeit hatten, um etwas mit ihr zu unternehmen, war gestern auch noch der Brief von ihren Eltern gekommen, in dem sie ihr mitteilten, wie stolz sie doch auf Craig wären, dass er nach Ravenclaw gekommen war.

Schließlich entschied sie sich doch dazu, ihr Bett zu verlassen. Immerhin hatte sie heute ja auch Unterricht, zum Glück nicht bei Snape. Und am Nachmittag würde sie sich wohl wie jeden Tag in der vergangenen Woche in eine Ecke im Gemeinschaftsraum zurückziehen und ihre Hausaufgaben machen oder ein Buch lesen. Am liebsten hätte sie sich ja an den See gesetzt, aber da es schon die ganze Woche regnete, war daran nicht zu denken.

Irgendwie fühlte sie sich wie an dem Tag ihrer Ankunft in Hogwarts. Niemand sprach mit ihr, und gestern war sie wieder einmal weinend eingeschlafen. Sie wusste nicht, warum alle sie plötzlich mieden. Sam wollte angeblich ihre Leistungen verbessern, war aber nie in der Bibliothek zu finden. Oliver schien jeden Tag zu trainieren, obwohl die anderen Mitglieder des Gryffindor-Teams andere Dinge zu tun hatten. Maia hatte das Gefühl, dass niemand mehr sie mochte.

Nachdem Maia sich angezogen hatte, ging sie zögernd in den Gemeinschaftsraum. Normalerweise wartete Sam immer auf sie, damit sie gemeinsam in die große Halle gehen konnten, aber heute waren nur ein paar ältere Schüler da, mit denen Maia nicht besonders viel zu tun hatte. Also machte sie sich alleine auf den Weg. Sie überlegte noch kurz, ob sie vielleicht das Frühstück ausfallen lassen und gleich in Flitwicks Klassenraum gehen sollte, aber außerhalb des Unterrichts war es wohl die einzige Möglichkeit, ihre Freunde zu sehen, also entschied sie sich doch dafür.

Die Räume der Slytherins lagen im Kerker und es war immer etwas kühl hier unten. Besonders wenn die Sonne im Frühjahr an Kraft gewann, war dieser Umstand von Vorteil. Maia hatte es nicht besonders eilig, in die große Halle zu kommen, also ging sie sehr langsam und schaute sich alles genau an. Über ein Jahr war sie nun hier, und doch gab es immer wieder Neues zu entdecken. Und sonst hatte sie nie genug Zeit, um alles zu betrachten. Aber wenigstens verlief sie sich nicht mehr. Die erste Begegnung mit Snape würde sie wohl nie vergessen.

Mittlerweile kannte sie die Gänge allerdings sehr gut und so dauerte es trotz der langsamen Schritte nicht lange, bis sie vor der Tür zur großen Halle stand. Noch einmal überlegte sie kurz, ob sie wirklich hineingehen sollte, wenn ihre Freunde doch eh nichts mehr mit ihr zu tun haben wollten, bevor sie schließlich die Tür öffnete.

* * * * *

Schon als Severus die große Halle an diesem Freitagmorgen betreten hatte, war ihm das aufgeregte Gedränge am Tisch der Slytherins aufgefallen. Alle schienen sich um Sam, Mel und Nicci zu scharen und Severus war verwundert, dass er in dieser Traube Maia nirgends sehen konnte. Als er sich an seinen Platz am Lehrertisch setzte, merkte er, dass auch Maias Bruder bei den Slytherins stand. Dann musste das Gedränge auf jeden Fall etwas mit ihr zu tun haben.

Etwas skeptisch beobachtete er das Treiben, während Dumbledore dem Ganzen amüsiert zusah. Auch, als noch Oliver Wood von seinem Platz am Gryffindor-Tisch aufstand und sich zu den Slytherins gesellte und Severus überlegte, ob er etwas dagegen unternehmen sollte - er konnte es doch nicht einfach zulassen, dass ein Gryffindor am Tisch seiner Slytherins sitzt - , verschwand das Lächeln aus Dumbledores Gesicht nicht, im Gegenteil, es schien sogar noch erfreuter zu sein. Severus Gesichtsausdruck hingegen wurde immer grimmiger, ein Erstklässler, der sich noch leicht einschüchtern ließ, wäre ihm nun gerade Recht gekommen.

"Ist es nicht schön zu sehen, wie sich die beiden Häuser langsam wieder annähern?" Dumbledore stand inzwischen direkt neben Severus, der auf diese eher rhetorische Frage nur kurz seinen Mund zu einem gekünsteltem Lächeln verzog.
"Severus, auch wenn du selbst nicht glücklich sein kannst oder vielleicht auch nicht willst, solltest du anderen ihr Glück gönnen."
Severus sah Dumbledore an. Er wusste genau, was er damit sagen wollte. Seit damals konnte er es nicht aushalten, andere Menschen glücklich zu sehen, seit ihm sein Glück genommen worden war.

Dumbledore sah ihn noch einmal mahnend über die Gläser seiner Halbmondbrille an, bevor er sich wieder an seinen Platz setzte. Severus blickte wieder zu der Gruppe lachender Schüler. Einen kurzen Augenblick lang fühlte er das Verlangen, einer von ihnen zu sein, noch einmal dieses Gefühl zu erleben, als sich die Tür öffnete.

* * * * *

"HAPPY BIRTHDAY!"

Beinahe wäre Maia rückwärts durch die Tür wieder hinausgefallen. Das war also der Grund, warum in den letzten Tagen niemand Zeit für sie hatte. Sogar Oliver und Craig waren da und gratulierten ihr.
"Jetzt mach endlich deine Geschenke auf!", drängte Sam, als Maia sich setzte. Erst jetzt sah sie die Päckchen, die auf dem Tisch lagen. "Hier, das ist von mir!" Sam überreichte ihr ein kleines Paket, das in silbernes Papier gewickelt und mit einer grünen Schleife verziert war. Vorsichtig wickelte Maia es aus und öffnete die Schachtel. Darin fand sie einen kleinen Bilderrahmen. Von dem Bild, das sich in dem Rahmen befand, winkten ihr Sam uns sie selbst fröhlich zu. Maia konnte sich noch genau an den Moment erinnern, als das Foto gemacht wurde. Es war nach den Prüfungen im vergangenen Jahr, als sie alle erleichtert im Gemeinschaftsraum saßen, hatte Mel alles und jeden fotografiert.

Maia umarmte Sam, als Craig sich zwischen sie drängt und seiner Schwester ein in blaues Papier eingewickeltes Päckchen gab. Maia hatte schon eine gewisse Ahnung, was er ihr schenken würde, schließlich bekam sie von ihm zu jeder Gelegenheit Unmengen an Haarbändern in allen möglichen und unmöglichen Farben - sie überlegte kurz, ob sie vielleicht an ihren Haaren etwas ändern sollte - , diese Ahnung wurde jedoch nicht bestätigt, als sie die Halskette aus leuchtend grünen Glasperlen auspackte.
"Die hab ich in der Winkelgasse gekauft, als du mit Sam Eisessen gegangen bist", erklärte er.
"Vielen Dank, Craig!", antwortete Maia und umarmte auch ihren Bruder. "Aber wieso hast du, seit du hier bist, kaum mit mir gesprochen?"
"Na ja, ist vielleicht blöd, aber ich hatte einfach Angst, dass ich mich wegen dem Geschenk verplappere. Es sollte doch eine Überraschung sein, weil du diese Kette damals in der Winkelgasse schon so bewundert hast und Mama wollte die dir nicht kaufen und du hast zu wenig Geld gehabt." Als Craig das sagte, musste Maia unweigerlich zu Sam sehen.

Nachdem sie auch die anderen Geschenke geöffnet hatte - Mel schenkte ihr ein Armband, von Nicci bekam sie einen Jahresvorrat an Bertie Bott's Bohnen und Oliver gab ihr einen Anhänger in Form eines Besens, der sie immer daran erinnern sollte, wie ihre Freundschaft begonnen hatte - war das Flattern einer Eule zu hören. Maia und die anderen blickten nach oben und sahen eine kleine Eule, die einen Brief im Schnabel hielt. Direkt vor Maia landete sie und blieb auf dem Tisch sitzen. Maia nahm den Brief, öffnete ihn und begann zu lesen:

Liebe Maia,

Wir möchten dir alles Gute zu deinem Geburtstag wünschen! Wir sind der Meinung, dass du inzwischen alt genug für eine eigene Eule bist, deshalb schicken wir dir diesen Sperlingskauz. In der Eulerei in Hogwarts wird er sich sicher wohlfühlen, solange du in der Schule bist. Wir hoffen, du freust dich über dieses Geschenk.

Feier noch schön!

Alles Liebe von Mama, Papa und Jacob

Maia wusste momentan nicht, was sie sagen sollte. Eine eigene Eule hatte sie sich schon lange gewünscht, immerhin war Barny, die Familieneule, auch nicht mehr der jüngste und es war nie ganz sicher, ob er die Briefe auch dahin brachte, wo er sie hinbringen sollte.
"Ich hab eine eigene Eule", sagte sie schließlich leise und lächelte glücklich.

* * * * *

"HAPPY BITHDAY!", hörte Severus die Schüler rufen, als Maia durch die Tür kam. Das war es also, Maia hatte Geburtstag und ihre Freunde wollten sie überraschen. Natürlich, im letzten Jahr um diese Zeit hatte Sam ja einmal gesagt, dass Maia so fertig gewesen war, weil ihre Eltern ihren Geburtstag vergessen hätten. Severus hatte diese Erklärung damals nicht geglaubt und gehofft, Maia würde weinen, weil ihre Eltern ihr in einem Brief mitgeteilt hatte, was sie davon hielten, dass ihre Tochter eine Slytherin war.

Severus hatte seinen Geburtstag schon lange nicht mehr gefeiert, aber er konnte sich noch gut daran erinnern, dass Lania ihn auch einmal überrascht hatte. Seine Geburtstage hatte er immer ziemlich einsam verbracht, niemand hatte ihm gratuliert, bis er an seinem fünfzehnten Geburtstag morgens in die große Halle gegangen war. Er hatte dir Tür geöffnet und Lania war ihm entgegen gelaufen, um den Hals gefallen und hatte ihm ein "Alles Gute zum Geburtstag, Severus" ins Ohr geflüstert. Dann hatte sie ihm sein Geschenk gegeben: ein nagelneuer Kessel, den er sich selbst nie hätte kaufen können, schließlich waren es die Zaubertränke, durch die sie sich näher gekommen waren. Severus hatte sich mit einem Kuss bedankt und nicht darauf geachtet, dass im selben Moment Gloria in die große Halle gekommen war. Sie hatte Lania an den Haaren gepackt und von Severus weggezogen.
Er konnte sich noch an den genauen Wortlaut dessen erinnern, was sie dann zu ihr gesagt hatte: "Lania, selbst du müsstest wissen, dass es Personen gibt, mit denen man sich einfach nicht abgibt. Nicht einmal, wenn man in Slytherin ist!"
Sogar jetzt, Jahre später, tat es noch weh, wenn er daran dachte. Der einzige Positive Gedanke damals war, dass es Glorias letztes Jahr an Hogwarts gewesen war. In diesen letzten Monaten hatte sie es jedoch immer wieder zu verhindern gewusst, dass er und Lania sich treffen konnten. Aber das Schlimmste war dann bei diesem Ausflug nach Hogsmeade geschehen, als sie ... nein, daran wollte er jetzt nicht denken. Er wollte den Gedanken an diese Geburtstagsüberraschung noch eine Weile behalten.

Schließlich stand er auf und ging Richtung Tür. Als er sich auf Höhe der lachenden Schüler befand, überlegte er kurz, ob er Maia vielleicht auch gratulieren sollte, setzte seinen Weg a
"If velvet had a voice, it would sound like Alan Rickman!"

+++Addicted to Snape+++
Mitglied im Orden des Halbblut-Prinzen