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Gewissensfrage: Internet-Profile löschen oder nicht?

Mahogany
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Gewissensfrage: Internet-Profile löschen oder nicht?

Beitragvon Mahogany » Mo 06 Mai, 2013 11:14

Vorneweg: Das ist ein schweres und emotionales Thema, zu dem jeder seine eigene Meinung hat. Ich möchte euch bitten, so sachlich wie möglich zu bleiben. Sollte die Debatte dennoch aus dem Ruder laufen, möchte ich die Moderatoren bitten, den Thread zu schließen bzw. zu löschen - ich habe keine Lust, hier irgendeine Form von Streit vom Zaun zu brechen und Trolle zu bändigen.

Es geht um Folgendes: Ich bin in einem anderen Forum ebenfalls sehr aktiv als Gründungsmitglied und Mod. Nun ist eine unserer Userinnen vor einigen Wochen gestorben, ein junges Mädel, das sehr beliebt war. Die User nutzen die Gästebuch-Funktion ihres Profils, um sich zu verabschieden. So weit, so gut.
Jetzt habe ich erfahren, dass die Angehörigen darüber nachdenken, das Facebook-Profil des Mädchens zu löschen. Auch dort haben Freunde ihr Beileid bekundet und sich verabschiedet. Allerdings wurde sie auch nach wie vor zu Parties eingeladen, von einigen "Freunden" sogar angeschrieben á la "Wie gehts dir, lange nichts mehr gehört" etc. etc., was für die Familie unerträglich ist. Das ist bei unserem überschaubaren Forum jetzt weniger der Fall, aber die Frage nach "löschen oder Behalten" steht hier natürlich auch im Raum. Ich muss gestehen, ich kann mich nicht entscheiden. Das Mädchen war keine Freundin von mir, ich kannte sie nicht persönlich, und abgesehen davon, dass es immer schade ist, wenn ein junger Mensch stirbt, verbine ich nichts mit ihr, geschweige denn ihrem Profil. Ich weiß auch nicht, ob wir Kontakt zu den Angehörigen aufnehmen sollen und dort nachfragen sollen?

Was würdet ihr tun?

Generell stößt dieses Problem ja auch die Frage auf, wie man in einer digitalisierten Welt mit dem Tod umgeht. Ich meine, das Weiterbestehen der Internet-Profile ist schon irgendwie ... seltsam. Ich will jetzt keine Wörter wie "Unsterblichkeit" in den Mund nehmen, aber irgendwie läuft das schon darauf hinaus - zumindest virtuell.

Wie seht ihr denn diese Problematik? Übertreibe ich da? Ist das alles eigentlich gar nicht so wichtig, steigere ich mich da in etwas hinein?
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Beitragvon Jagar » Mo 06 Mai, 2013 11:23

Ist wirklich ein problematisches Thema. Ich an deiner Stelle - und auch an Stelle der Familie - würde das Profil löschen. Wenn ein Mensch stirbt, dann hat er keinen Nutzen mehr dafür und auch die Angehörigen können meist nichts mehr damit anfangen. Es ist doch eher so, dass die Erinnerungen durch so ein Profil immer im Raum stehen und nicht zulassen, dass der Schmerz über den Verlust vergeht. Deshalb sollte man sich von den digitalen Fußabdrücken abwenden und sie auslöschen und lieber nur die Erinnerungen an den Verstorbenen behalten, ohne ständig daran erinnert zu werden.

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Beitragvon Leanne » Mo 06 Mai, 2013 11:53

Hm, wirklich problematisch. Wenn ich in der Situation wäre, wüsste ich auch erstmal nicht was ich machen sollte. Ich kann gut verstehen, dass du dich nicht entscheiden kannst. Einfach selbst löschen würde ich aber wahrscheinlich nicht. Wenn du die Möglichkeit hast mit den Familienangehörigen Kontakt aufzunehmen, dann würde ich es wahrscheinlich sie entscheiden lassen, ob das Profil gelöscht werden soll oder nicht. Außer natürlich die anderen User aus dem Forum würden sich unwohl fühlen, wenn das Profil bestehen bleibt - was ich auch gut verstehen würde. Ich denke ein Profil im Forum ist auch nochmal was anderes als bei Facebook.
Da reagiert wohl auch jeder anders, wenn er das Profil von einem Verstorbenen sieht. Als der beste Freund von meinem Bruder vor ein paar Jahren verstorben ist, war das auch immer seltsam das Profil auf Facebook zu sehen - zumindest für mich. Anfangs finde ich es ganz wichtig, dass das Profil bleibt, weil es eben auch ein Ort ist, wo man sich verabschieden kann. Aber danach verspürt man nur noch den Schmerz, weil man eben immer daran erinnert wird. Seine Eltern haben sich zumindest dagegen entschieden das Profil zu löschen. Sie meinten, dass sie Fotos und Videos ja auch nicht löschen würden, nur weil er nicht mehr lebt. Sie haben gelernt damit umzugehen. Das sind für sie eben auch wichtige Erinnerungen an ihn, wie Fotos und Videos. Sie haben nur die Kommentarfunktion abgestellt, eben damit da keiner mehr reinschreiben kann.
Aber das ist wohl wirklich personenabhängig. Manche können damit leben, wenn das Profil bleibt, andere nicht. Mir persönlich würde das auch schwer fallen.
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Beitragvon Flocke » Mo 06 Mai, 2013 14:03

vor fünf Monaten ist ein sehr guter freund von mir gestorben. Wenn man fast jeden Tag zusammenhängt trift es einen wie ein schlag. Ja, deswegen war ich die Zeit auch nicht im Forum. In der Sportart in der er sehr gut war und einzigartig (in Deutschland der einige Tjoster) haben Menschen auf der ganzen Welt auf seine seite bei Facebook gepostet. Es ist so berührend zu sehen, dass sogar Fremde sich bei ihm verabschiedeten. Es sind über hundert beiträge zusammengekommen. Warum sollte man das Löschen? Es gibt so viel unnötiges im netz und das hat mehr die berechtigung gespeichert zu werden, als die erinnerung an einen Menschen`? Wenn die Familie das Konto löschen will, ist das ihr gutes recht. Es ist nur traurig. Es geht eben jeder anders mit dem Tod um, und wir Hinterbliebenen müssen es für uns erträglich machen.
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Beitragvon Serena » Mo 06 Mai, 2013 15:29

Ja, die Familie hat ein Recht das Profil zu löschen, oder aber was bei Facebook möglich ist, es in den Kondolenz Zustand zu versetzen. Denn Freunde und Bekannte aus dem Netz haben schließlich auch ein Recht zu erfahren, wenn jemand stirbt. Und teilweise kann sich das tatsächlich lange Zeit hinziehen.
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Beitragvon Ahzrarn » Mo 06 Mai, 2013 15:31

Löschen würde ich das Profil wohl schon, aus den von Nabs erwähnten Gründen, nicht jedoch den Account, wenn dies die Löschung aller Beiträge bedeutete. Diese bleiben weiterhin Teil des Forums, das Vermächtnis des Toten sozusagen, aber unsinnige Kommunikationsversuche würden einfach ins Nichts schießen; verbunden mit einer automatischen Benachrichtigung, dass der Account eben gesperrt ist.
Edit: ich meinte hier natürlich einen normalen Forenaccount und kein Fäisbuk-Ding. Bestehen die Angehörigen jedoch auf Löschung, wäre dem selbstverständlich zu entsprechen.
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Beitragvon Serena » Mo 06 Mai, 2013 19:52

Dies hat aber nichts mit Trauerarbeit zu tun. Mal ganz vorsichtig angemerkt. Denn auch der digitale Fußabdruck ist nichts anderes, als Briefe und Fotografien. Und die verbrennt man ja auch nicht, wenn derjenige, der sie geschrieben hat, fotografiert hat oder darauf zu sehen ist, verstorben ist. Als Admin habt ihr die Möglichkeit, die Leute, die in dem Forum mit ihr zu tun hatten, zu benachrichtigen.
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Beitragvon Santura » Mo 06 Mai, 2013 20:11

Der wunsch der angehörigen sollte dann schon erfüllt werden, für die "ForenAngehörigen" muss imho das Thema aber auch abgeschlossen werden, es wird der Userin sicher nicht gerecht wenn das Profil irgendwann vergessen und verstaubt das dasein fristet oder?
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Beitragvon Dark Lúthien » Di 07 Mai, 2013 19:04

Hm schwere Sache. Ich denke, wenn man Kontakt mit den Angehörigen aufnimmt, dann ist es der beste Weg.

Natürlich ist das ganze Thema mit Profil und Internet zweischneidig. Ich persönlich finde es aber immer wieder erstaunlich und irgendwie "schön", dass viele Leute ihren Abschied ausdrücken können. Dass "zusammen getrauert" werden kann. Ich finde in unserer Gesellschaft hat die Trauerverarbeitung einen viel zu kleinen Stellenwert. Paar Tage trauern und dann geht's wieder ab zur Arbeit mit dem Strahlelächeln *Kopf schüttel* Durch das Internet ist es eben möglich geworden, dass man Trost spenden kann, dadurch dass man zeigt, dass die Angehörigen nicht "alleine" sind und sie merken, dass die Gesellschaft eben doch noch für Andere,für "Fremde" empfinden kann. Ist aber gleichzeitig sehr traurig, dass es nur virtuell "möglich ist"...

Ich für mich persönlich weiß, dass wenn mir etwas passieren sollte, dass ich möchte, dass wirklich alles von mir gelöscht wird im Netz. Das komplette Profil, Posts, einfach alles. Aber das ist nur meine persönliche Einstellung dazu.

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Beitragvon Serena » Di 07 Mai, 2013 21:42

Warum das denn, Lu? Ich würde das nicht wollen. Das sind Stücke von mir, die ich mit anderen geteilt habe. Zeit, die ich ihnen geschenkt, meine Gedanken, die ich ihnen mitgeteilt habe. Ich würde es schade finden, wenn alles verschwindet.
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Beitragvon Ahzrarn » Mi 08 Mai, 2013 13:00

Ich ebenfalls, und ich halte es für Verschwendung. Was wäre geschehen, hätte man die Werke eines Sokrates, eines Nettenheims oder Shakespeares nach deren Tod den Flammen übergeben?
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Beitragvon Wehwalt » Mi 08 Mai, 2013 13:22

Bei Sokrates wäre der Menschheit ein Haufen Geistesverwirrung erspart geblieben - wobei es ja eh keine Originalschriften von ihm gibt, nur seine Wiedergabe durch Platon und Xenophon - und da mag dann mehr von deren Lehren übriggeblieben sein als vom vorgeblich Zitierten. (Ich weiß, bisserl OT, aber dieser Sokrates, wie er auf uns gekommen ist, ist eine solche Nervensäge, daß ich da nicht anders kann ...)
Aber es ist ja auch ein Unterschied, ob andere oder der Autor selbst über die Vernichtung der Schriften entscheiden. Bei Kafka wäre es ein echter Verlust gewesen, wenn sich der Max Brod an seine Verfügungen gehalten hätte - ich bin dankbar, daß er es nicht getan hat. Aber was einer so in so einem Forum schreibt - hm ... da hat der Autor schon das Recht, seine Löschung zu verfügen.
Aber wenn einer von Euch je mal von meinem Ableben hören sollte: Meine Gedichte dürft Ihr behalten! Das ist hier jetzt ein Forumstestament!
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Beitragvon Serena » Mi 08 Mai, 2013 17:49

Naja, ich würde mir jetzt nicht anmaßen, so wichtig zu sein, wie Shakespeare, aber wie hat der Doctor gesagt:

"Nine hundred years of time travel and I've never met someone who wasn't important."
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Dark Lúthien
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Beitragvon Dark Lúthien » Fr 10 Mai, 2013 11:47

Ahzrarn hat geschrieben:Ich ebenfalls, und ich halte es für Verschwendung. Was wäre geschehen, hätte man die Werke eines Sokrates, eines Nettenheims oder Shakespeares nach deren Tod den Flammen übergeben?

Wie kann man Internet-Posts mit sowas vergleichen? Das sind für mich Welten ehrlich gesagt (Wenn man sich mal ansieht viele Posts von meinen 10000 einfache SÄtze wie "Hi, wie gehts dir?" sind, also ehrlich :roll:) Das was im REALEN Leben von mir geschaffen wurde, bleibt bestehen. Aber so unbedeutende Internetposts, was soll man damit noch? Ich habe das Recht zu entscheiden was mit "meinen" Sachen passiert und ich verstehe nicht, was an Forumposts oder einem Facebook-Profil so wichtig sein sollte? Ich habe dort doch gar nichts "erschaffen". Ich persönlich mag eben, dass alles gelöscht wird. Das ist mein Wille und den muss ich auch nicht erklären. Meine REALEN Freunde und meine REALE Familie wird sich an dem was ich im REALEN Leben erschaffen habe immer "erfreuen" und erinnern können. Deswegen finde ich es einfach Blödsinn so einen Account mit Werken von Schriftstellern zu vergleichen. Ich persönlich finde, dass durch Facebook und Internetforen irgendwie wohl die Realitäten verschoben sind o.O" We gesagt ich finde es schön, wenn Leute ihre Trauer bei Facebook ausdrücken können und die ANgehörigen dadurch sehen, dass es viele Leute kümmert. Aber jeder sollte doch entscheiden dürfen, ob oder ob nicht. Und der Vergleich mit REAL erschaffenen Werken im Vergleich zu digitalen Forenbeiträgen oder einer Facebookseite, finde ich dann doch etwas absurd.

Disclaimer: Das alles ist nicht böse gemeint :)

Jagar
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Beitragvon Jagar » Fr 10 Mai, 2013 11:56

Muss Lú aber zustimmen: der Vergleich hinkt gewaltig. Einen Twitter-Account z.B. kann man niemals mit einem Werk wie Nietzsches Also sprach Zarathustra vergleichen.