Alle Jahre wieder
von irm63
30. November 1999
Die Lehrerversammlung war bisher angenehm zügig verlaufen und Hermione kratzte mit der Feder gerade eine letzte Notiz bezüglich der während der Ferien auf Hogwarts verbleibenden Schüler in ihr Notizbuch, als Minerva noch einmal um allgemeine Aufmerksamkeit bat.
„Wie Ihr alle wisst, hat uns der Wiederaufbau des Schlosses in den vergangenen anderthalb Jahren alles abverlangt und wir mussten die letztjährige Weihnachtsfeier absagen, weil die Ministeriumsabteilung für magische Statik Hogwarts wegen magischer Fluktuationen in der zweiten Dezemberwoche zwangsräumen ließ. Doch nun ist das Schloss wiederhergestellt und wir werden anlässlich der Weihnachtsfeier auch wieder Wichteln.“
Hermione unterdrückte ein überraschtes Piepsen, während ihr wie immer grimmig schauender Sitznachbar abfällig schnaubte, was ihm prompt einen bösen Blick der Schulleiterin einbrachte, den er mit ironisch hochgezogener Augenbraue konterte.
„Dieselbe Prozedur wie in früheren Jahren, Minerva?“, fragte Snape und betrachtete interessiert seine Fingernägel.
„Dieselbe Prozedur wie jedes Jahr, Severus! Und für die neuen Kollegen werde ich nun die Regeln erläutern“.
Neben Hermione, als Lehrerin für Verwandlung und Hauslehrerin für Gryffindor, war noch ein junger Amerikaner namens Chuck Morris als Lehrer für Muggelkunde eingestellt worden. Der Arme verzweifelte zum Amüsement des Kollegiums immer noch an der Magiedichte in Hogwarts, die seine „Eifons“ und „Netbucks“ vom Funktionieren und ihn vom Modernisieren des Lehrplans abhielt.
„Wir losen Namen aus und behalten diese für uns.“ Ein gestrenger Blick traf Hagrid.
„Nach mehreren unangenehmen Zwischenfällen ist auf Anweisung von Madame Pomfrey das Verschenken von Steinkeksen untersagt.“
Ein weiterer Blick traf Hagrid, der betreten den Kopf senkte und etwas von dem besten Rezept seiner Mutter murmelte.
„Und es ist nicht originell, der Schulleiterin tartangemusterte Gebrauchsgegenstände zu schenken.“ Der letzte Blick wanderte über die gesamte Runde.
Nachdem auch Flitwick aufgehört hatte zu kichern, schritt Minerva zur Auslosung und ließ einen Hauselfen den sprechenden Hut herbeibringen, der sich nach einem schläfrig gemurmelten „Ist es schon wieder soweit?“ bereitwillig mit Namenszetteln füllen und dann herumreichen ließ.
Hermione langte aufgeregt und mit freudiger Erwartung in den Hut, zog behutsam einen sorgsam gefalteten Zettel, entfaltete ihn und erbleichte. Wieso in Merlins Namen musste sie ausgerechnet Snapes Namen ziehen?
7. Dezember 1999
Eine Woche später wurde Hermione immer noch bleich, wenn sie an ihr Wichtelkind dachte.
Nicht, dass sie sich vor Snape fürchtete, der Kollege Snape war um Einiges netter, als der Lehrer Snape, sofern man bei Snape überhaupt von nett sprechen konnte.
Aber er war nach wie vor düster und verschlossen, er hatte keine ihr bekannten Hobbies, es sei denn, man bezeichnete Ironie und Sarkasmus als solche, … sie wusste nichts über ihn, außer dass er eine Vorliebe für Schwarz hatte und dass ihn eine tragische Liebe mit Harrys Mutter verband, …
und dass es eine verdammt blöde Idee wäre, ihm ein schwarzgerahmtes Bild von Lily Potter zu verehren.
Sie raufte sich noch einmal ihr bereits mehr als zerzaustes Haar und beschloss, dass zu tun, was sie meist in Krisensituationen tat. Sie ging in die Bibliothek.
14. Dezember 1999
„So kurz vor den Ferien noch fleißig am Recherchieren, Kollegin?“
Hermione schreckte auf, als sie die sanfte dunkle Stimme des Tränkemeisters, der sich interessiert über ihren Tisch in der Bibliothek beugte, vernahm und murmelte verlegen etwas über „fachliches Interesse“.
Noch während sie ihre Notizen zu verdecken suchte, war Snape schon mit wehender Robe davongerauscht, vermutlich wieder einmal auf der Suche nach unbotmäßigen Schülern.
„Richtig, er hat doch ein Hobby“, dachte sie verzweifelt kichernd. Und darüber hinaus hatte er sämtliche relevanten Publikationen über Tränke gelesen, beschäftigte sich wie zu erwarten mit den dunklen Künsten, Verwandlung und Zaubersprüchen, hatte aber niemals auch nur ein Buch ausgeliehen, das lediglich der Unterhaltung diente.
„Soviel zu Lavenders Theorie von heimlichen Romantiker“, dachte sie, wehmütig an die kichernden Unterhaltungen im Mädchenschlafraum zurückdenkend.
18. Dezember 1999
Hermione fühlte sich verfolgt, genauer gesagt beobachtet und verfolgt. In den letzten Tagen hatten sich die überraschenden Begegnungen mit Snape gehäuft. Sollte er Verdacht geschöpft haben?
Andererseits schienen sich in letzter Zeit alle Lehrer misstrauisch zu beäugen.
Sie spähte um die Ecke des Kerkerganges und schlich weiter. Vielleicht ereilte sie ja hier unten eine Eingebung.
21. Dezember 1999
Sie hatte fünf Pfund abgenommen, unschöne Ringe unter den Augen und immer noch keine Idee, warum also nicht? Sie flohte Luna an und schilderte ihr ihre Misere.
„Weißt Du, ich will etwas wirklich Persönliches. Ein Halstuch oder Taschentücher wären zu beliebig, Whisky ist eher etwas für Minerva, Schokolade mag er bestimmt nicht und ich habe keine Ahnung, ob er irgendeine Dekoration in seinen Gemächern hat und wenn ja, in welchem Stil. “
Luna sah sie eine Weile großäugig an und antwortete schließlich in ihrer verträumten Singsangstimme: „Wenn es persönlich sein soll, dann muss es auch etwas mit Dir zu tun haben.“
Hermione starrte sie einen Moment lang fassungslos an, dann rief sie begeistert: „Das ist es, Luna! Danke! Ich muss jetzt Schluss machen. Bis bald.“
Sie schnappte sich Pergament und Schreibfeder und war schon auf halbem Wege zur Eulerei, während Luna immer noch verträumt aus ihrem Kamin starrte und murmelte: „Sie sollte auf die Nargel achten.“
25. Dezember 1999
Die Geschenke waren im Kollegenkreis verteilt worden und Minerva packte gerade eine große Flasche Feuerwhisky aus, deren tartangemustertes Etikett sie großzügig übersah.
Snape wickelte währenddessen slytheringrünes Geschenkpapier von einem flachen Karton, während Hermione ihr Geschenk mit angehaltenem Atem fest umklammerte. Hoffentlich nahm er ihr das Geschenk nicht übel, aber sie wusste, dass er es gebrauchen konnte und sie hatte ihm gegenüber durchaus noch etwas gutzumachen.
Da, es war soweit, er öffnete den Karton und zog einen nachtschwarzen Umhang hervor, wobei er anerkennend pfiff, als er im Kragen das Etikett von Twilfitt und Tatting entdeckte. Dann griff er nach der beiliegenden Grußkarte.
Hermione nestelte nun nervös an der Verpackung ihres Geschenkes, es war federleicht und … pelzig? Eine Katzenmaske?
Auf der beiliegenden Karte war in Snapes Handschrift zu lesen: „Für den diesjährigen Silvesterball, eine Verkleidung ohne unerwünschte Nebenwirkungen.“
Unter der Katzenmaske fand sich auch noch der dazu passende Schwanz.
Als sie fassungslos aufblickte, winkte ihr Snape mit seiner eigenen Grußkarte zu.
Sie kannte den Text Wort für Wort: „Ich weiß, dass es unverzeihlich war, aber Bitte entschuldigen Sie die Brandflecke auf ihrem Mantel.“
„Vielleicht sollten wir uns bei einem Abendessen zu zweit einmal in Ruhe unterhalten. Von Kollege zu Kollege.“